Schlagwort-Archive: Clean Clothes Kampagne

Liebe Deutsche: Fair bleiben – fair werden!

Was war denn das gestern bitte? Das fünfte Tor habe ich nicht mitbekommen, obwohl ich vor der Glotze saß, unfassbar. Und ja, es war fair, dass die Deutschen gewonnen haben. Ausgestattet werden die Deutschen von dem deutschen Unternehmen Adidas – die kürzlich eingewilligt haben, 99 Prozent ihrer Produkte PFC-frei zu produzieren. Soweit, soviel Ökologie, aber: Fair? Naja. Es gibt zwar Verbesserungen, aber der Weg ist noch sehr weit.

Was mich manchmal beschäftigt: Welches Bild haben jene, die an der Situation in der Textilindustrie interessiert sind, eigentlich von den ArbeiterInnen in den Billiglohnländern? Viele stellen sich ja dabei Frauen vor, die nicht schreiben können, zum Arbeiten in die Stadt geschickt werden und ihr Leben zwischen Arbeit (viel) und Schlafen im Slum (wenig) verbringen. In einigen Fällen liegt das wahrscheinlich nicht gar nicht so weit weg, aber es ist eben nicht das gesamte Bild.

(c) Labour behind the label

(c) Labour behind the label

Die NGO „Labour behind the Label“ hat etwas gemacht, was ich mir seit langer Zeit wünsche: Sie lässt ArbeiterInnen bloggen. Zum Beispiel Sokhan:

Ich heiße Sokhan Chroeng, ich bin 27 Jahre alt und wurde nach meinem Großvater benannt. Der Name bedeutet “Süßer Nachtisch”. Ich bin in einem Dorf in ländlicher Umgebung in der Kandal Provinz aufgewachsen, so wie viele Kambodschaner. (…) Sechs Tage die Woche stehe ich um 5.30h auf, dusche, frühstücke und mache mich auf den Weg zur Arbeit um 7.00h in die Bowker Factory.Ich arbeite bis um 16.00h, wenn wir nicht gerade eine enge Deadline vor uns haben. Aber wenn Überstunden anstehen, bin ich nicht vor 18.00h fertig. Mein Job ist das Schneiden der Stoffe für Tops und Hosen, meine Abteilung ist eine von vielen. Sobald ich mit dem Schneiden der Stoffe fertig bin, werden diese weiter zum Nähen gebracht und landen dann schließlich in der Endbearbeitung, bevor sie an die Geschäfte in Großbritannien, Europa und Amerika gehen. Die Arbeit ist sehr schwer. Ich verdiene nicht genug, um angemessen zu überleben und stehe ständig unter Druck. Auch wenn die Arbeit offiziell um 16.00h endet, machen wir oft Überstunden und obwohl die ja eigentlich optional sind, bekommst du eine ernst gemeinte Warnung, wenn du nicht kannst; und wenn du öfter als ein paar mal ablehnst, verlierst du den Job. Wenn ich krank bin, brauche ich ein Attest vom Arzt, um entschuldigt fehlen zu können und es gibt keine Garantie, dass man ein Attest bekommt. Wenn es nur für zwei Tage ausgestellt ist, dann muss man danach auf jeden Fall wieder zur Arbeit gehen, unabhängig davon, wie krank man eigentlich noch ist.

Sokhans Geschichte kann man hier weiterlesen.

Sehr spannend auch die von Van Piseth:

Bei New Orient machen wir T-Shirts und Jacken für Adidas. Es gibt viele Abteilungen mit unterschiedlichen Arbeitsschritten wie Schneiden, Nähen, Endbearbeitung, Verpackung und Lagerung. Damit mache ich ca. 140 Euro im Monat. Um mein Einkommen aufzubessern, musste ich zusätzlich noch ein kleines Gewerbe aufziehen. Die Gewinne variieren stark, aber die laufenden Kosten sind sehr hoch. So gebe ich zum Beispiel alleine für Kommunikation im Monat ungefähr 45 Euro aus. Die Schule für meine Tochter ist auch teuer und wir müssen die Miete zusammen bekommen und genug zu essen haben. Wir Arbeiter und Arbeiterinnen haben nie genug Geld, um davon gut zu leben. In der Fabrik habe ich viele Freunde. Die Arbeiterinnen und Arbeiter werden in Produktionslinien aufgeteilt und es ist schwierig für uns, mit allen zusammen zu sein, weil es nicht erlaubt ist, die Produktionslinien zu verlassen. Aber innerhalb unserer Reihen sind wir eng beieinander. Wir machen untereinander Witze und ich mag meine Kolleginnen und Kollegen, weil wir sehr ehrlich und direkt zueinander sind.

Die ganze Geschichte von Van Piseth und seiner Familie steht hier.

Und auch Sarin berichtet aus ihrem Leben:

Ich bin bis zur 7. Klasse zur Schule gegangen, das ist hier noch eine Klasse nach der Grundschule. Meine Eltern waren Bauern und ich brach die Schule ab, um bei ihnen mitzuarbeiten. Ich half ihnen in den Reisfeldern, bis ich 19 Jahre alt war. Mit 19 heiratete ich meinen Mann und zog zu ihm und seiner Familie nach Phnom Penh. Als ich 20 war, kam unser Sohn auf die Welt. Unsere Tochter kam ein paar Jahre später. Als sie drei Jahre alt war, begann ich als Hilfsarbeiterin auf Baustellen zu arbeiten. Später fand ich Arbeit als Strickerin, am Schluss landete ich in einer Textilfabrik. Ich bin jetzt seit mehr als 10 Jahren in Phnom Penh. Es hat sich in der Zeit nicht viel verändert, außer dass das Leben irgendwie immer schwieriger wird. Die Mieten sind angestiegen, das Studium meiner beiden Kinder – jetzt 22 und 18 Jahre alt- ist eine finanzielle Belastung.

Sarins Erzählungen aus der Schuhfabrik, in der regelmäßig die Leute wegen der chemischen Dämpfe umkippen: Hier.

Der Grund dieser Initiative: Adidas soll bitte Living Wages bezahlen. Da bin ich dafür, aber sowas von. Ihr auch?

Getaggt mit , , , ,

Hungerlöhne und Existenzgefährdung „Made in Europe“

Es ist nicht neu, aber die Clean Clothes Kampagne ruft es uns mal wieder ins Gedächtnis: „Made in Europe“ sagt gaaaaaar nix aus. Nix. Null. Ich kenns aus meinem Umfeld – die Frau eines Slowaken, den ich gut kenne, arbeitet in einer Näherei in der Ostslowakei. Dort wird Arbeitskleidung für deutsche Küchen hergestellt. Sie bekommt vollzeitangestellt 400 Euro. Das Preisniveau dort: Die kleine Wohnung für vier Personen kostet 250 Euro, und Lebensmittel genausoviel wie bei uns, in den gleichen Läden (am Ortsrand gibts einen großen Spar… oder wars ein Billa? Jedenfalls ein Laden, der exakt genau so am Ortsrand von Liezen oder Großpetersdorf stehen könnte). Kurz: ihr eh schon nicht unbedingt von großen Ausschweifungen geprägtes Leben wäre ohne sein Gehalt dazu unvorstellbar.

Die Clean Clothes Kampagne hat nun aus diesem mir bekannten Fall eine ganze Studie gemacht (gut, ich geh jetzt davon aus, dass nicht zwingend T., so heißt sie nämlich, der Auslöser war, aber ihr wisst, wie ichs mein). Diese Studie ergab (ich zitiere ORF.at):

Länder wie Bulgarien, Rumänien und Kroatien verfügten dank einer langen Tradition in der Bekleidungsproduktion über hoch qualifizierte Arbeitskräfte. „Firmen wie Hugo Boss, adidas, Zara, H&M oder Benetton nutzen diesen Vorteil, aber zahlen den Näherinnen so wenig, dass sich viele von ihnen nur mit Zweitjobs oder mit einer kleinen Landwirtschaft über Wasser halten können“, moniert die CCK. Der offizielle Mindestlohn in Ländern wie Bulgarien, der Ukraine oder Mazedonien betrage nur etwa 14 Prozent einer existenzsichernden Entlohnung. Dass hochpreisige Marken oder die Herkunft „Made in Europe“ würdige Arbeitsbedingungen garantieren würden, sei ein Mythos, gezahlt würden in Wahrheit oft „Hungerlöhne“.

Kurz: „Made in Europe“ sagt nichts über die Arbeitsbedingungen aus. Die Kluft zwischen den ausgezahlten und existenzsichernden Löhnen ist laut Michaela Königshofer von der Clean Clothes Kampagne Österreich „teilweise noch größer als in asiatischen Produktionsländern“.

Hier gehts zum kompletten Report (meiner heutigen GuteNacht-Lektüre. Ob ich danach schlafen kann?)

CCK

Getaggt mit , , ,

Go #insideout am Fashion Revolution Day!

Meine Fresse, juckts mich grad in den Fingern!! Nicht nur in dem Sinne, dass ich immer noch echt gern stricken würd, sondern auch, dass ich mich ein klitzekleines bisschen ärgere, dass ich grad nicht in Wien bin. Jaaaa, ich bin mir dessen bewusst, dass ich eigentlich grad den totalen Luxus lebe – ich reise, habe neue Eindrücke am laufenden Band, und werde nachhausekommen in mein feines Zuhause, zu meinem feinen Job, zu meinen tollen Freunden, zu meiner geliebten Familie. Aber wäre ich jetzt gerade in Wien, ich würd sowas von mitorganisieren beim Fashion Revolution Day in Österreich. So bleibt mir „nur“, die größte Aktion von ihnen zu teilen: #insideout

Es ist wirklich nicht schwer. Man dreht seine getragene Kleidung nach außen, zeigt das Label und die Nähte – und zeigt damit Solidarität im Kampf um faire Kleidungsproduktion. Warum gerade am 24. April? Weil das der erste Jahrestag des Zusammenbruchs des Fabriksgebäudes Rana Plaza ist, ein anscheinend nicht legal aufgestocktes Gebäude, das bei seinem Zusammenbruch über 1100 Menschen unter sich begrub und Tausende verkrüppelt, verstört und arbeitslos zurücklies. Zeigt die Nähte her. Sie wurden sehr wahrscheinlich von Menschen genäht, für die wir kämpfen wollen.

Derzeit sind wir gerade irgendwo mitten in Utah – wo man stundenlang fahren kann, ohne dass man irgendetwas menschenbewohntes und -benutztes sieht (abgesehen von den Straßen selbst natürlich). Wenig Grundlage zur Demonstration also, aber schwer beeindruckend. Stundenlang … nichtmal eine Tankstelle (was mich dann doch etwas gestresst hat, aber alles gut). Also bleiben mir nur die Fotos. So einfach, dass ihr es auch machen könnt. Ein Foto mit Label draußen mit den Hashtags #insideout und #austria (oder #germany) und @fash_rev auf Twitter und Facebook posten. Und damit weltweit ein Zeichen setzen, dass man eine neue Modewelt haben will. Weniger Fast, mehr Fair.

Zum Beispiel so:

2014-04-22 09.53.31_jacke

Ein #insideout – Selfie! Ich trage die Jeansjacke, die ich mal auf einer Tauschparty bei Christina, also beim Quautschen, ertauscht habe!

SAMSUNG CAMERA PICTURES

Ein #insideout, wie es mir besonders gut gefällt – da steh ich gerade mitten in einem Nationalpark, der außer beeindruckend nur irre war. Samt verkehrtem Shirt, auch H&M, uralt (acht Jahre?). Übrigens, wenn man H&M per Twitter fragt, wie ihre Conscous-Collection-Shirts eigentlich produziert werden, verweisen sie dich auf ihre CSR-Seite. Auf der sich zwar sehr viele spannende Statenemts befinden (der Textilschwede ist definitiv weiter als andere Fast Fashion Hersteller), aber auch sehr viele leere Stehsätze. Macht euch selbst ein Bild.

SAMSUNG CAMERA PICTURES

Der Liebste hat dem #insideout auch gleich mal ein #upsidedown hinzugefügt. Sehr motiviert!

Also, zeigt eure Solidarität! Nehmt teil an der Fashion Revolution! #insideout!

PS: Die Clean Clothes Kampagne hat zu Rana Plaza auch  ein Video gemacht!

PS2: Ja, ich hab auch faire Mode mit, nicht nur Textilschwede 🙂 Aber ich such meine Kleidung derzeit hauptsächlich nach „praktisch“ aus und nicht nach Style. Und nein, ich habe weder zuhause einen komplett fairen Kleiderschrank (wie sinnlos wär das denn gewesen, all meine Sachen einfach wegzugeben und gegen Faires auszutauschen, ökologisch gesehen), noch habe ich nur faire Sachen mit. Vielleicht gibts ja morgen noch ein faires Insideout! So lange fordere ich meinen werten Textilschweden eben zum weiteren Umdenken auf!

Getaggt mit , , , , ,

Rana Plaza mitten in Manhattan

Der Zusammenbruch von Rana Plaza ist jetzt zehn Monate her. Seither hat sich viel und gleichzeitig nix entwickelt. Viele Unternehmen haben das Brandschutzabkommen unterzeichnet, einige Firmen haben den Überlebenden und Hinterbliebenen Zahlungen versprochen. Bisher bezahlt hat nur Primark. Und das auch nicht vollständig – denn bezahlt werden nur jene Hinterbliebenen, die einen Totenschein vorweisen können. Immer noch sind Hunderte unter der Ruine verschüttet, und auch viele der geborgenen Leichen waren nicht mehr identifizierbar. In der 7- Millionenstadt Dhaka gibt es EIN Labor, das DNA-Tests durchführen kann – und die sind für den Durchschnittstextilarbeiterangehörigen sowieso nicht bezahlbar. Aber ohne Totenschein keine Kohle. Das muss immer wieder wiederholt: Es ist nichts wiedergutgemacht worden, nichts gerecht abgegolten worden. Der Mindestlohn in Bangladesch ist angehoben worden – aber längst nicht auf eine menschenwürdige Höhe. Das Ergebnis: Massive Unruhen, weitere Tote. Nichts wird besser.

Die Clean Clothes Campaign hat bei der New York Fashion Week in den letzten Tagen daran erinnert (alle Fotos (c) Clean Clothes Campaign):

12 13

Weiterlesen

Getaggt mit , , , ,

Etappensieg in Bangladesch

Es ist ein Erfolg. Man sollte sich freuen. Der Mindestlohn in Bangladesch wird auf 51 Euro angehoben. Das ist ein Fortschritt, allerdings immer noch nicht ausreichend. Knappe 100 Dollar wären ein guter Existenzlohn, an unterster Grenze liegen den Aussagen von Clean Clothes nach 75 Dollar. Aber 51 Euro sind mehr als knapp 30 Euro, definitiv. Trotzdem kann ich mich grad nicht so richtig freuen. Erstens, weil der Kampf um diesen neuen Mindestlohn allein in den vergangenen Tagen durch Unruhen und Zusammenstöße schon wieder Dutzende Tote gefordert hat, zweitens, weil ich hoffe, dass eine solche Mindestlohnerhöhung sich nicht auf die Arbeitsbedingungen auswirkt („Du musst jetzt doppelt so schnell produzieren, damit der Stückpreis für die Textilunternehmen gleich bleibt“) und zweitens, weil ich irgendwie ein Damoklesschwert pendeln sehe über den ArbeiterInnen.

Beim Fashioncamp erfuhr ich von einer Journalistin, dass in Haiti damals nach dem verheerenden Erdbeben massiv Werbung betrieben wurde, in Haiti Fabriken für Exportgüter aufzubauen. Kostet ja eh nix, und die Leut sind mit  nur einem minibissl mehr als nix zufrieden. An sich eine gute Idee, in Katastrophenregionen für Jobs zu sorgen – aber der Haken: Weiterlesen

Getaggt mit , , , ,

Sumangali abschaffen!!!

Sumangali. Ein Begriff, hinter dem sich so unglaublich viel Grausamkeit verbirgt, dass man kotzen will. Sumangali steht für das System, junge Frauen – eigentlich Kinder! – mit dem Versprechen, sich eine Mitgift erwirtschaften zu können, in sklavenartige Arbeitsverhältnisse in Textilfabriken gelotst werden. Ohne Mitgift ist für indische Frauen nichts los, nichts zu holen, kein guter Mann zu finden usw. Das allein ist für uns Österreicherinnen schon ein inzwischen schwer zu verstehendes Konzept, dort jedoch Teil der Kultur (und wirklich allzulang ist das auch nicht her, dass Mitgift auch in unseren Breiten etwas übliches war, by the way). Arme Familien in Indien, die sich keine Mitgift leisten können, stehen vor massiven sozialen Problemen.

Aber diesen Teil der Kultur auszunutzen, um junge Mädchen dazu zu bringen, um einen Hungerlohn Kleidung für den Westen produzieren zu lassen, ist niederträchtig, mies, verabscheuenswürdig. Die Mädchen werden in den Fabriken gleichsam eingesperrt, und es ist nicht selten der Fall, dass nach den drei oder vier Jahren Vertragsdauer die Fabrikschefs plötzlich nichts mehr wissen von einer vereinbarten Prämienzahlung am Ende.

Textilunternehmen betonen natürlich, dass sie niemals Sumangali unterstützen würden – aber ganz ehrlich: Sie können es nicht überprüfen. Hier hätten wir wiedermal das Problem der intransparenten Lieferkette. Auf die Fabriken, die direkt mit ihnen in Vertrag stehen, haben sie vielleicht Einfluss, aber bei dem weitverbreiteten System des Subunternehmertums sind sie chancenlos. Kann gut sein, dass die alte Fleecejacke, die ich grad zuhause, knotzend am Sofa, anhab, stellenweise von diesen Mädchen genäht wurde, die sich von der Arbeit eine Mitgift und damit die Chance auf Familie erhoffen.

Die katholische Frauenbewegung hat nun eine Petition gegen Sumangali ins Leben gerufen. Wie leider so viele Petitionen ist sie ein Tropfen auf den heißen Stein – durch diese Petition wird Sumangali nicht beendet werden. Aber wenn viele, viele Menschen unterschreiben, dann wird das Thema wenigstens in der Öffentlichkeit bekannter und die Textilunternehmen, die ihre Lieferkette überprüfen und fair machen könnten, symbolisch abgewatscht.

Ich bitte also um Unterschrift.

Getaggt mit , , , , ,

1000e km und 6 Monate weit weg – ganz nah

Der heutige Tag war – und das ist keine Anspielung auf meine Magenprobleme  – ein Schlag in ebenjenen. Zumindest ein Moment.

Der Moment kam, als ich bei Kollegin Christina von Südwind saß und wir etwas WearFair-Nachbearbeitung betrieben. Am Boden vor mir lag ein Plastiksack. Ich hob ihn auf, um nicht mit dem Bürosessel drüber zu rollen, und legte es auf den Tisch. Erkannte es. Und mir wurde schlecht. Rana Plaza. Tausende Kilometer und sechs Monate weit weg, plötzlich direkt vor mir auf dem Tisch.

20131023_150650

Die Shirts, die in dem Plastiksack waren, hat Christina bei einem Lokalaugenschein auf dem Gelände von Rana Plaza gefunden. Die Kärtchen (KiK, Verona Pooth) waren schon dran – staubüberzogen und zerknickt. Ich kann nur sagen: Das geht rein. Gänsehaut und tief ins Herz. Die Menschen, die diese Shirts genäht haben, sind entweder tot oder schwer traumatisiert, weil über ihnen ein achtstöckiges Gebäude zusammengebrochen ist. Es gibt Filmmaterial, das Christina beim Einsammeln der Shirts zeigt – bis kommenden Montag online.

20131023_150811

Bei dieser Gelegenheit: DANKE für die tolle Zusammenarbeit in den letzten Monaten, liebe Christina! Du machst einen tollen Job!

Getaggt mit , , , , ,

Sie verdienen es nicht

Heute ist MEIN Tag. Seit gestern darf ich mich akademisch zertifizierte CSR-Managerin schimpfen, das Buch befindet sich bereits im Druck, die WearFair, das größte berufliche Projekt dieses Jahres, war megaerfolgreich, und ich bin exakt so fertig und müde, wie man es sich nach so einem Höllenritt von einem Jahr vorstellen kann. Ich zahle gerade eine Rechnung nach der anderen für das, was ich meinem Körper angetan habe an Stress. Doch jetzt kann mal – zumindest für ein Monat – Ruhe einkehren. Das zelebriere ich heute. Ich werde alles tun, was so ein wirklich WIRKLICH freier Tag mir bieten kann. Heute habe ich nur eine Verpflichtung: Der Spaziergang der etwas anderen Art.

Doch darauf freue ich mich. Denn egal, wie müde, fertig und arbeitsfrei ich bin und sein will – eines habe ich in den letzten zehn Monaten gleich nochmal festgestellt: Diese Sache mit der Textilproduktion, die ist sowas von beschissen und unfair und unmenschlich, dass ich nie aufhören werde, dagegen zu mobilisieren und meine Meinung dazu preiszugeben – ob man es hören will oder nicht.

Nehmt die Katastrophe von Rana Plaza – sie nimmt kein Ende. Nicht nur, dass über 1100 Menschen gestorben sind, nein, die Überlebenden kämpfen derzeit ebenfalls einen Kampf, den sie nicht gewinnen können. Oder stellt ihr es euch einfach vor, einfach mal schnell wieder einen Job in einer Näherei zu finden, nur halt ohne Arm oder Bein? Und ob man so einfach in solchen Gebäuden weiter arbeiten kann, wenn man schon einmal im Schutt gelegen ist, begraben von Beton, Nähmaschinen und Menschen?

Im Kurier rechnet Südwind den finanziellen Bedarf in Bangladesch vor. Der Lohn reicht sowieso nicht zum Leben – und die Überlebenden, Geschädigten haben weder von staatlicher Seite noch von Textilunternehmens-Seite auch nur einen Cent an Entschädigung erhalten. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass der Mindestlohn auf mindestens das Doppelte erhöht werden muss, damit diejenigen, die für Geld arbeiten, von diesem Geld auch überleben können. Nichtmal das ist gesichert! Die Clean Clothes Kampagne hat dagegen eine Petition ins Leben gerufen. Ich hab schon unterschrieben. Auf dass so viel zusammenkommt, dass wir ein Zeichen gegen die Unmenschlichkeit der Fast Fashion setzen können.

Mir ist schon klar, dass effektive Hilfe vielleicht anders aussieht – hinfliegen und anpacken wäre vielleicht die Devise. Nur bin ich mir sicher, dass das leichter gesagt als getan ist, ich glaube, ich wäre in Dhaka komplett hilflos, und dann wäre genau niemandem geholfen. Aber ich möchte wenigstens meinen sehr kleinen Teil dazu beitragen, dass ein Zeichen gesetzt wird. Sie verdienen es nämlich einfach nicht, im doppelten Wortsinn.

Eines ist mir noch ein großes Anliegen: Liebe Leute, es ist nicht nur Bangladesch. Es ist genauso Pakistan, Vietnam, Indien, Kambodscha und sogar die Türkei. Ein Label „made in Turkey“ kann ebenfalls für menschenverachtende Arbeitssituationen stehen. Aber eines ist wahr: Es scheint nirgendwo schlimmer zu sein als in Bangladesch.

Getaggt mit , , , , ,

Clean Clothes: Ein Spaziergang der etwas anderen Art

Bei der Clean Clothes Kampagne, deren GLOBAL 2000-Vertreterin ich bin (wieder so ein schöner Schicksalswink, der sich gegen Ende meines Projektjahrs ergab), gibt es ein paar Neuigkeiten: Von 21.-27. Oktober findet die Aktionswoche Existenzlohn statt. Denn: Ein existenzsichernder Lohn ist ein Menschenrecht. Wir diskutieren da was von Mindestsicherung usw –  Menschen, die für uns arbeiten, sind weit entfernt davon.

In Österreich gibt es einige Aktionen dazu, vom Kamingespräch in Wien mit Michaela Königshofer von der CCK und Lisa Muhr von der Göttin des Glücks bis zu einem Bericht meiner höchstgeschätzten und sehr gerngehabten Pressekollegin Christina Schröder (Südwind) in Linz, die im August einige Tage in Bangladesch verbrachte (und nicht zum ersten Mal dort war). An alle LinzerInnen: Hört euch an, was sie zu sagen hat. Mir ist es bei ihren Erzählungen eiskalt den Rücken runtergeronnen…. Das gesamte Programm der Aktionswoche findet ihr hier.

Und bei einer dieser Aktionen habe ich die Ehre, dabei sein zu dürfen.

Druck

Ich präsentiere: Der Stadtrundgang der etwas anderen Art:

Stadtrundgang: Clean Clothes
Diese Stadtführung anderer Art lässt herkömmliche Sehenswürdigkeiten links liegen. Im Zentrum stehen Geschichten über Mode, Produktion und Konsum. Exklusiv für die Aktionswoche existenzsichernde Löhne haben SOL, Jugend Eine Welt, die katholische Frauenbewegung, GLOBAL 2000 und Südwind einen Stadtrundgang der modischen Art zusammengestellt.
Termin: Dienstag, 22. Okt., 17.00-19.00 Uhr
Ort: Wien, Treffpunkt: Humanic, Mariahilfer Str. 1b, 1060 Wien
Veranstalter & Kontakt: SOL, simon.buechler@nachhaltig.at (Anmeldung erbeten)

Liebe Leute, meldet euch an, ich freu mich auf euch – ich darf nämlich die Station „Baumwolle“ moderieren und euch ganz viel über Wassereinsatz, Pestizid(miss)brauch und Baumwollmüllberge erzählen – als eine von sieben Stationen, von denen eine spannender ist als die andere, ich freu mich selbst schon sehr auf die Erzählungen meiner KollegInnen.

Getaggt mit , , , ,

Feinstaubliches

Mal wieder Lesestoff gefällig, bei dem einen das Essen im Hals stecken bleibt? Bitteschön! Die Clean Clothes Kampagne hat mal wieder einen Bericht veröffentlicht, diesmal geht es wieder ums Sandblasting. Richtig, das ist genau das, von dem sich bereits vor ein paar Jahren diverse Unternehmen distanziert haben.

Kurz ausgeholt: Es ist die Behandlung von Jeansstoff mit einem Schlauch, aus dem mit hohem Druck Quarzsand kommt – damit sie „used“ ausschauen. Die Lungen der ArbeiterInnen sind danach auch ziemlich „used“, die stellen nämlich ihre Arbeit ein und die ArbeiterInnen sterben einen wirklich grausamen Tod, sie ersticken nämlich. Langsam. Weiterlesen

Getaggt mit , , , ,