Ich muss zugeben, ich bin vorbelastet: Mir hängt diese ganze Wellnessscheiße zum Hals heraus. Vor ein paar Jahren war plötzlich alles Wellness. Wellness-Drink, Wellness-Yoghurt, Wellness-Müsli, Wellness-Turnmatte, Wellness-Musik (ich habe damals dieses Album online probegehört, weiß nicht mehr, wo, aber boah, he, billig produziertes, asiatisch angehauchtes Meditationsgedudel wie in Aufzügen von Shoppingcentren….WELLNESS ist was anderes.), Wellness-Cremes und so weiter.
Tchibo springt alle paar Wochen auch auf diese Welle. Und seit kurzem gibt es ein tolles neues Angebot: Den Wellness-Mantel.
Mir stößts aus drei Gründen auf:
- Ein Mantel aus mehr als 60 Prozent Polyester – Schwitzen ist also Wellness? In der Sauna ja, aber danach?!
- Wenn ich mir überlege, WER den wohl WO genäht hat, denk ich auch an viel, aber definitiv nicht an Wellness. Auf der Website kann man keine „made in“-Angabe finden. Aber auch keinen Hinweis auf Fairtrade oder ähnliches. Was halt leider auch nicht ausschließt, dass das ein Stück aus einer Unter-Existenzlohn-und-menschenunwürdige-Bedingungen-Fabrik sein könnte.
- Bitte wann genau ist bei uns der Bedarf nach „Wellness-Mänteln“ entstanden? Gehts nur mir so, wenn ich diesen Begriff unglaublich absurd und grauslich Marketingsprech find? Die Dinge, die von denen angeboten werden, wirken auf mich manchmal echt wie ein Best of der Dinge, die die Welt nicht braucht. Mein Favorit ist immer noch der Mozzarellaschneider letztens. Wer braucht sowas? Entweder ich verwende schlicht und einfach ein Messer, oder ich bin total fancy und verwende den baugleichen (!) Eierschneider. Aber einen Eierschneider haben wahrscheinlich schon zuviele Leute, deswegen brauchens jetzt unbedingt noch einen Mozzarellaschneider.
Gut, den Punkt geb ich ihnen: Tchibo ist Mitglied von Textile Exchange, die verwendete Baumwolle wurde „ökologisch angebaut“ (wobei, liebe Profis, ich bin grad recherchierfaul: Ökologisch angebaut heißt nicht gleich bio, oder?). Und Tchibo hat schon verdammt viel echte Biobaumwolle auch im Angebot, auch das muss ich ihnen anrechnen.
Ich bin nur grad immer noch richtig angespitzt durch Kathrin Hartmanns Buch. Ich brauch keine Drachenfrüchte, ich brauch keinen Wellness-Mantel, und ich brauch vor allem keine Unternehmen, die mir vermitteln wollen, DASS ich das brauche. Die Rechnung geht sich doch einfach nicht aus: Billigste Massenproduktion von künstlich erzeugten Special-Interest-Produkten („Einen Wellness-Mantel hat nicht jeder, aber in der Therme muss man sich doch absetzen von den ordinären BademantelträgerInnen!“ – so in etwa stell ich mir ein Verkaufsgespräch für den Wellnessmantel vor, vielleicht wurde er sogar den Menschen bei der Kaffeekette selbst so verkauft, wie schade!), die sich trotz der für uns günstigen Preise nicht jeder leisten wird, und dafür Ressourcenverbrauch, Arbeitskraft-Ausnutzung in Billiglohnländern und eine Konsumgesellschaft, die immer weiter auseinanderdriftet.
Also ich brauch für Wellness keinen neuen Mantel, mit dem ich mich im Zweifelsfall nicht mal abtrocknen kann. Ihr?
