Liebe Wienerin, wirklich? 88?

Ich muss eines feststellen: Ich liebe die Wienerin. In Österreich (gut, da ist der Markt jetzt nicht rasend groß) in meinen Augen mit Abstand das beste Frauenmagazin, weil sie eine gute Mischung aus wirklich interessanten Blickwinkeln und Reportagen und dann wieder Modegeschichten hinkriegen. Der Tag, als ich die Wienerin in Händen hielt, in der nicht nur ein Porträt über mich war, sondern meine Geschichte sogar am Titelblatt, war wohl der Tag, an dem ich einem Herzinfarkt vor lauter Aufregung am nächsten seit langem war. Natürlich kann man von einem Frauenmagazin jetzt nicht den größten politischen, feministischen und sonstigen Anspruch einfordern, und die Diät-Geschichten überblätter ich auch immer geflissentlich, aber grundsätzlich: Die Wienerin ist super. Trotz vieler Chefredaktionswechsel haben sie konstant ein gutes Level gehalten, nämlich, sich nicht auf das Level anderer Frauenmagazine runterzulassen, und weder zu elitär noch zu sehr „beste Freundin“ zu sein. Ein bissl mehr faire Mode könnt dabei sein, aber da werdet ihr tendenziell auch immer besser. Respekt.

Und ganz ehrlich? Ich liebe das Schreiben. Wahrscheinlich war ich diejenige, die sich trotz verdammt viel Arbeit mehr als alle anderen übers eigene Buch gefreut hat. Und obwohl das Shoppingauszeitjahr jetzt bald zwei Jahre vorbei ist, immer noch so gut wie täglich bloggt. Gar nicht zu sprechen (schreiben) von den Unmengen an Dateien auf meinem Computer, in denen ich mich einfach mal über Erlebtes auskotze, mir Geschichten ausdenke und besonders gute gehörte Sprüche und Formulierungen aufschreibe. „Herzensgute Einbauschränke“ zum Beispiel. Tolle Phrase.

Seit ich ca. 15 bin, habe ich einen geheimen Traum, den ich hiermit öffentlich mache: Ich hätt sooooooooooo gern eine Kolumne in der Wienerin. Zu sagen hab ich definitiv genug, Geschichten hab ich in Massen auf Lager, und schreiben ist sowas wie mein Bungeejumping und Yoga gleichzeitig, aufregend und entspannend. Je nachdem, wonach mir ist. Und das ganze als Kolumne in der Wienerin, hach. Also falls das jemand liest, der/die da …. lassen wir das …. ich kichere schon ganz schüchtern.

Aber. War eh klar, dass da ein „aber“ kommen musste.

Liebe Wienerin. Bitte lest euch die oberen Absätze gut durch, meine Gefühle für euch sind ehrlich und echt. Aber bitte durch wie viele Hände und vorbei an wievielen Augen ist dieses Bild gegangen, bevor ihr es abgedruckt habt? Es gibt, wenn man 00 bis 09 dazu nimmt, auf dieser Welt 100 zweistellige Zahlenkombinationen, die sich hervorragend in Mützen stricken lassen. Gut, 00 würd ich jetzt nicht nehmen. 13 is auch schon bissl ausgelutscht. 23 war vor ein paar Jahren mal cool. 42 ist sowieso der Dauerbrenner und die Antwort auf eigentlich eh alles. Aber 88?????? ERNSTHAFT? (Für die, die es nicht wissen, 88 ist ein Nazi-Code für HH, die ersten Buchstaben einer vor einigen Jahren sehr üblichen Begrüßung). Und dann auch noch fett „TRENDS“ drüber schreiben?

Foto aus der aktuellen Wienerin, S. 18

Foto aus der aktuellen Wienerin, S. 18

Ich hab zwei Theorien: Es ist wirklich an euch vorübergegangen und ihr habt nur das trendige gesprenkelte Grau auf dem trendigen Weinrot auf dem dem Kopf einer trendig schlechtgelaunten Frau gesehen, oder ihr wolltet absichtlich provozieren, um danach „uh, Hoppala, is uns passiert, nix für ungut, wir finden solche Referenzen natürlich ganz böse“ sagen zu können, aber im Gespräch zu sein (was euch bei mir leider auch gelingt, ich schaffs nicht, sowas unkommentiert zu lassen). Um ehrlich zu sein, auch wenn ich eine von denen bin, die wirklich intensivst für politische Bildung ab der Grundschule sind, wär mir ersteres lieber. Weil zweiteres wäre doch wirklich unter eurem Niveau!

Schade.

Eines noch, und die Diskussion hatte ich jetzt mehrfach in Chats: Ja, es kann natürlich das chinesische Glückszeichen sein. Aber darum geht es in diesem Fall nicht. Das unkommentierte 88 auf der Haube kann so oder so verstanden werden. Und wenn es auf die Art verstanden wird, die ich interpretiert habe, ist es Fashion-Accessoire für Anhänger einer politischen Richtung, die ich mir eigentlich als ausgestorben erhoffte, die aber irgendwie gerade eine fürchterliche Rennaissance erlebt. Trend halt. Wehret den Anfängen.

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4 Gedanken zu „Liebe Wienerin, wirklich? 88?

  1. Barbara Haas sagt:

    Liebe Nunu Kaller,
    vielen Dank für Ihren reflektierten Kommentar zur aktuellen WIENERIN. Bei dem von Ihnen angesprochenen Foto auf Seite 18 handelt es sich um ein Sujet des Salzburger Labels warm-me (www.warm-me.com). Das Lable selbst haben wir in der Redaktion in erster Linie als innovativ, mittlerweile international erfolgreich und nachhaltig arbeitend bewertet. Tatsächlich wurde aber die von Ihnen zu Recht angesprochene und kritisierte Ziffernkombination in der Form so nicht wahrgenommen, da das Label ganz und gar nicht in diese Richting passt. Und sich die WIENERIN selbstverständlich von solchen Darstellungen und Assoziationen distanziert. Wir nehmen den Hinweis aber natürlich gerne auf und werden von warm-me am Montag eine Stellungnahme einfordern, die wir Ihnen gerne zukommen lassen.
    Herzlichst, Barbara Haas, Chefredakteurin WIENERIN

    • nunette sagt:

      Liebe Frau Haas, Respekt. Eine Zeitschrift, in der die Chefredakteurin persönlich am Samstag drauf reagiert, werde ich auch weiterhin lesen. Wusste ich doch, dass die Wienerin was Besonderes ist 🙂 Was das Label angeht: Ich stelle diese Produktionsweise nicht in Frage, finde so etwas gut. Und kann mir gut vorstellen, dass sie mit dem Argument der chinesischen Glückszahl reagieren werden. Dennoch möchte ich drauf hinweisen, dass es trotz allem eben AUCH ein Hinweis auf eine sehr dunkle Zeit ist und nicht verwendet werden sollte. Ich freue mich bereits auf die Reaktion, per Mail bin ich unter ichkaufnixx@gmail.com erreichbar!

  2. > Seite 18

    Oh, oh… das driftet jetzt alles aber in eine ganz ungute Richtung ab.

    (natürlich nicht; denn nicht überall wo zwei 8er drauf sind, ist ein Nazi-Code drin)

  3. […] ja kurz vor Weihnachten etwas entgeistert gezeigt, als ich die aktuelle Wienerin aufblätterte. Da war eine Mütze zu sehen, auf der ein riesiges “88” prangte. Was ich euch noch schulde, ist die Antwort, die die Wienerin von dem Label eingefordert […]

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