Der H&M Nachhaltigkeitsreport 2011 ist erschienen. Ich bin hin- und hergerissen zwischen beeindruckt und entsetzt sein. Die haben wirklich viel in Nachhaltigkeit investiert – aber ich bin mir noch nicht ganz sicher, ob sie das wirklich für die Umwelt oder fürs Geldtascherl tun. Die Schweden sind die zweitgrößten Textilproduzenten der Welt – das bedeutet, die könnten sehr wohl was verändern, würden sie es ernst meinen. In Ansätzen liest sich der Report echt gut:
- H&M verwendet mehr Bio-Baumwolle als jeder andere Produzent weltweit. Wie viele Tonnen 2011 verarbeitet wurden, konnte ich allerdings nicht finden. Immerhin geben sie eine Prozentzahl an: 7.62% der gesamten verwendeten Baumwolle ist Bio. Nicht so viel…. Die 15.000 Tonnen, mit denen sie sich im Jahr 2010 brüsteten, fand ich lächerlich wenig. Allerdings: Bis 2020 sollen alle Produkte aus Bio-Baumwolle oder recycelten Rohstoffen sein. Bin gespannt.
- Insgesamt gab es über 3600 Stunden „Nachhaltigkeitstraining“ im vergangenen Jahr. „To offer more sustainable products to our conscious customers, our buyers and designers who decide what products we offer, have to be well informed about the sustainability value of different items. We provide dedicated internal and external training courses for these colleagues“ klingt mir etwas zu allgemein…
- Auch bei der Schuhproduktion wollen sie jetzt ganz brav werden und wasserbasierte anstatt chemiebasierter Klebstoffe verwenden. Die Zahl klingt ja ganz beeindruckend: Sieben Millionen Paar sollen es 2012 sein. Und wieder fehlt die Gesamtzahl. Beim Leder geben sie wirklich Gas und wollen 2010 eine halbe Million Paar Schuhe mit Leder aus zertifizierten Gerbereien verwenden. Ähm…im Sinne der Nachhaltigkeit: Wieso nicht die Anzahl der Lederschuhe reduzieren?
- Es gab anscheinend sehr viele Überprüfungen von den Lieferanten oder Produzenten, 78% davon unangekündigt. Find ich gut. Punkt.
- Aber: Konsequenzen aus diesen Besuchen?
- Den CO2-Ausstoß konnten sie reduzieren, vor allem durch die Verbesserung der Energieeffizienz in den Filialen. Hui, das riecht nach Energiesparlampen. Wer von euch kennt Bulb Fiction? 😉 Aber trotzdem: Auch in diesem Bereich sind große Bemühungen und messbare Ergebnisse zu erkennen.
- Für die Polyesterprodukte haben sie das Äquivalent von 9,2 Millionen „post-consumer“ (schwer zu übersetzen) Plastikflaschen verwendet. Das dürfte genau die Fleeceproduktion sein. Als Fleecefan freuts mich.
- Plastiksackerl. Schwiiiiiieriges Thema. Sie sagen, dass sie nur recycletes Material verwenden. Aber warum verwenden sie es überhaupt? Versuche möglichst oft, die Sackerln zu vermeiden. Zugegeben, beim Kleiderkauf ist das schwer. Die Umstellung auf Papiersackerl ist auch nicht so einfach – da diese in der Produktion viel größere Energiefresser als Plastiksackerl sind. Cholera oder Pest, würd ich mal sagen.
- H&M kooperiert in Sachen Chemikalien mit Greenpeace. Freut mich sehr, die Kampagne „Schmutzige Wäsche“ von denen ist beeindruckend, interessant und aufrüttelnd. Auch in Sachen Sandblasting hat H&M damals ja sehr schnell reagiert. Allerdings: Gebracht hat es wenig, wie die Clean Clothes Campaign aufgedeckt hat.
- Weitere Punkte sind die Reduktion des Pestizideinsatzes (was ich etwas seltsam finde, das als eigenen Punkt im Nachhaltigkeitsreport zu bringen, wenn sie gleichzeitig sagen, sie sind voll in Richtung Biobaumwolle gepolt), die Reduktion des Wasserverbrauchs und der Kampf um faire Löhne in den Produktionsländern. Ganz ehrlich, letzteres nehme ich ihnen nicht ab. Never. Ever. Die werden das prüfen lassen und irgendwelche Studien zum perfekten Durchschnittslohn in Auftrag geben, und dann wird’s heißen: „Sorry, das ist Länder/Fabrikssache, da können wir nix machen.“
Zusammenfassend: Schöne Ansätze, aber ich hab den ganzen Report bereits unter der Prämisse „Na, was wollens uns dieses Jahr erzählen von Weltrettung?“ gelesen. Es stellt sich einfach die Frage: Kann ein derart riesiger Konzern, einer der weltgrößten, komplett auf Nachhaltigkeit umstellen und dabei wirtschaftlichen Gewinn machen? Ist das realistisch?
so große konzerne können trotzdem gewinn machen – einen teil geben sie an die konsumenten weiter – bio ist ja teurer – und der rest wird beim einkaufspreis gedrückt. als großabnehmer kann ein konzern die preise diktieren – auch bei biobaumwolle. dafür muss man gar nicht international suchen, dasselbe problem haben die biobauern in Ö, weil die supermarktketten ihnen nicht mal den produktionspreis für ihr biogemüse zahlen, andere abnehmer gibts aber kaum.
die formulierung „überprüfung von lieferanten und produzenten“ ist so viel wert wie „dermatologisch untersucht“ bei kosmetika, es bestätigt nur den prüfungsvorgang, das ergebnis wird aber wohlweislich verschwiegen.
ich hab übrigens seit etwa einem jahr immer ein stoffsackerl dabei und lass mir alles da rein packen. die komischen blicke der verkäuferinnen nehme ich in kauf. das einzige was ich noch verwende sind die gemüsesackerl vom supermarkt – fürs katzenklo.
ich hab mir früher schon die sackerl geben lassen – ebenso fürs katzenklo (hab das immer im ganzen gewechsel, daher stabilere sackerl gebrauch). seit biff nimmer da ist, brauch ichs nimmer. ich renn eh immer mit großen kübeln von taschen herum, da passt viel rein 🙂
was das biogemüse angeht: au ja, da kann ich ein lied davon singen. zB. Sellerie: Im Bioanbau ziemlich kompliziert, weil so pilzanfällig, hats keine einzige Kette im Angebot. Zu teuer, zu niedrige Stückzahlen. Ich mein, stört mich nicht, Sellerie ist meiner Ansicht nach das grauslichste Gemüse gleich nach Kohlsprossen, das jemals erfunden wurde. Aber an dem Beispiel sieht man, dass NICHT die Nachfrage den Markt regiert…
Nunja, ein paar Stichworte fallen mir spontan ein, wenn ich das alles lese:
Auf Powerpoint-Präsentationen und in netten Broschüren lässt sich eine ganze Menge an Absichtserklärungen festhalten – was letztendlich aber zählt, ist die Umsetzung. Seien wir gespannt.
Nachdem kaum eine Firma zu den Samaritern gehört, gehe ich davon aus, dass es schon in erster Linie um den eigenen Gewinn geht. Die haben halt erkannt, dass speziell in dieser Zielgruppe immer mehr grüne Herzen schlagen. Könnte mir vorstellen, dass sich dafür bestimmte Teile der Supply Chain auch erst entwickeln müssen und das alles erstmal eine Investition in die Zukunft ohne große Erträge zum jetzigen Zeitpunkt ist. Aber wenn sie das wirklich durchziehen, sollen sie gerne auch in Zukunft fette Gewinne damit einfahren. Wär doch schön: kommerzielle
leistbare Mode mit gutem Gewissen in jeglicher Hinsicht!
Die Schulung der Einkäufer finde ich essentiell, letzendlich fahren die zu den Produzenten und ordern, dann ist auch gut, wenn sie wissen, was genau sie da einkaufen.
Fleece sehe ich kritisch, an allen Stränden der Welt und in Meereslebewesen finden sich bereits mikroskopisch kleine Fasern.
Das mit den Intentionen für bessere Arbeitsbedingungen glaub ich ihnen schon, das Problem ist nur, dass da immer auch die Gegenseite mitspielen und ebenfalls Verantwortung übernehmen muss. Große Produktionsfirmen in Fernost engagieren oft für Vorarbeiten oder bei Produktionsspitzen Subunternehmer, und über die hat man dann als Käufer kaum mehr Kontrolle. Natürlich werden in Verträgen gewisse Standards festgeschrieben. Aber das ist wie mit b’soffen autofahren: ist auch verboten, wird bestraft, kann fatale Konsequenzen haben, fliegt regelmäßig bei Kontrollen auf – und trotzdem gibt’s Leute, die’s nicht lassen können und es nicht einsehen wollen.
Sackerl versuch ich übrigens auch zu vermeiden. Ich nehm nur schöne, stabile und die werden dann zigfach eingesetzt bis sie auseinanderfallen. Und ich bin immer wieder erstaunt, wieviel Enkäufe in eine Handtasche passen, man muss nur schön stopfen 🙂
[…] Und wer noch mehr wissen will, die gute Nunu hat schon vor längerer Zeit einen Artikel über den H&M Nachhaltigkeits-Report geschrieben. Ach, und zu WaterAid direkt, geht es HIER. So viele Infos, ich hoffe, euch […]