Ich habe andere Probleme

Einmal noch offtopic, weil ich da jetzt was rauslassen muss: Na wusch, da hab ich mich auf fischundfleisch ja ordentlich in die Nesseln gesetzt mit meiner zugegebenermaßen sehr plakativen (oder wie ich im Text selbst schreibe: schwarzweißen) Kritik an dem Frauenbild, das Österreichs Volksrock’n’Roller (tolles Wort, gell, Matl?) vermittelt.

Mir wurde vorgeworfen, ich solle frei nach Kreisky Geschichte lernen, mir wurde ein mangelndes Selbstbewusstsein unterstellt, und ich wurde als „frustrierte Pseudo-Emanze“ hingestellt. Auch wenn mir klar war, dass es bei einem solchen Artikel Kritik geben wird, und ich bin eine große Freundin von Diskussionen, in denen man ein Problem aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet, aber dass die Kritik so tief ist, hätte ich mir nicht gedacht. Maddie, ich versteh dich jetzt gleich nochmal viel besser. Ich fürcht, das kommt jetzt beleidigter rüber, als es gemeint ist: Ich bin überhaupt nicht eingeschnappt, ich bin nur höchst verwundert ob des Niveaus, das mir begegnet ist.

Das Argument „gegen“ mich, das am häufigsten fiel: Hast du keine anderen Probleme?

Oh wie ich diesen Spruch hasse. Das ist der Einserschmäh für diejenigen, denen die inhaltlichen Argumente ausgehen. Das Rauchverbot in Lokalen wird nach dem schrecklichen Tod von Kurt Kuch in der Regierung diskutiert – „Wir haben doch wirklich andere Probleme!“. Frauen sind in der offiziellen Sprache der Republik quasi nicht vorhanden, was sich (leider!!!) an einer immer wieder aufkeimenden Diskussion rund um unsere in meinen Augen so oder so überflüssige Bundeshymne spießt: „Haben wir echt keine anderen Probleme?“ Diese ganze unfassbar unnötige Diskussion rund um die Mariahilfer Straße (gell, man merkt schon, ich bin eine kleine linke Zecke, hihi!): „Hams kane anderen Probleme, die Politiker?“

Ganz ehrlich: Es nervt. Sind wir echt schon so weit, dass man nur noch über jene Dinge diskutieren darf, die Otto Normalverbraucher gerade zu Gesicht stehen, weil sichs so gut drüber diskutieren lässt, wenn nur andere was dran ändern können? Natürlich haben wir andere Probleme, ganz viele sogar! Wir haben ein mich wirklich schon erschreckendes, massives Problem namens Ausländerfeindlichkeit, unsere weiteren Probleme heißen Pegida, Steuerreform, Vermögenssteuer (im Sinne von: kommt nicht), Syrien, Ukraine, Konsumismus (!!!!), Globalisierungsverlierer, ein Finanzmarkt, der aber sowas von auf einen Crash zusteuert, Klimawandel, Ressourcenausbeutung menschlicher und materieller Natur und und und und. Selbst bei dieser Auflistung kann ich mir vorstellen, dass jetzt irgendein/e schlaue/r LeserIn (ja, ich gendere konsequent seit Jahren hier, hab ich denn kein anderes Problem?!) sich denkt: Die hat doch keine Ahnung, was unsere eigentlichen Probleme sind! Ich selbst hab dann auch noch ganz andere Probleme, die wohl jeder von uns im Privaten hat, die ich hier am Blog aber sicher nicht mitteile. Irgendwie würd ich grad gern einen Button für meinen Mantel basteln, auf dem „Danke der Nachfrage. Ja, ich habe andere Probleme“ steht.

Aber Himmel. Arsch. und Zwirn.

Nur weil es „andere“ Probleme gibt, muss es trotzdem in Zeiten eines derartigen Meinungspluralismus, wie er durch die Sozialen Medien entstanden ist, Raum dafür geben, ein einzelnes Thema, das einer einzelnen Person gerade als Problem erscheint, zu erörtern! Und mir hat der Gabalier halt mit seinem Madl-Dirndl-I-sing-a-Liad-für-deine-Schenkelinnenseiten einfach die Zehennägel hochgerollt.

Ernsthaft jetzt. „Hast keine anderen Probleme“ ist eine Unphrase wie die Worte „situationselastisch“ und „Kollateralschaden“ Unworte sind.

Und ab morgen gehts hier wieder um textile Probleme. Nur dass das klar ist. Andere Probleme – yes, I can! 😀

16 Gedanken zu „Ich habe andere Probleme

  1. Bravo. Gratuliere für die offenen und richtigen Worte. Weiter so bitte.

  2. mukolama sagt:

    Diese Gutmenschen immer! Als hätten wir keine anderen Probleme in diesem Land der Situationselastik!!! 😉

  3. Tammischwammi sagt:

    Ich bin ganz, ganz, ganz schockiert über den Großteil der Kommentare die ich da gerade unter deinem Beitrag von fisch+fleisch gelesen hab, die Gänsehaut lässt kaum nach.

    Den Gabalier find ich als junges Mädchen auch derart unattraktiv und das nicht nur äußerlich, soviel vorweg. Ich bin froh das du auch solche alltäglichen Themen aufgreifst, es muss ja nicht immer 24/7 der Weltfrieden sein dem man sich widmet. Man hat ja einen denkenden Kopf und da ist viel Platz drin sich auch MEHREREN Themen zu widmen, größere Probleme hin oder her. Ich kann mich damit jedenfalls gut identifizieren, das wollt ich an dieser Stelle sagen.

    Wenn ich dann lese das (erfolgreiche/berufstätige) Leserinnen mangelndes Selbstwertgefühl unterstellen oder die Sinnhaftigkeit des Textes derart emotional hinterfragen, dann wird meine Toleranz ganz schön strapaziert. Für gewöhnlich lese ich über so etwas hinweg, mit der Gewissheit das ich es besser weiß. Hin und wieder muss es dann aber doch raus, sodass ich dir hier zumindest meine Solidarität aussprechen muss.

    Alles Liebste, lass dich nicht unterkriegen!

  4. babebibobu sagt:

    ich grieg bei diesem „haben wir keine anderen probleme“ spruch auch das grausen!!
    gut geschrieben und ich mag die artikeln, die über (rein) textil hinausgehen, weiter so!
    lg

  5. Inga sagt:

    Liebe Nunu,
    Ich LIEBE deinen Blog!
    Und deine Themen und deine Aufreger.
    Ganz ehrlich.
    Mach bitte weiter so!
    Inga.

  6. Cnautsch sagt:

    Lass dich nicht ärgern liebe Nunu , ich und viele andere haben auch noch andere Probleme, aber das hei ja nicht dass man sich nur mit dem großen Chaos das auf unserer Welt derzeit herrscht beschäftigen darf. Wir sind ja Gott sei dank frei in dem was wir denken dürfen und man darf auch mal über Gabalier was schreiben, wär ja noch schöner sich das verbieten zu lassen. So jetzt schau ich mir den Slalom an, hab ja sonst keine Probleme 😊

  7. Miss Diamond sagt:

    Ich bin erst durch diesen Artikel auf den anderen aufmerksam geworden, aber ich finde, du triffst den Nagel damit auf den Kopf. Kritik wird es immer geben, möglicherweise fühlt sich die ein oder andere Person auch „ertappt“, aber gesagt werden muss es trotzdem, daher bin ich froh, dass du darüber geschrieben hast und hoffe, du wirst es trotz der Kritik auch in Zukunft noch machen. Ich bin der Meinung, dass Sprache in der Lage ist, bestimmte Sicht- und Verhaltensweisen zu manifestieren und daher nicht einfach so abgetan werden sollte. Ich schreibe übrigens gerade meine Abschlussarbeit, in der es maßgeblich um finanzielle Abhängigkeiten geht und kann mir ebenso wenig wie du vorstellen, warum frau sich das HEUTE noch antut.

  8. Donna G. sagt:

    Ich finde nicht, dass du dich dafür rechtfertigen musst, das Thema Frauenbild aufgegriffen zu haben. Es scheint doch, dass man es immer wieder aufgreifen muss, um nicht 60 Jahre Rückschritt erleben zu müssen.
    LG Donna G.

  9. Ina sagt:

    dass gerade aus der Heileweltherzschmerzecke derbe und plump gepöbelt wird, wundert mich überhaupt nicht. Siehs als Auszeichnung!

  10. Mari sagt:

    Ich denke sowohl das Frauen- als auch das Männerbild in unserer heutigen Gesellschaft ist ein Problem, dass häufiger angesprochen werden sollte. Ich denke auch, dass dieses Problem einige andere Probleme nach sich zieht.

    Mit der Aussage: „Haben wir denn keine besseren Probleme“ verniedlicht man ein Problem und versucht es zu ignorieren. Deswegen ist es aber nicht aus der Welt geschaffen. Das ist ein bisschen so, als würde ein Elternteil zu seinem Kind sagen „Reg dich nicht auf, bringt doch sowieso nichts“. Und genau damit schafft man unkritische Menschen. Vielleicht erscheint es im ersten Augenblick etwas sinnfrei sich über einzelne Liedtexte aufzuregen, man kann aber auch verstehen, dass diese nur ein Beispiel für das Frauen- und Männerbild sind, das uns ständig und überall im Fernsehen und von den Medien vermittelt wird.

    Erst vor zwei Wochen habe ich mich vor dem Fernseher über die Damen in „Der Bachelor“ lustig gemacht, weil ich mal sehen wollte, was die Frauen in meinem Umfeld Abends so ansehen. Vielleicht spricht da aber auch schon die Verzweiflung aus mir, denn ich verstehe die Frauen von heute nicht.
    Interessant fand ich auch mein Erlebnis am Wochenende: ich war im Kino und habe Imitation Game angesehen, der nur noch zweimal am Tag im kleinsten Kinosaal läuft, obwohl er erst vor kurzem angelaufen ist und ein wirklich wichtiges Thema behandelt. Fifty Shades of Grey dagegen läuft zu jeder Uhrzeit in zwei Kinosäälen, jeweils in den zwei größten Kinos der Stadt. Als ich aus dem Kinosaal rauskam, standen da zig Frauen, die sich mit dem vom Kino bereitgelegten Seilen die Hände gefesselt hatten. Ich sagte zu meinem Begleiter nur: „Kein Kommentar“.

    Also, Nunu, lieber sehe ich Menschen, die sich übermäßig aufregen als Menschen die sich übermäßig anpassen, weil „wir bessere Probleme haben“. Also bitte mach weiter so und lass dich nicht von nicht-konstruktiver Kritik unterkriegen!

  11. anonymus sagt:

    Die Kommentare sind doch eh alle ok (oder ist da was richtig fieses gelöscht worden?). Ja, die finden Deine Meinung Scheisse und Dich deppert, aber keiner beschimpft Dich voll unter der Gürtellinie. Ja, die Diskussion ist vllt zach und erzeugt Kopfschütteln, aber es bleibt auf dem Level einer Diskussion die man führen kann.

    Ich hatte jetzt erwartet, daß da Kommentare zumindest gaaanz tief unter der Gürtellinie gekommen wären, wenn nicht gar Todes- oder Vergewaltigungsdrohungen oder Du gedoxxt worden wärst. Weil DAS passiert leider heutzutage normalerweise wenn man als Frau in Sachen pro-Gleichberechtigung den Mund aufmacht.

    Insofern bin ich eher positiv überrascht über die negativen Kommentare auch wenn ich ihnen inhaltlich natürlich nicht zustimme. Obwohl das wahrscheinlich eher an der geringen Reichweite von fisch+fleisch liegt; wäre das ein Standard-Artikel gewesen, dann sähe das sicher anders aus.

    Um ehrlich zu sein wundert mich Deine naive Annahme, daß Du a) auf den Artikel keinen Gegenwind bekommen würdest obwohl Du ihn ja explizit provokant geschrieben hast und b) daß Du Dir nicht *viel mehr* und wirklich oargen Gegenwind erwartet hast – Du bist doch Medien-affin? Nicht mitgekriegt wie es letztes Jahr während der #aufschrei Geschichte abgegangen ist? Oder was seit Monaten läuft mit Anita Sarkeesian oder Brianna Wu?

    • nunette sagt:

      Neinnein, der Gegenwind war mir schon klar, dessen war ich mir bewusst, dass das kommen würde. Die miesesten Kommentare gabs spannenderweise auf Facebook, Freunde von mir hatten den Artikel geteilt und da gings dann zu, von wegen frustrierte Pseudo-Emanze. 🙂 Und ich bin auch nicht traurig oder schockiert, wie ich beschimpft wurde (gut, das Niveau hat mich etwas überrascht, zugegeben), sondern ich find dieses „hast keine anderen Probleme“-Argument so unendlich öd. blöd. schwach. alles. Aber wirklich, keine Sorge, ich bin nicht tief verletzt oder verschreckt, ich wollt mich nur über dieses blöde Killerargument aufregen 😀

      • Andrea sagt:

        yap so ist es wenn nicht mainstream, mich habens auf f+f auch gebasht – weil sie dachten eine esotussi ist am start.
        never feed the troll, ich hab besseres zu tun!

  12. EriksMama sagt:

    Ich find‘ den gabalier auch so was von unsexy. Auf ARD hat er sogar eine eigene Show bekommen. Allein schon die Aussage er sei ein volksrock’n roller?!? Und ich bin ein fleischessender Vegetarier. Der Typ gehört für mich in die Kategorie Gehirnweichspüler, wie soviele andere TV Formate der Mainshitmedien.
    LG Katrin

  13. […] Oh, und liebe Gabalier-Fans: Ich schalte gerne eure Kommentare frei – sofern sie mich nicht persönlich beleidigen, mir Emanzentum unterstellen oder sonstig direkt an mich gerichtet sind. Solche Kommentare werde ich nicht freischalten bzw. löschen. Das hier ist mein virtuelles Wohnzimmer, und da lass ich mich untergriffig beleidigende Menschen genauso wenig rein wie in mein echtes Wohnzimmer. Und als echter Fan würd ich mich von diesem Artikel übrigens weitaus mehr proviziert fühlen. Für mich ist das ganze Thema hiermit erledigt.  […]

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