Sie verdienen es nicht

Heute ist MEIN Tag. Seit gestern darf ich mich akademisch zertifizierte CSR-Managerin schimpfen, das Buch befindet sich bereits im Druck, die WearFair, das größte berufliche Projekt dieses Jahres, war megaerfolgreich, und ich bin exakt so fertig und müde, wie man es sich nach so einem Höllenritt von einem Jahr vorstellen kann. Ich zahle gerade eine Rechnung nach der anderen für das, was ich meinem Körper angetan habe an Stress. Doch jetzt kann mal – zumindest für ein Monat – Ruhe einkehren. Das zelebriere ich heute. Ich werde alles tun, was so ein wirklich WIRKLICH freier Tag mir bieten kann. Heute habe ich nur eine Verpflichtung: Der Spaziergang der etwas anderen Art.

Doch darauf freue ich mich. Denn egal, wie müde, fertig und arbeitsfrei ich bin und sein will – eines habe ich in den letzten zehn Monaten gleich nochmal festgestellt: Diese Sache mit der Textilproduktion, die ist sowas von beschissen und unfair und unmenschlich, dass ich nie aufhören werde, dagegen zu mobilisieren und meine Meinung dazu preiszugeben – ob man es hören will oder nicht.

Nehmt die Katastrophe von Rana Plaza – sie nimmt kein Ende. Nicht nur, dass über 1100 Menschen gestorben sind, nein, die Überlebenden kämpfen derzeit ebenfalls einen Kampf, den sie nicht gewinnen können. Oder stellt ihr es euch einfach vor, einfach mal schnell wieder einen Job in einer Näherei zu finden, nur halt ohne Arm oder Bein? Und ob man so einfach in solchen Gebäuden weiter arbeiten kann, wenn man schon einmal im Schutt gelegen ist, begraben von Beton, Nähmaschinen und Menschen?

Im Kurier rechnet Südwind den finanziellen Bedarf in Bangladesch vor. Der Lohn reicht sowieso nicht zum Leben – und die Überlebenden, Geschädigten haben weder von staatlicher Seite noch von Textilunternehmens-Seite auch nur einen Cent an Entschädigung erhalten. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass der Mindestlohn auf mindestens das Doppelte erhöht werden muss, damit diejenigen, die für Geld arbeiten, von diesem Geld auch überleben können. Nichtmal das ist gesichert! Die Clean Clothes Kampagne hat dagegen eine Petition ins Leben gerufen. Ich hab schon unterschrieben. Auf dass so viel zusammenkommt, dass wir ein Zeichen gegen die Unmenschlichkeit der Fast Fashion setzen können.

Mir ist schon klar, dass effektive Hilfe vielleicht anders aussieht – hinfliegen und anpacken wäre vielleicht die Devise. Nur bin ich mir sicher, dass das leichter gesagt als getan ist, ich glaube, ich wäre in Dhaka komplett hilflos, und dann wäre genau niemandem geholfen. Aber ich möchte wenigstens meinen sehr kleinen Teil dazu beitragen, dass ein Zeichen gesetzt wird. Sie verdienen es nämlich einfach nicht, im doppelten Wortsinn.

Eines ist mir noch ein großes Anliegen: Liebe Leute, es ist nicht nur Bangladesch. Es ist genauso Pakistan, Vietnam, Indien, Kambodscha und sogar die Türkei. Ein Label „made in Turkey“ kann ebenfalls für menschenverachtende Arbeitssituationen stehen. Aber eines ist wahr: Es scheint nirgendwo schlimmer zu sein als in Bangladesch.

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2 Gedanken zu „Sie verdienen es nicht

  1. Sonja sagt:

    Zuallererst gratulier ich dir von Herzen – du hast wirklich viel vollbracht die letzten Monate!

    Was die Ausbeutung angeht – da bin ich sowas von bei dir Nunu! Ich hab auch schon unterzeichnet.

  2. Mia sagt:

    Ich muss dir widersprechen in Bezug auf die Entschädigungszahlungen für Rana Plaza Opfer. Es ist natürlich nur Tropfen auf dem sehr heißen Stein, aber es ist bekannt, dass sich Primark ein wenig für sie eingesetzt hat. Im Gegensatz zu manch anderem Händler. http://www.bbc.co.uk/news/business-24646942 Inwiefern das jetzt PR ist oder nicht, lassen wir mal dahingestellt.

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