Schlagwort-Archive: Katastrophe

Jedes Kleidungsstück um fünf Pfund. JEDES.

Es geht noch. Man kann mich noch wirklich schockieren. Es geht NOCH billiger. Was bedeutet, NOCH mieser produziert, sozial und ökologisch gesehen.

Ich bin sprachlos. Jedes Produkt in diesem Shop kostet fünf Pfund, bissl über sechs Euro. JEDES von der Hose übers Kleid bis zur Jacke. Und ihr müssts schon selbst googlen, ich verlink das sicher nicht, ich zeige nur Screenshots mit dem (c) Everything 5 Pounds.

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Die Weihnachtsgeschichte aus Dhaka

Na, auch schon alle ganz harmoniebesoffen und vollgefressen mit Keksen? Mir gings gestern so, Weihnachten mit der ganzen Familie, alle Nichten (unterm Badezimmerwaschbecken versteckt leise über einem Weihnachtsgeschenk vertieft) und Neffen (ohrenbetäubend laut die großelterliche Wohnungseinrichtung demolierend). Und die Kekse standen uns bei den Ohren raus.

Heute hab ich mich durch Nachrichten lesen wieder in die Realität geholt. Dankenswerterweise – und da freu ich mich wirklich drüber! – berichtet ORF.at heute riesengroß über Bangladesch. Es ist nämlich so: Von den über 1300 Toten sind bei weitem nicht alle identifiziert worden (und die, die es wurden, oft falsch, also der falschen Familie übergeben). Hunderte sind anonym begraben, einige liegen immer noch unter den Trümmern von Rana Plaza. Und während andernorts über Entschädigungszahlungen diskutiert wird und einige Firmen sagen: „Wir zahlen ja eh!“, stellt sich die Frage: „Aber an wen?“. Es bekommen nur die Familien Entschädigungen, die einen Totenschein vorweisen können. Was soviel heißt wie: Ziemlich viele schaun durch die Finger. Und posthum DNA-Proben ziehen usw…. vergiss es. In diesem Millionen-Moloch namens Dhaka gibts genau ein kleines Labor, das das kann.

Hier gehts zur ganzen Geschichte, die nicht viel Hoffnung macht.

Frohe Weihnachten.

Tschulligung fürs Laune versauen. Nachher gibts eh wieder Oh Tannenbaum-die Oma sitzt im Kofferraum-Stimmung…

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Bangladesch – mal wieder ein Trauerspiel

Gestern war mal wieder Bangladesch überall in den Medien. Ich zitiere hier mal die TAZ – und leider, mit jeder Zeile, die ich las, hatte ich noch mehr das Gefühl, dass das leider nix bringen wird. Die Hauptverdächtigen untergetaucht, einfach futsch. Toll. Oh du Fröhliche.

Tödlicher Fabrikbrand in Bangladesch

Anklage in Abwesenheit

In Bangladesch ist ein Jahr nach einem Fabrikbrand mit 112 Toten Anklage gegen die Besitzer erhoben worden. Doch die sind längst verschwunden.

Ausgebranntes Treppenhaus: Feuerwehrleute bergen eine Leiche aus dem Tazreen Fabrikgebäude (November 2012).  Bild: dpa

BERLIN taz/afp | Mehr als ein Jahr nach einem verheerenden Brand in einer Textilfabrik in Bangladesch ist Anklage gegen die Besitzer erhoben worden. Unter den Angeklagten sind das Besitzer-Ehepaar, Delwar Hossain und Mahmuda Akhter, die allerdings seit dem Brand verschwunden sind. Außerdem werden elf Wachleute und Manager sich ebenfalls wegen fahrlässiger Tötung verantworten müssen. Von ihnen wurden sieben festgenommen, von den anderen fehlt ebenfalls jede Spur.

Bei dem Brand in der Textilfabrik Tazreen Fashions in einem Vorort der Hauptstadt Dhaka waren im November vergangenen Jahres 112 Menschen gestorben, die meisten von ihnen Frauen. Die Fabrik hatte unter anderem für die Bekleidungskette C&A, die US-Supermarktkette Walmart und den deutschen Discounter Kik produziert.

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Die Überlebenden berichteten, dass Aufseher den Feueralarm zunächst als Übung abgetan hatten und Fluchtwege verschlossen gewesen waren. Viele sprangen aus dem Fenster, um sich zu retten. Die Ermittlungen zeigten später, dass es für das neunstöckige Gebäude nur eine Genehmigung für drei Etagen gegeben hatte.

Arbeitsbedingungen in Textilfabriken Bangladeschs sind berüchtigt, regelmäßig gibt es Brände. Fünf Monate nach dem Brand bei Tazreen Fashions stürzte zudem das Fabrikgebäude Rana Plaza ein. Dabei starben mehr als 1100 Menschen, mehr als doppelt so viele wurden verletzt. Viele konnten nur mit Notamputationen aus den Trümmern geborgen werden. Unter dem öffentlichen Druck unterzeichneten zahlreiche Bekleidungsfirmen ein Abkommen für Gebäudesicherheit und Brandschutz in den Fabriken. Gewerkschafter hatten ein solches Abkommen schon seit mehreren Jahren gefordert.

Bangladesch ist nach China der zweitgrößte Produzent von Textilien weltweit. Die Branche beschäftigt fast vier Millionen Menschen, überwiegend Frauen. Die Fabriken produzieren rund 80 Prozent aller Exporte des Landes. Zu unsicheren Fabriken kommen besonders ausbeuterische Arbeitsbedingungen: Den Arbeitern wird einer der niedrigsten Löhne der Welt gezahlt, sie werden regelmäßig zu 14-stündigen Schichten verpflichtet und haben meist nur zwei Tage im Monat frei.

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„Das mit Bangladesch, das wird nix mehr..“

Wiedermal ein Abend gewesen, der mir die Perspektiven etwas durcheinander gerüttelt hat. Eine liebe Bekannte arbeitet ebenfalls im Bereich fairer Mode und war vor einigen Wochen in Bangladesch. Und ihr Urteil – obwohl sie sich wirklich seit Jahren für faire Bedingungen einsetzt, war nüchtern und erschreckend, vor allem aus ihrem Mund: „Das mit Bangladesch, das wird nix mehr.“

Und ihre Argumentation war erdrückend. Wenn man sich die Geschichte von Bangladesch anschaut, dann sieht man, dass dieser Staat eigentlich von vornerherein eine Missgeburt war. Hohe Bevölkerungsdichte, keine Strukturen, die dieser Dichte auch nur im Entferntesten gewachsen wären, eine Geburtenrate, von der unser Sozialminister nur träumen kann. In dem Moment, wo europäische Unternehmen abwandern, stehen die chinesischen bereits Schlange – und dann kann man in Sachen fairem Sozialsystem, das die Europäer VIELLEICHT begonnen haben aufzubauen (wie war das mit den Rana Plaza Zahlungen? Immer noch nicht da!), wieder bei fast null anfangen.

Ich habe dagegen gehalten, dass Aufschwung möglich sein muss. Dass man nicht von vornerherein abkanzeln darf. Aber irgendwie …. ihre Argumentationen waren sehr schlüssig. Zu viel Korruption beherrscht diesen Staat, politisch wie wirtschaftlich. Das mehrinvestierte Geld von europäischen Unternehmen landet ohne klare gesetzliche Regelung nicht bei denen, für die es bestimmt ist – sondern bei den Fabriksbesitzern. 10 Prozent aller politischen Abgeordneten in dem Land sind selbst Fabriksbesitzer, die Hälfte aller Abgeordneten hat ebensolche im engsten Familienkreis. Also kann man sich denken, wie bald diese gesetzlichen Regelungen zustande kommen werden.

Wir kamen dann aufs Thema „weiterhin konventionell kaufen, damit die Frauen eine Wahl haben.“ Ihre Antwort, sinngemäß: „Dieses Argument kann ich nicht gelten mehr lassen. Ist es eine Wahl für ein 16-jähriges Mädchen, vom Land in die Stadt geschickt zu werden, dort 16 Stunden am Tag zu arbeiten, in einem Slum zu wohnen, und mit diesem minimalen Lohn die Verantwortung für zehn Familienmitglieder zuhause zu tragen? Die von dem Geld abhängig sind? Und sie muss sich währenddessen in Gefahr am Arbeitsplatz bringen, im Slum wohnen und sexuellen Übergriffen ausgesetzt sein? Würden diese Mädchen am Land bleiben, hätten sie zwar kein Geld und würden von dem leben, was sie anbauen, aber sie hätten – so unglaublich arrogant das aus westlicher Sicht klingt – mehr Leben. Und zwar alle miteinander.“

Auch das wieder: Eine sehr harte Argumentation, aber ich kann dem auch etwas abgewinnen. Das Argument, nicht aufhören, die Ware aus Bangladesch zu kaufen, damit es diese Jobs wenigstens gibt, wird von elitärer Seite ausgesprochen – nicht von denen, die an der Nähmaschine sitzen. Denen geht es nämlich nicht darum, wie sich das System weiterenwickeln kann und besser werden kann, denen geht es ganz trocken schlicht um die Sicherung der einen Schüssel Reis am Folgetag.

Und übrigens: Das Gespräch fand statt, bevor ich das hier lesen konnte. Obs was bringt? Es ist ein Schritt, ein Zeichen, das man gutheißen sollte. Aber die Umsetzung wird zeigen, ob diese Bekannte mit ihrem Bangladesch-Pessimismus richtig liegt. Ich glaube ihr, sie kennts vor Ort – ich kann von hier aus viel behaupten. Sie hats gesehen.

Es stimmt schon, es kann nicht sein, dass wir, die wir hier leben wie die Maden im Speck, beschließen, wir kaufen nix mehr von dort, weil dort gehts scheiße zu. Ein kollektiver Boykott ist keine Lösung – und wird auch nicht stattfinden. Aber was mach ich jetzt, ich Nunu, die sich vor lauter Komplexität langsam komplett in dieser Problematik verläuft?!

 

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1000e km und 6 Monate weit weg – ganz nah

Der heutige Tag war – und das ist keine Anspielung auf meine Magenprobleme  – ein Schlag in ebenjenen. Zumindest ein Moment.

Der Moment kam, als ich bei Kollegin Christina von Südwind saß und wir etwas WearFair-Nachbearbeitung betrieben. Am Boden vor mir lag ein Plastiksack. Ich hob ihn auf, um nicht mit dem Bürosessel drüber zu rollen, und legte es auf den Tisch. Erkannte es. Und mir wurde schlecht. Rana Plaza. Tausende Kilometer und sechs Monate weit weg, plötzlich direkt vor mir auf dem Tisch.

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Die Shirts, die in dem Plastiksack waren, hat Christina bei einem Lokalaugenschein auf dem Gelände von Rana Plaza gefunden. Die Kärtchen (KiK, Verona Pooth) waren schon dran – staubüberzogen und zerknickt. Ich kann nur sagen: Das geht rein. Gänsehaut und tief ins Herz. Die Menschen, die diese Shirts genäht haben, sind entweder tot oder schwer traumatisiert, weil über ihnen ein achtstöckiges Gebäude zusammengebrochen ist. Es gibt Filmmaterial, das Christina beim Einsammeln der Shirts zeigt – bis kommenden Montag online.

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Bei dieser Gelegenheit: DANKE für die tolle Zusammenarbeit in den letzten Monaten, liebe Christina! Du machst einen tollen Job!

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Bildboykott

Melde mich gehorsamst aus dem Kurzurlaub samt Funkloch zurück!

Nicht, dass die Bildzeitung ein Blatt für die Intelligenzia des Landes ist, aber wenn sogar die das Boykottthema aufnehmen, dann hat wirklich bald niemand mehr die Ausrede der Unwissenheit, oder?

Und was ich noch viel spannender finde: So wirklich eine Antwort auf die Frage „Boykott oder nicht“ haben sie auch nicht, oder? Ich tu mir immer noch schwer damit: Ich weiß, dass es in Bangladesch selbst heißt, dass ein Boykott kontraproduktiv ist. Aber nach all den Dingen, die ich in den letzten eineinhalb Jahren mitbekommen habe, vom Brand über Massenohnmachten bis hin zum Gebäudeeinsturz mit über 1100 (!!!!!) Toten – sorry, aber ich KANN einfach nicht mehr zu Zara, Mango und Co. gehen! Geht einfach nicht! Ich habe mich da eh schon ein paarmal wiederholt: Das Argument, nicht zu boykottieren, ist brandgefährlich im wahrsten Sinne des Wortes – weil so viele es einfach als Ausrede nutzen könnten, um genauso weiterzumachen wie bisher.

Ich bin WIRKLICH schon gespannt auf für die ArbeiterInnen merkbare Auswirkungen des nun von so vielen großen Unternehmen unterzeichneten Brandschutzabkommens….

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Freuen! Jetzt! 31mal!

Ich hock mal wieder mit Halsentzündung zuhause, und bin derartig müde, dass Gedanken, die sich in ganze Sätze formen, grad eher schwer möglich sind – also deren Umsetzung ins Schriftliche. Aber es gibt etwas zu feiern – ich übergebe hiermit der Clean Clothes Kampagne das Wort:

Wir haben es geschafft! 31 Unternehmen unterzeichnen das Sicherheitsabkommen für Bangladesch

Wien, 16.05.2013 – Vor Ablauf der Frist, gestern Mitternacht haben 31 Firmen das Abkommen für Gebäudesicherheit und Brandschutz unterzeichnet. Mehr als 1.000 Fabriken in Bangladesch sind damit Teil des Verbesserungsprogramms.

Wir möchten uns bei allen Unterstützerinnen und Unterstützern bedanken! Nur durch den großen öffentlichen Druck war dieser Erfolg möglich!

Das Abkommen ist ein Meilenstein für die bangladeschische Bekleidungsindustrie. Die Firmen unterzeichnen damit ein transparentes, rechtlich bindendes Abkommen, das die lokalen Gewerkschaften einbindet und die Unternehmen finanziell an den Sanierungen der Fabriken beteiligt.

Mit Ende des gestrigen Tages haben 31 Unternehmen unterschrieben: H&M, Inditex, C&A, PVH (Calvin Klein, Tommy Hilfiger), Tchibo, Tesco, Marks & Spencer, Primark, El Corte Inglés, Hess Natur, jbc, Mango, Carrefour, KiK, Helly Hansen, G-Star, Hofer, New Look, Next, Mothercare, Loblaws, Sainsbury’s, Benetton, N Brown Group, Stockmann,  WE Group, Esprit, Rewe, Lidl, Switcher und Abercrombie&Fitch.

Der Generalsekretär von IndustriALL Global Union, Jyrki Raina begrüßt ebenso die Entscheidung der unterzeichnenden Unternehmen und ergänzt: “Wir werden die Tür auch nach dem Ablauf der Frist einen Spalt weit für weitere Unternehmen offen halten. Wir beginnen aber jetzt mit der Umsetzung. Nachzügler haben keinen Einfluss auf die bereits getroffenen Entscheidungen. Es geht nun um die Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen von Menschen, die mit einem Mindestlohn von rund 30 Euro im Monat ihr Leben riskieren, wenn sie zur Arbeit gehen.”

Das Abkommen umfasst unabhängige Sicherheitsinspektionen, verpflichtende Reparaturen und Renovierungen, Möglichkeiten Geschäftsbeziehungen mit den Fabriken zu beenden, wenn diese notwendige Sicherheitsmaßnahmen ablehnen, sowie die Involvierung der betroffenen ArbeiterInnen und ihrer Vertretungen, der Gewerkschaften. Ein Kernstück des Abkommens ist die Kostenbeteiligung. Die unterzeichnenden Markenunternehmen verpflichten sich dazu für Instandhaltungskosten in ihren Zulieferbetrieben aufzukommen und damit die Arbeitsplätze sicherer zu machen. Das Abkommen garantiert den ArbeiterInnen das Recht gefährliche Arbeit zu verweigern, wie es die ILO Konvention 155 vorsieht.

Und wer sich wirklich dafür interessiert: HIER gehts zu dem Abkommen, das die Firmen unterzeichnet haben. Ich hoffe wirklich, dass es jetzt schrittweise in Bangladesch zu massiven und schon lange gebrauchten Verbesserungen kommt – und danach sind dann Pakistan, Indien und all die anderen weiteren Billiglohnländer dran….? Bangladesch ist sicher das Land mit den schlimmsten Zuständen, dem geringsten Mindestlohn und und und, aber es ist nicht das einzige Land, in dem unfair produziert wird…

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Gespannt wie ein Pfitschipfeil

Und nochmal gute Neuigkeiten, die auf dem bitteren Unglück mit über 1100 Toten basieren: Der Textilschwede, C&A und Inditext haben endlich die schon so lange geforderte Unterschrift unter das Brandschutzabkommen gesetzt. Wenn ich das richtig verstanden habe, verpflichten sie sich damit unter anderem, die Fabriken, in denen sie produzieren, finanziell dabei zu unterstützen, dass Brandschutzmaßnahmen und weitere Sicherheitsvorkehrungen eingebaut werden.

Auch das klingt gut, auch das lese ich mit etwas verhaltener Freude. Kann es wirklich sein, dass sich aus Sicht der Kritiker in mittelgroßen (aber schönen!!), für die Konzerne riesigen Schritten was ändert?

The factory safety agreement calls for independent, rigorous factory safety inspections with public reports and mandatory repairs and renovations underwritten by Western retailers. It also calls for retailers to stop doing business with any factory that refuses to make necessary safety improvements, and for workers and their unions to have a substantial voice in factory safety.

Und:

“H&M’s decision to sign the accord is crucial,” said Scott Nova, executive director of the Worker Rights Consortium, a Washington-based factory monitoring group backed by 175 American colleges and universities. “They are the single largest producer of apparel in Bangladesh, ahead even of Wal-Mart. This accord now has tremendous momentum.”

Ich bin gespannt wie ein Pfitschipfeil, wie sich das alles entwickelt!

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Unterschriften, die wirken

Auf meine Überlegungen letztens, wie wir als KonsumentInnen hier uns wirkungsvoll für die NäherInnen in Bangladesch und Co. einsetzen können – Boykott oder nicht und wenn nicht, was dann – hat mich lobenswerterweise eine Leserin auf die Macht des Internets und seinen Petitionen hingewiesen. Schöner Bauchfleck für mich 🙂

Ich stehe solchen reinen Unterschriftensammlungen ob ihrer Schlagkräftigkeit eigentlich eher kritisch entgegen (obwohl ich selbst immer wieder brav unterzeichne), doch seit wir im Büro diese Kampagne gelauncht haben, denke ich anders. Unglaublich, was sich auf Facebook und Twitter und in den Medien abspielt – mit über 200.000 Unterschriften (and counting) hätten wir nie gerechnet.

Was ich als linke Zecke im Herzen jedoch echt nett finde, sind Shitstorms – die im Optimalfall sogar ganze Server lahmlegen. Ich weiß, wenn unser Mister IT das liest, wird er böse mit dem Zeigefinger wacheln, weils für Leute wie ihn einen A… voll Arbeit bedeutet, aber sorry: Ich finde das wirkungsvoll. Damit ärgert man sie wenigstens ein bißchen, „die da oben“.

Doch zurück zum Kernthema: Bangladesch und die dortigen Arbeitsbedingungen: Die international agierende Clean Clothes Kampagne setzt gerade beide Tools ein.

Zu den Fabriksbränden von letztem November gibt es eine Mailing-Aktion, zur aktuellen Katastrophe (es werden jeden Tag mehr Tote gefunden, inzwischen ist man bei über 600 angelangt) eine Petition. Beides habe ich unterzeichnet. Ihr auch?

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Primark – akut richtig, latent falsch

Die beiden Fotos in diesem Beitrag sind Screenshots von der Website von Primark. Ich war noch nie bei Primark, und ich habe nicht vor, dorthin zu gehen – zu billig erscheinen mir die Preise, zu unsozial die Strukturen – trotz einer sehr ausführlichen Ethical-Trading-Seite von Primark. Ich habe diese Seite durchgeklickt – und beispielsweise beim Thema „Audits“ kein einziges Mal gefunden, welche ISOs, SAs und sonstige Richtlinien überprüft werden, oder beim Thema „Baumwolle“ zwar dauernd das Wort „nachhaltig“, aber nie das Wort Biobaumwolle. Hmpf. Ich bin mehr als nur misstrauisch, ich glaub denen nicht. Die scheinen ein bißchen zu tun, das sehr ausführlich zu kommunizieren, und wirklich viel ist nicht dahinter.

Screenshot Primark.at

Screenshot Primark.at

Wie man auch jetzt wieder gemerkt hat. Beim Fabrikseinsturz in Bangladesch – mit inzwischen über 400 Toten und immer noch 100 Vermissten – hat man gesehen, wie einzelne Firmen auf die Tatsache, dass Produkte von ihnen in den Trümmern gefunden wurden, reagieren.

Diese Agenturmeldung hat mich wütend gemacht:

„Nach dem Gebäudeeinsturz in Bangladesch hat die Kleidermarke Primark Hilfe für die Opfer zugesagt. Mango und Benetton haben sich dagegen von der früheren Zusammenarbeit mit der illegal geführten Fabrik distanziert.“ (Quelle)

Liebe Mangos, liebe Benettons: Das ist mies, niederträchtig und verachtenswert. In dem Moment, in dem es mehr als nur ein Verdacht ist, dass man dort produziert hat, muss man reagieren, nicht sich gleich mal wehleidig distanzieren. Schon klar, wenn da wirklich keine Aufträge mehr waren, muss man das auch sagen. Ich finde leider die offizielle Stellungnahme von Mango nicht, aber ich kann mir vorstellen, dass die wirklich null Konsequenzen ziehen werden. Dumm. Sorry. Die KiKs haben sich auch zuerst distanziert, und jetzt? Hoppala! Produkte gefunden! Ui, Blöd. Bin neugierig, ob das den Mangos auch noch passiert.

Primark – und ich bleibe bei meinem zweifelnden, ablehnenden Zugang zu denen – hat folgendermaßen reagiert: Am 26.4. veröffentlichten sie folgende Pressemeldung:

Das Unternehmen ist erschüttert und tief betrübt über den entsetzlichen Zwischenfall in Sabhar bei Dhaka und spricht allen Betroffenen sein Beileid aus.

Primark bestätigt, dass einer seiner Lieferanten im zweiten Stock des achtstöckigen Gebäudes untergebracht war, in dem mehrere Lieferanten der Textilindustrie Kleidung für verschiedene Marken herstellten.

Primark engagiert sich seit einigen Jahren mit NGOs und anderen Anbietern in der Überprüfung des Umgangs lokaler Produzenten mit Fabrikstandards in Bangladesch. Primark wird darauf drängen, die Integrität der Gebäude in diese Überprüfung mit einzubeziehen.

In der Zwischenzeit arbeitet das Ethical Trade Team von Primark daran, Informationen zusammenzutragen, die Herkunftsgemeinden der Arbeiter zu ermitteln und Unterstützung zu leisten wo möglich.

Da sind mal viele Versprechen und Verpflichtungen drinnen. Und drei Tage später gab es schnell noch einen Seitenhieb an die anderen:

Das Primark Team in Bangladesch hat Sofortmaßnahmen und langfristige Hilfe für Opfer dieser Katastrophe initiiert.

In Partnerschaft mit einer lokalen Nichtregierungsorganisation kümmern wir uns um die dringenden Bedürfnisse der Opfer, darunter auch Notfallrationen von Lebensmitteln für die betroffenen Familien. Diese Arbeit hat begonnen, sowie das Ausmaß der Katastrophe klar wurde.

Primark wird auch Entschädigungen für die Opfer der Katastrophe zahlen, die für seinen Lieferanten gearbeitet haben. Das schließt langfristige Hilfen für Kinder ein, die ihre Eltern verloren haben, sowie finanzielle Hilfen für Verletzte und Zahlungen an Familien von Verstorbenen.

Wir werden unser Engagement laufend überprüfen, um sicher zu stellen, dass wir dem Bedarf der Opfer über den gesamten Verlauf der Tragödie gerecht werden.

Primark stellt fest, dass sein Lieferant das Gebäude gemeinsam mit den Lieferanten anderer Anbieter teilte. Wir sind uns unserer Verantwortung absolut bewusst. Wir fordern die anderen Anbieter auf, auch ihrerseits Verantwortung zu übernehmen.

Komplett abgesehen von der Tatsache, dass sie per se von Produktionsweisen in Bangladesch profitieren, keine ökologischen Standards einhalten und auch ansonsten sehr sehr blaaah sind und sich damit null von anderen Textilkonzernen abheben, die verbal und aus Imagegründen einen auf nachhaltig machen – SO reagiert man auf eine solche Katastrophe. Man distanziert sich nicht. Man sagt Hilfe zu.

Was sie nur leider nicht machen werden: Sich überlegen, wie man ökologische und sozial faire Produktion in der gesamten Lieferkette durchsetzen kann. Das interessiert die nämlich genau gar nicht. Dabei sind die so groß, die haben zumindest das Potential dazu. Aber nicht, wenn man sich zum Ziel setzt, Kindershirts um zwei Euro und Bikinis um vier Euro zu verhökern. Damit erreicht man genau das Gegenteil. Verdammte Geiz-ist-Geil-Mentalität.

Screenshot Primark.at

Screenshot Primark.at

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