Braucht Wolle ein besseres Image?

Irgendwie bin ich heute drübergestolpert über eine Kampagne, die mir seither keine Ruhe lässt. Es gibt in mehreren Ländern weltweit die Campaign for Wool. Schirmherr ist der gute Ohrenkaktus-Charlie (womit ich sagen will: trendtechnisch jetzt nicht unbedingt weit vorne, das Ding), und Ziel der Kampagne ist, dass allgemein in der Textilindustrie mehr Wolle verwendet wird, und diese im wahrsten Sinne des Wortes mehr wertgeschätzt wird, damit sich das Halten von Schafen für die Farmer wieder rentiert.

Zunächst mal ist mir – meine Stricksucht wird wirklich langsam bedenklich – der Sabber geronnen bei all diesen schönen Bildern (vor allem denen auf Pinterest). Dann muss ich der Kampagne rechtgeben: Im Vergleich zu der Produktion von manchen (!)  Kunstfasern ist die Wollproduktion nachhaltig. Die Rettung kleiner Farmer durch eine Imageverbesserung von Wolle ist ebenfalls sicher sinnvoll.

Aber.

Wie eine Leserin kürzlich treffend angemerkt hat, ist auch die Wollproduktion in der Masse, in der der Bedarf da ist, tierquälerisch. Und ja, ich verwende trotzdem Wolle – habe aber in letzter Zeit verstärkt darauf geachtet, auch diese aus biologischer und fairer Produktion zu beziehen, immerhin. Aber wenn ich mir meine heißgeliebten Strickgeschäfte so anschaue, sehe ich: Da besteht echt noch viel Luft nach oben.

Wenn diese Kampagne dazu führen sollte, dass mithilfe der Bilder der armen Kleinbauern mit ihren zehn Schafen im Endeffekt die Massenproduktion nach oben geschraubt wird, dann find ich sie nicht gut.
Und allein schon, dass mir bei einer Kampagne zur Imagehebung eines Materials, dessen Verarbeitung ich momentan verfallen bin, derartige Zweifel kommen …. macht mich fertig. Einmal angefangen, etwas „besser“ zu machen und mehr auf bewussten Konsum zu achten, macht man sich ein Minenfeld an möglichen Fallen auf. Das nervt schon gewaltig, dass das alles so kompliziert sein muss. Ich glaub, ich peile doch den Selbstversorgerhof mit meinen eigenen Schafen an…

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8 Gedanken zu „Braucht Wolle ein besseres Image?

  1. Avatar von M_S M_S sagt:

    das problem ist der durch die modeindustrie künstlich hochgeschraubte bedarf – egal welches material, wenn es in großen mengen und billig (gute wolle europäischer herkunft fängt bei 50 euro/meter an) produziert werden muss, um unseren bedarf zu stillen, wird die produktion unethisch.
    entweder man verzichtet, oder man legt sehr viel geld für ein luxusgut hin – billig, massig und nachhaltig geht nicht.

  2. Avatar von mukolama mukolama sagt:

    Das ist mir in den letzten Wochen/Monaten auch massiv aufgefallen: Wenn man einmal anfängt, sich mit bewussten Konsum zu beschäftigen, fallen einem immer mehr Bereiche auf, die gehörig falsch laufen (und wo man bis dahin unwissend mitgemacht hat). Schwierig wirds dann, wenn man davon weiß und trotzdem gleich weitermacht. Andererseits ist es in der heutigen Zeit aber auch kaum möglich, überall 100% ethisch korret zu handeln (hast du ja auch z.B. in der BK-Show angemerkt). Und das kann schon ganz schön deprimieren.
    Trotzdem find ichs wichtig, sich zu informieren, sich Gedanken zu machen und dann auszuloten, wo der Mittelweg ist, der für einen selbst am ehesten vertretbar ist. Ich bin auch noch am ausloten 😉
    Aber ein Selbstversorgerhof wär sowieso toll!

    • Avatar von nunette nunette sagt:

      ich bin mir da nicht so sicher, ob der gedanke an einen selbstversorgerhof von mir als sozialisierter städterin nicht seeeehr verromantisiert wird…

      • Avatar von M_S M_S sagt:

        man braucht dann auf jeden fall keine schicken schuhe mehr, oder friseurbesuche, oder eine tolle jacke – erinner dich mal an den aussteiger in der talkshow.^^
        ich habe einen bekannten, der beinahe-selbstversorger ist, und seine prioritäten sind ganz klar: kuhstall bauen und den fuchs erwischen, der ihm die hühner klaut. weder kultur, kunst, ja nicht mal bücher lesen hat da einen platz im alltag. da wird einfach so lange das tageslicht reicht gearbeitet.

      • Avatar von Ulla-Britt Ulla-Britt sagt:

        wie vorhin schon angemerkt: massig und nachhaltig geht nicht. das trifft aber auch selbstversorgerhöfe zu. wieviel platz braucht ein hof und wer macht all die andere arbeit. bzw. wie soll ein frau die als krankenschwester arbeitet auch noch einen hof berteiben? im endeffekt ist das ja auch nur wieder was für eine kleine, sagen wir mal ‚elite‘

      • Avatar von nunette nunette sagt:

        stimme dir absolut zu..aber das Eliten Argument gilt eigentlich auch für mein gesamtes Projekt….

  3. Avatar von M_S M_S sagt:

    zur eigentlich frage:
    ich denke, wolle hat kein schlechtes image. sie hat nun mal bestimmte eigenschaften, die sie für strickwaren und winterkleidung prädestiniert, und sie ist nicht ganz so einfach zu handhaben wie polyacryl & co (es hat schon einen grund, warum kunstfasern erfunden wurden). der frühere bedarf nach wollstoffen hat sich mit der entwicklung zur freizeitmode einfach stark verringert – würden so wie früher alle erwachsenen männer anzug tragen *seufz*, hätten die europäischen wollproduzenten wohl kaum ein absatzproblem (und die schneider ein gutes auskommen).
    fazit: wir müssen den herren der schöpfung einfach klarmachen, wie mann sich gut kleidet, dann haben alle was davon … 🙂

  4. Avatar von Nessy Nessy sagt:

    Gute Wolle zu finden ist aber auch nicht leicht, ich hab ewig suchen müssen, bis ich irgendwo Wolle gefunden habe, die nicht irgendeine Polyacrylmischung ist.

    Nach Plastic Planet wollte ich so eine Plastikfasern verlierendes Wollprodukt am Ende nicht haben.

    Ist übrigens auch nicht einfach Klamotten zu finden, die nicht aus Plastik sind und dann noch gut aussehen ( also zu meinem Modegeschmack gehören und nicht zu dem, was gerade kurz IN ist…) und passen.

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