Liebe Bloggerinnen, ihr macht die Medienwelt kaputt

Also ich weiß nicht, ich hab jetzt nicht die riesigen journalistischen Ansprüche ans Bloggen – sonst wäre beispielsweise gestriger Post sicher nicht online gegangen, hihi – aber eines ist mir sehr wichtig: Authentizität. Je länger ich blogge, inzwischen sind es dreieinhalb Jahre, und je mehr ich mich mit der Thematik des Bloggens an sich beschäftige, desto klarer werden meine Standpunkte dazu: Sei ehrlich und authentisch, schreib in deinem Stil, wie es dir Spaß macht, und transportiere die Informationen, die dir am Herzen liegen. Ich hab auch kein Problem mit Bloggerinnen, die sich über ihre Blogs finanzieren, dass ichs für mich anders entschieden habe, hat etwas damit zu tun, dass ich mir von nix und niemandem hier reinquatschen lassen will (außer der große Bruder, der darf mir schreiben, dass ich andere nicht Arschloch nennen darf).

Seit heute Vormittag geht mir diese Thematik, die aktuelle Dynamik des Bloggens, immer wieder durch den Kopf. Maddie, nicht nur eine der wenigen wirklich erfolgreichen Modebloggerinnen hierzulande, sondern auch eine, die ganz klar ihre Position vertritt, hat mal wieder Watschen kassiert. Worum gings? Eine neue Modekette aus Skandinavien mit Shorts um zehn Euro, Kleidern um 15 und zwei nichtssagenden Absätzen zu ökologischer und sozialer Verantwortung auf ihrer Homepage hat in Wien eröffnet. Und anscheinend Bloggerinnen in ein cooles Hotel in ihrer eigenen Stadt eingeladen (inkl. Übernachtung, wozu auch immer) und sie eingekleidet.

Abgesehen davon, dass Maddie dazu auf Facebook klar Position bezog und ich mich wahnsinnig darüber freute, weil sie sowas von einen Nerv trifft, dachte ich mal über dieses ganze System Bloggerinnen nach (und ja, es sind wirklich fast nur Frauen). Ja, das ist jetzt ein bissl offtopic und geht sehr in eine sehr gewisse Szene hinein, aber gerade diese Szene ist sehr, sehr einflussreich innerhalb der Modekonsumwelt. Und es macht mich ziemlich wuggi: Liebe Bloggerinnen, ihr macht die Medienwelt kaputt. Zumindest, wenn ihr so sehr auf die Marketing-Avancen von Unternehmen einsteigt und euch PR-Agenturen so ausliefert.

Ihr lasst euch mit Goodies, Events und Kleidung „bezahlen“ (manche von euch bekommen ein bissl Geld obendrauf, warum ich „bissl“ schreib, erklär ich gleich), schreibt dann Lobeshymnen auf euren Blogs und das Unternehmen landet in der perfekten Zielgruppe. Gekostet hat es sie im Verhältnis kaum was. Und ihr postet es auf Instagram, da hat sich das mit der Kennzeichnung der „sponsored posts“ noch nicht so ganz durchgesetzt und ihr kassiert trotzdem pro Bild – zumindest die Bekannteren unter euch.

JournalistInnen bei Zeitschriften dürfen solche großen Einladungen eigentlich offiziell nicht annehmen. Steht im Ehrenkodex des Presserats unter Punkt 4., Einflussnahmen:

„4.3. Wer im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Journalist/in Geschenke oder andere persönliche Vorteile entgegennimmt, die geeignet sein könnten, die journalistische Darstellung zu beeinflussen, verstößt gegen das journalistische Ethos.“

Gut, das ist mal der erste Punkt. Der zweite: Es werden immer weniger Anzeigen in Printmagazinen geschalten. Große Verlage geben „online first“ für ihr gesamtes Produktportfolio aus, weil mit Print einfach keine Kohle mehr zu machen ist. Redaktionen werden massiv ausgedünnt (oder, wie bei der Brigitte, ganz aufgelöst – die arbeiten nur noch mit Freelancern, was in meinen Augen arbeitsethisch höchst bedenklich ist), weil die RedakteurInnen einfach nicht mehr bezahlt werden können (oder wollen, weil teurer als Bloggerinnen). Heißt für die RedakteurInnen: Kein Geld vom Verlag, keins vom Unternehmen. Hallo, AMS.

Und die Unternehmen jubeln. Einer Bloggerin eine Nacht im 25hrs-Hotel und ein paar Fetzen zu zahlen, und sie übernimmt dankbar Fotografie, Posting, wirft mit den von Unternehmen „vorgeschlagenen“ Hashtags um sich, und kriegt als Dankeschön dann noch ein kleines Festl mit Eis und Festivalstimmung gesponsert, ist wesentlich billiger als das Schalten von Anzeigen in Magazinen mit großer Reichweite.

Es ist ja gut, dass es Blogs gibt, sie dienen vielen als Inspiration. Es ist schön, dass Frauen ihren Lebensstil nach außen präsentieren, und dabei nicht nur das Heimchen am Herd geben. Es ist wichtig, dass es eine Pluralität der Meinungen im Internet gibt. Aber Moment mal, Pluralität? Wo ist die Pluralität, wenn zig Bloggerinnen quasi das gleiche Foto mit Blumenhintergrund posten, und ganz zufällig alle auf das aktuelle -30%-Angebot hinweisen?

Ich finde es nur so schade, dass Unternehmen dieses neue System so schamlos ausnutzen, und die Bloggerinnen einfach nicht checken, wie sie instrumentalisiert werden – geblendet von der Tatsache, dass sie „the most perfect white backless dress“ gefunden haben (ich verlinke bewusst keine Bloggerin, diejenigen einen fühlen sich ja eh angesprochen, ich muss da nicht noch mitm Finger hinzeigen). Oder noch schlimmer: Sie checken es und glauben, dass sie es sind, die das System ausnutzen.

Was ich klarstellen möchte: Nein, ich werfe hier nicht alle Modebloggerinnen in ein Becken. Es gibt genügend Ausnahmen, die wirklich auch hinter die Kulissen schauen bzw. nicht nur von Einladung zu Einladung rennen oder Produkte gratis bzw. zum Einkaufspreis anfordern. Ich wünsche mir gute Modeblogs. Einer meiner absoluten Favoriten ist The Man Repeller – auch sie lebt vom Bloggen, und zwar sogar sehr gut, aber sie macht es toll, authentisch, ehrlich (selbst wenn sie nicht auf „meiner Linie“ ist, ich find sie super). Und auch This is Jane Wayne schafft es doch noch hin und wieder, wenn auch leider auffällig immer seltener, sich eine gewisse Authentizität und ein Rückgrat zu bewahren. Außerdem sind diese beiden Blogs für mich auch ein Beispiel, was aus einem Blog werden kann – ein ganzes Portal, quasi eine eigene Zeitschrift. Das ist ja dann gut so, aber davon sind 99% aller Bloggerinnen weit entfernt.

Ich finde nur diese Entwicklung sehr bedenklich – denn neben den guten Modeblogs hab ich immer noch gern eine gute Modezeitschrift in der Hand. Und ich finds sehr unschön, wenn die freie Meinungsäußerung auf Blogs nur noch zu bezahlten Lobeshymnen für Unternehmen wird. Das kostet das Bloggen an sich Glaubwürdigkeit – und die ist mir (unbezahltem) Blog einfach sehr wichtig. Ich will, dass es diese freie, authentische Stimme des Bloggens in seiner ursprünglichen Idee weiterhin gibt, ohne dass alle Leute die Augen verdrehen, wenns heißt „Ich bin Bloggerin“.

17 Gedanken zu „Liebe Bloggerinnen, ihr macht die Medienwelt kaputt

  1. Lena sagt:

    Naja, Maddie macht auch noch ordentlich Kooperationen und jemand einen Brotjob in der Hinterhand hat und nebenbei Blog kann sicherlich ziemlich bequem kritisieren.. Lösungen zur Finanzierung eines Blogs ohne Werbekooperationen wären hilfreicher

    • nunette sagt:

      Ich finde die Frage, ob man sich überhaupt so zur Litfaßsäule auf Kosten anderer machen will, steht vor der Frage, wie man den Blog finanziert.

    • Jessie sagt:

      So ich nochmal. Der Punkt ist, dass Madeleine ja nie behauptet hat, 10 000 prozentig nachhaltig zu sein. Aber sie tut das eben so gut wie sie kann und nutzt ihre Reichweite, auf bestimmte Missstände aufmerksamzu machen. Das ist mehr als alle anderen Blogger tun, die in ihrer Liga spielen. Sie nutzt ihre Vorbildfunktion eben positiv. Da immer das Haar in der Suppe suchen, ist doch lebensfern. So streng wie z.B. Nunu bin ich mit mir auch nicht, aber ich tue mehr als alle in meinem Bekanntenkreis. Nur guckt mir eben keiner auf die Finger.

  2. Jessie sagt:

    Nervt mich auch zusehends. Ich habe keinen Spaß daran, die ewig gleichen (gesponserten) Postings und Bilder zu sehen. Ein Beispiel: scheinbar alle Berliner Bloggerinnen tragen zur Zeit den gleichen Badeanzug und das gleiche gestreifte Shirt mit dem Herzchen drauf. Gähn.

    Dabei schätze ich die Janes zum Beispiel sehr, für mich eines der besten deutschsprachigen Portale, aber warum nicht mal das Shirt von Armed Angels? Warum zum Lunch mit H&M? Sie beweisen in ihren Artikeln ja immer wieder, dass sie es eigentlich besser wissen – das finde ich dann schon zum Haare raufen. Auf der anderen Seite war vor kurzem zu lesen, dass die Artikel, die mit Nachhaltigkeit zusammenhängen zu den am wenigsten gelesenen gehören. Und am Ende ist der Blog ja auch ihre Existenz. Schwierige Kiste.

    Ich finde Madeleine wirklich großartig. Sie beweist doch, dass man zu seinen Ansichten stehen kann und offensichtlich trotzdem Erfolg hat. Sie sollte das Vorbild für alle Blogger sein, ach überhaupt für Frauen.

    Irgendwie ist dieses System schon widerlich. Es wird auf Insta ein Bild gepostet und mit diesem unsäglichen liketoknow Gedöns kommen alle Infos zu den Klamotten ins heimische Postfach. Und die Mädels rennen los und kaufen, kaufen, kaufen. Ich kenne Frauen, die ziehen ihre Klamotten nur einmal an und geben sie weiter oder schmeißen sie weg. Und dass sind keine Promis.

    Das ist so ein Teufelskreis. Und Bloggerinnen haben da meiner Meinung nach viel Verantwortung. Aber genau die wollen sie eben nicht haben . Dann heißt es immer: ich will ja nur inspirieren, ich zwinge ja niemandem zum Kaufen. Aber so einfach ist es eben nicht!

  3. Was tut Mensch nicht alles für Geld, schicke Gratisklamotten und nette Events? Genau, er verkauft sich und seine Ideale, weil mensch glaubt, dadurch glücklicher zu sein.
    Ich wurde schon einige Male gefragt, ob ich Geld mit meinem Blog verdiene, weil ich Best-Practice-Beispiele und davon auch viele Firmen/Start Ups mit ihren tollen Ideen unentgeltlich vorstelle. Meine Antwort: das ist mir nicht wichtig. Wenn sich zufällig eine Kooperation ergibt, die mein „Schaffen“ nicht einschränkt, würde ich sie vermutlich nicht ablehnen. Am meisten freu ich mich über das Teilen meiner Beiträge auf der eigenen fb-Seite, weil wie richtig von Jessie erwähnt: Blogs über Nachhaltigkeit, wie auch meiner, sind für viele einfach zu unsexy, weil auch nicht die „Norm“.

  4. Ariane sagt:

    Yeah! Danke für den tollen Beitrag 🙂 Passiert so leider nicht nur in der Modeblog-Szene, sondern auch in anderen Themenbereichen… Und viel zu wenige sprechen es mal aus.

    • Mari sagt:

      Ich finde es auch nicht gut, wie es momentan läuft. Aber das Problem ist doch, dass die Leser es akzeptieren (oder nicht mitbekommen, weil sie es nicht hinterfragen). Man kann sich ja aussuchen, welche Blogs man verfolgt, und offensichtlich stehen viele Menschen auf solche Beiträge. Und dann kommt noch dazu, dass heutzutage jeder alles umsonst haben möchte. Und ehrlichen Journalismus gibt es nun mal nicht überall umsonst. Wer möchte schon fürs Blog Lesen Geld bezahlen? Und mit Werbebannern möchte auch keiner zugemüllt werden, deswegen haben sich die Firmen andere Methoden ausgedacht, um ihre Produkte unter die Menschen zu bringen. Komplett werbefreie, aber dann auch qualitativ hochwertige Modeblogs zu führen, ist meiner Meinung nach nur in den seltensten Fällen möglich. Gute Blogposts mit aufwendigen Fotografien kosten einfach Zeit, wie soll man da noch einen normalen Job verfolgen und gleichzeitig ständig neue Beiträge liefern, so dass einem die Leser nicht gelangweilt abspringen? Um solche tollen Modeblogs zu führen muss man das schon eher hauptberuflich machen und dann muss auch irgendwie das Einkommen stimmen. Meiner Meinung nach ist es also insbesondere die Umsonst-Mentalität der Leser, die die Medienwelt kaputt macht.

      Welche Kooperationen man als Blogger eingeht und wie man Werbung in seinen Blog einbindet kann man natürlich trotzdem überdenken.

  5. Silke Nenzel sagt:

    Guter Artikel. Aber gelten Blogger als Journalisten? Manche verdienen eben auch ihr Geld über diese Werbung.

  6. Silke Nenzel sagt:

    Hat dies auf Silkes Arbeitsstube rebloggt.

  7. Sabine sagt:

    Ob sich da die Frauen nicht auch unter Wert verkaufen?Bei einigen mag es ja auch funktionieren.Wie hat das eigentlich mit den Modeblogs angefangen?Ging es da von Anfang an um Umsonstgeschenke?Ich glaube nicht,dass jede einen 300 Euro Pullover geschenkt bekommt.Es gibt ja auch bestimmte „Auflagen“,die erfüllt werden müssen.

  8. mona sagt:

    naja, this is jane wayne kooperieren auch mit großen ketten, wie h&m und machten mit ihrer eisparty zuletzt auch eher masse, als selektive auswahl. gerade tisjw haben sich ihre freelancer ins boot geholt, die dann mit den ganzen produktproben und samples und partys und events rumhantieren müssen und für mich ist das eher inkonsequent. mit den vorgestellten blogs hinkt leider dein argument.
    ansonsten sehr gut argumentiert!

  9. Denise sagt:

    Den Journalisten (oder auch die) aus dem Mode/Beauty/Lifestyle/Travel – was auch immer – Bereich, der nicht auf solche Events eingeladen wird und geht (oder auch auf Reisen. Oder Geschenke kriegt.), musst du mir zeigen. Und die schreiben dann genauso darüber. Ohne Kennzeichnung Und bezüglich Printwerbungen: Ein riesiger Teil der Werbung wird dort unter den Tisch gekehrt, weil „redaktioneller Artikel“. Die Medienwelt ist in diesem Bereich (um deine Worte zu verwenden) schon längst kaputt, wenn man es so sieht. Nur zur Info. Ich bin absolut gegen „keine Kennzeichnung“ & „unter Wert verkaufen“ usw, usf., aber da sollte man schon die rosarote Brille auch im Journalismusbereich ablegen.

    • nunette sagt:

      Stimm ich dir zu, gute Argumente. Ich will auch nicht schwarzweiß malen, aber ich wollt mal die Rolle der Bloggerinnen und welchen Einfluss sie haben, herausstreichen.

  10. raspberryfashion sagt:

    Sehr interessanter Artikel! Habe grade erst mit dem bloggen begonnen und finde die Diskussion hier sehr inspirierend! Danke
    RBF
    https://raspberryfashion.wordpress.com

  11. Anne sagt:

    Ich würde den Vergleich zwischen Mode-BloggerInnen und Mode-JournalistInnen erst gar nicht aufstellen wollen. Mode-BloggerInnen sind mittlerweile UnternehmerInnen und kooperieren mit Unternehmen aus dem Lifstyle-Bereich – ihre Köpfe funktionieren als Aushängeschilder, im Grunde wie Mini-Celebrities. Wenn sie das gut und clever machen (also wenn es eine Zielgruppe dafür gibt), können BloggerInnen von diesen Kooperationen sehr gut leben. Das liest man, glaube ich, ganz gut am nicht enden wollenden Konsumverhalten, das auf den Blogs zelebriert wird, ab. Mode-JournalistInnen sind entweder von einem Verlag angestellt (im besten Falle) oder arbeiten frei. Ich zum Beispiel gehöre seit einigen Jahren zu letzteren und werde ausschließlich für das Abliefern journalistischer Beiträge, also die Endprodukte bezahlt. Leider kann ich aus meiner Erfahrung sagen: je anspruchsvoller der Auftraggeber, desto schlechter die Bezahlung. Absurderweise bin ich als Selbstständige nämlich auch gezwungen, wie eine Mini-Unternehmerin zu denken. Allerdings nicht wie eine, die mittels Blog ein Lifestyle verkauft. Wenn man dann beobachtet, wofür das Geld auf Modeblogs (und die Geschäfte daneben und dahinter) hingeschoben wird, ist das zunehmend bitter. Mit meiner Realität, der der freien Journalistin, hat das überhaupt nichts zu tun.

  12. Oli sagt:

    Ich sehe das Problem wo anders. Immer weniger Medienkonsumenten sind bereit, für Informationen zu bezahlen. Die Einnahmen sinken nicht primär, weil Blogs günstigere Werbeträger sind, sondern weil immer weniger Zeitungen und Magazine kaufen und dadurch die Auflagen schwinden.

    Schlimmer noch: Schau mal, wieviele Leute im Internet mit Abblockern unterwegs sind. Sie sind nicht nur nicht bereit, für die Information zu zahlen. Sie wollen auch nicht von Werbung genervt werden.

    Aus Konsumentensicht kann ich das zwar verstehen, aber die Rechnung geht am Ende nicht auf, weil sich Arbeit lohnen muss – egal, ob bei einer Zeitschriftenredaktion oder bei einem Blog.

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