Ich bin ein Weichei

Wahnsinn, bin ich ein Weichei. Diese Woche war arbeitstechnisch extrem anstrengend, aber auch wahnsinnig spannend. Ich bin in diversen Workshops gesessen, in denen es um meine neuen Arbeitsfelder ging. An sich super, aber: Samstag von neun bis 22 Uhr, Sonntag von zehn bis sechs. Gefühlt war ich aufgrund der Fülle an neuen Informationen und dem dichten Programm bereits Freitagfrüh braindead.

Heute am Heimweg dann die Erkenntnis: Dass ich normalerweise ein Wochenende habe, an dem ich komplett von meinem Job abschalten kann, und nicht nur einen freien Tag pro Monat, das macht mich zu einer ziemlich kleinen Elite, global gesehen. Und diejenigen, die das Wochenende durcharbeiten müssen, bekommen nicht zweimal warmes Essen, von selbstgekochtem Dal bis selbstbestellter Pizza, permanent die Möglichkeit, sich einen Kaffee zu holen (gut, trink ich nicht, aber trotzdem), regelmäßige Pausen, die Möglichkeit, sich mit den anderen zu unterhalten und zu reflektieren, und einfach prinzipiell so nette Team-LeiterInnen, die sich so toll für uns einsetzen, dass ich permanent das Gefühl habe: Das will ich zurückgeben. Nicht aus Zwang, sondern aus Engagement.

Ich sitzliege grad am Sofa, warte auf den Tatort, den ich mit hoher Wahrscheinlichkeit nur bis zur Hälfte wach erleben werde, sowie aufs Essen (das Telefon hat heute gekocht), mümmle mich in meine violette Kuscheldecke, benutze den Oberschenkel des Liebsten als Kopfpolster, leide, weil ich ein bisschen Kopf- und Ohrenweh und ein bisschen viel Halsweh habe, bin schlecht gelaunt, weil das Wochenende wettertechnisch ein Wahnsinn war und ich nur drinnen, während mein gesamter Freundeskreis Fotos von herrlichen Frühlingsausflügen gepostet hat, und bin einfach nur unglaublich müde und matt.

Ich bin einfach ein Weichei, gemessen an dem, was in anderen Ländern der Welt so Usus ist. Meine Kuscheldecke, von der Mama vor ein paar Jahren für mich beim Hofer gekauft: Made in China. Meine alte Fleeceweste, in der ich zuhause so lange wohnen werde, bis sie mir vom Leib fällt: Made in Indonesia. Gemacht von Menschen, die mich für meine Ermattung grad einfach nur auslachen würden. Raunzen, weil man ein Wochenende durcharbeiten musste – es ist doch wirklich lächerlich.

Ich will jetzt keine Reaktionen von wegen „Dein Arbeitsalltag ist ein anderer, du darfst müde sein“ provozieren, sondern einfach nur feststellen: Heute ist mir wiedermal sehr deutlich klar geworden, wie sehr ich NäherInnen in der Fast Fashion Industrie bewundere. Das ist wahrlich kein Zuckerschlecken. Der Gedanke,  nicht selbstbestimmt monatelang durchzuarbeiten, ist nicht nur psychisch gesehen ein Alptraum. Auch körperlich würd ich das wahrscheinlich gar nicht packen, was da an Arbeitsleistung in meiner Kleidung steckt.

So. Mahlzeit und gute Nacht.

(c) Cleanclothes.at

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Ein Gedanke zu „Ich bin ein Weichei

  1. Ida Grobbauer sagt:

    Ich kann deinen Beitrag noch ein bisschen erweitern. Leider hat es mich mit einer ziemlich schweren Krankheit erwischt. ABER ich bin PRIVILEGIERT. Ich kann mich in das Krankenhaus legen, habe die beste medizinische Versorgung, brauch mir keine Gedanken um die Bezahlung derselben zu machen. Ich bin nicht mehr im Erwerbberuf tätig, brauche mich keine Gedanken um mein Pensionseinkommen im nächsten Monat zu machen.
    Ich bin mir sehr bewusst, was ich für ein Glück habe, in diesem Land zu leben und es ist für mich absolut nicht selbstverständlich.

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