„Mitm Kopf am Tisch“- oder – Der Nachhaltiger-keits-bericht vom Textilschweden

Die Kollegen im Büro müssen die letzten zwei Tage Spaß mit mir gehabt haben. Warum? Weil ich mir den Nachhaltigkeitsbericht vom Textilschweden zu Gemüt geführt hab. Und alle paar Minuten leicht verzweifelte Laute von mir gegeben habe. Ich versuch jetzt mal chronologisch meine diversen Gründe für kurzes Aufquietschen, mit der Faust am Tisch hauen, längeres Aufjaulen („Nuuueeeiiinn, das bringen die jetzt nicht ernsthaft!“) oder gleich mit dem Schädel gen Tischfläche steuern – all das in den letzten zwei Tagen im Büro hingelegt, der Sebi und die Mel sind meine Zeugen. Entweder die werden Jahr für Jahr dreister in ihren Berichten, oder ich einfach strenger und kritischer. Achtung, langer Beitrag.

Also. Nachhaltigkeitsbericht 2014 vom Textilschweden (und nein, ich magmagmag ihn einfach nicht verlinken, ich gönn denen keinen Klick. Wer suchet, der findet). Eigentlich sollten die ihn ja Nachhaltiger-keits-Bericht nennen. Es ist alles nachhaltigER. Was jedoch nicht beantwortet wird im Bericht: Nachhaltiger ALS WAS?! Ein Glas Milch? Ein offenes Fenster? Meine Oma?

Erstens: Eben dieses grausame „more sustainable“. „NachhaltigER“. Es nervt so unendlich viel. Na sicher ist Baumwolle, die von Bauern angebaut wurde, denen schlaue Menschen ausm Westen erklärt haben, was auf dem Pestizidkanister draufsteht, den sie da am Feld ausschütten, und die ihnen gesagt haben, ui, nein, diese Kanister dürfts nachher nicht fürn Wassertransport verwenden, besser als die, bei  der die schlauen Männer ausm Westen nicht kommen. Wobei ich da „besser“ mit einem Hauch von Ironie verwende. Aber ist sie deshalb nachhaltig? Nein! Ich beziehe mich in ironischer Überhöhung hier auf Berichte über die Better Cotton Initiative, da ist der Textilschwede Mitglied.

Zweitens: Die sind solche gefuchsten Zahlenfuzzis, die Textilschweden, und es ist jedes Jahr der gleiche Einserschmäh. Sie präsentieren tolle Zahlen – und geben keine Vergleichswerte. Ich hole das hiermit nach.

  • „Die Produktpalette von Artikeln aus recycleten Materialien soll verdreifacht werden.“ Pfuh. Das klingt ja mal nach bistdudeppert, da haben sie sich was vorgenommen. So. Lasst uns mal rechnen. Vorausgeschickt: Im Kinderbereich ist der Anteil bissl höher, aber die Hauptzielgruppe sind immer noch die Frauen. Und bei den Angeboten für Frauen habe ich da vor einiger Zeit mal genauer hingeschaut. Eine Verdreifachung der Produktpalette würde heißen: 63 von über 2400 Artikeln. Das klingt dann gleich nicht mehr so sexy und nachhaltig, oder? Sondern eher bissl mau!
  • „Die Fair Wage Strategy (also die Zahlung von Existenzlöhnen) wird in drei Modellfabriken getestet.“ Wir sind nämlich ursuper, wir Textilschweden, und zahlen unseren Nähern jetzt in einem Versuch (!) auch echt so viel, wie sie zum Überleben brauchen. In drei Fabriken. Was sie in dem Zusammenhang nicht sagen: Sie haben 1900 Lieferanten. Was soviel heißt wie: Drei Fabriken sind der Dreck unterm Fingernagel. Echt Promill-Bereich. Ich würds am liebsten mit Megaphon vor der Firmenzentrale in Stockholm rausschreien: ALLLLLLLLLLLLLLLE ARBEITERINNEN IN EURER LIEFERKETTE VERDIENEN EINEN EXISTENZLOHN!!!!
  • „In zwei Jahren wurden weltweit mehr als 13.000 Tonnen Altkleidung gesammelt, dass sind 38 Millionen T-Shirts.“ Das ist ja echt mein Lieblingsbeispiel, da war mein Jaulen gestern sogar in der Küche zu hören, glaub ich. Weil: Allein in Österreich, mein kleines Heimatland, das im Vergleich zu „weltweit“ doch so eher im Stecknadelkopf-Level mitspielt, werden pro Jahr (und nicht alle zwei Jahre, nein, PRO JAHR) über 80.000 Tonnen Altkleider gespendet oder weggeschmissen. In Deutschlands sinds gleich mal 700.000 Tonnen, haben mir deutsche Kollegen letztens gesteckt (ich weiß leider die Quelle nicht, die Quelle für die 80.000 Tonnen ist der Verein für Konsumenteninformation).

Drittens: Die folgende Diskussion führe ich derzeit gefühlt täglich, immer zu unterschiedlichen Firmen. Es ist völlig in Ordnung, wenn man KonsumentInnen in die Verantwortung mit einbezieht. Wenn man sagt: Beim Waschen von Produkten kann man viel Energie sparen, das wirkt sich positiv auf die Lebenszyklusanalyse der Teile aus. Jo eh. Waschen bei 40 statt 60 Grad spart Energie. Aber ich finde, in einem Nachhaltigkeitsbericht hat diese Verantwortungsabgabe an die KonsumentInnen vielleicht einmal, aber nicht so derartig ausführlich genannt zu werden, und zweitens: Waschanleitungen?! Waschanleitungen werden jetzt plötzlich als Aktion für mehr Nachhaltigkeit beworben? Eine Firma ist jetzt total super und progressiv, wenn sie ihren KundInnen Waschanleitungen für die Produkte mitgibt? Alles was recht ist, aber das ist schon ein ziemlich hübsches Hindrehen der Wahrheit, wenn man Waschanleitungen als Nachhaltigkeitsoffensive bezeichnet.

Viertens: Ja, ich hab vorgestern sogar fast  geweint. Der Textilschwede bringt nämlich jetzt wieder eine achsosupere Conscious Collection heraus. Aber: Hochexklusiv. Nix mit großen Stückzahlen. Wär ja viel zu teuer. Grrrmmmpppffff…… einer der größten Fast Fashion Massenhersteller der Welt sein, aber die nachhaltige, sorry, nachhaltigere Kollektion auf exklusiv spielen.

Ich klick mich so durch durch die Kleider und dann war da:

Screenshot (c) hm.com

Screenshot (c) hm.com

Ein Paillettenkleid! PAILLETTEN!!! „Nachhaltige Pailletten“, weil aus Recycling-PET gemacht. Uh, lala, Abrieb, Mikroplastik galore! Und überhaupt, Pailletten. Kinderarbeitkinderarbeitkinderarbeit pochte es an meiner Schläfe. Ich konnte nicht anders und musste es ihnen sofort auf Facebook ausrichten:

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Sie reagierten sogar. Mit einem Hinweis auf ihren Code of Conduct, dass sie keine Kinderarbeit dulden. Meine weitere Frage, woher denn der Paillettenstoff käme, wer den denn produziert hätte, ob sie das wüssten, wurde nicht beantwortet. Da kann man am Papier fünfmal Kinderarbeit nicht dulden – es gibt keine Antworten über Kontrollen, Audits, und wieviele Subsubsubsub-Unternehmer es gibt, bei denen sie überhaupt keine Kontrolle haben (wollen).

Ich finds einfach so schad, so irre schad. Ein Textilanbieter, der zu den allergrößten der Welt zählt, mit CSR-Mitarbeitern, die zahlenmäßig jedem Büro, in dem ich je gearbeitet hab, überlegen sind, und es gibt keine Wesentlichkeitsstrategie, sondern einfach nur Pflaster drauf auf die brennendsten Stellen. Dieses punktuelle Ansetzen, das bringt doch nix!

An dieser Stelle muss ich betonen: Ja, der Textilschwede hat sich zu DETOX committet. Und das ist auch nur ein Teilbereich eines ökologischen Gesamtproblems. Ich finde die Kampagne fantastisch, und das nicht nur, weil ich für die arbeite – sondern weil der Textilschwede sich da wirklich von uns Unabhängigen begleiten lässt, sich die Ziele nicht selbst setzt, sondern gemeinsam mit uns entwickelt usw. Aber ich weiß auch: Es braucht noch VIEL mehr als nur die Detox-Kampagne.

Der Textilschwede ist ein Hersteller von Fast Fashion. Das bedeutet, der wird wohl nie super und nachhaltig werden, einfach, weil sein Kerngeschäft das absolute Gegenteil von textiler Nachhaltigkeit ist. Aber sie könnten eine ganzheitliche Strategie entwickeln, in der sie ihren optischen und verkaufstechnischen Ansprüchen treu bleiben, ihre Produktion aber auf ökologische und faire Füße stellen. Das muss möglich sein, es muss einfach mehr als diese Pflasterdraufkleberei drin sein. Für mich ist die Sache klar: Der Textilschwede müsste seine Gewinnspanne verkleinern. Mehr und einfach fair in die Produktion investieren, aber zum gleichen Preis verkaufen heißt: Dazwischen bleibt nicht so viel für die Konzernzentrale übrig. Und genau da liegt des Pudels Kern: Pro Kleidungsstück ein bisschen weniger verdienen, oft reicht der Centbereich, heißt für den Textilschweden ein kleines Aua (ich komm auch Pflaster draufkleben, versprochen), aber für Umwelt und ArbeiterInnen wahrscheinlich ein echtes Überleben.

Es gibt viele Hersteller, die vielleicht noch schlimmer sind als der Textilschwede. Die sich genau gar nicht um Bio, Fair usw. scheren, nichtmal im Ansatz. Da ist der schon ein bissl weiter vorne, der Schwede. Warum ich ihn trotzdem schlimmer find als andere: Weil er mit seiner nachhaltigeren Kommunikationsstrategie einfach Leut verarscht! Den Bericht lesen jetzt ein paar Leute und denken sich: Pfoah, ursuper, die machen ja urviel. Oder dann sehens die unendlich vielen Conscious Collection Plakate und man glaubt: Wow, Kleidung, bei der alles richtig gemacht wurde.

Dabei ist es das einfach nicht. Und diese Krux zwischen Kommunikation, wie nachhaltigER man nicht sei, und der Wahrheit, wo man eigentlich wirklich steht, die bringt mich zum Wände hoch klettern.

So, fertig gewütet. In diesem Leben werd ich kein Fan mehr von denen. Ich wars bis zu meiner Shoppingdiät aber eh lang genug. Grmpf.

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17 Gedanken zu „„Mitm Kopf am Tisch“- oder – Der Nachhaltiger-keits-bericht vom Textilschweden

  1. Uli sagt:

    Cooler Artikel! Was ich mich bei solchen Infos immer frage:
    Gibt es denn eigentlich keine Kontrollbehörde/Instanz, die solche offensichtlichen Miss-Informationen in einer Kampagne be/verurteilt? Darf ein Konzern, ist er nur gross genug, jeden Schmonzes von sich behaupten?
    „Länger leben mit Weichspüler von per Sie“ oder so?
    Ist ja irgendwie unfassbar…

    • Einige Modelabels lassen sich zertifizieren mit solchen Siegeln wie GOTS. Dahinter stehen unabhängigen Organisationen, die Unternehmen prüfen. Aber ansonsten: labern tun die großen Ketten und Marken alle viel. Kopf einschalten und Blogs lesen.

  2. P sagt:

    Also ob ich deine Meinung jetzt gut finde oder nicht lasse ich mal offen, jedoch ist dein Schreibstil echt katastrophal! Ich konnte deiner Argumentation teilweise nicht auf Anhieb folgen. Seit wann verfasst man Artikel im eigenen Dialekt? Daran solltest du definitiv arbeiten! Ansonsten bedanke ich mich mal für die Anregungen!
    P.S. Ich hoffe natürlich, dass dieser Artikel mit Hilfe von Grünem Strom verfasst wurde!

    • hindi kiflai sagt:

      Wer sagt denn, dass man nicht im eigenen Dialekt schreiben darf. Da gibt es ganze Bibliotheken voller Texte in Dialekten. Und Stil ist sicherlich Geschmacksfrage. Ich zum Beispiel LIEBE den Schreibstil von Nunu.

      • terisha sagt:

        Ich liebe ihn auch und finde das erweitert meinen sprachlichen Horizont. Ausserdem ist oesterreichisch so schoen!

    • Uli sagt:

      Finde die Antwort sehr herablassend und besserwisserisch, und dann noch nicht mal ein Kommentar zum Inhalt, und was soll die Anspielung auf grünen Strom? Muss man, um über ein Problem schreiben zu dürfen, fehlerfrei ökologisch leben?

    • Ano Nym sagt:

      Oiso zuam Nochdrog ko i eam P voi beruhign. Das gonze Intanet wiad nua mit recyclete Elektronen gmocht. Do is kans vo denen künstlich.

  3. Anni sagt:

    Anscheinend bist du tatsächlich ein bisschen zu kritisch geworden, denn mal ehrlich, ein bisschen was für Nachhaltigkeit und Faire Arbeitsbedingungen zu tun ist immer noch viel besser als nix zu tun!
    Lies mal die aktuelle Ausgabe des Spiegels, denn darin sagt auch der Otto-Vorstand, dass sie das Problem erkennen und auch daran arbeiten, es aber überhaupt nicht der Öffentlichkeit mitteilen, weil sie genau vor solchen Artikeln wie deinem Angst haben.

    Idealismus hin oder her – irgendwo muss halt angefangen werden und dass so eine riesige Umstellung nicht von heute auf morgen geschieht is jawohl klar.

    Sei doch lieber froh, dass das Bewusstsein dafür steigt. Klar kannst du kritisch sein, aber ermutige die Leute doch lieber wenn H&M, dann Conscious zu kaufen, denn wenn H&M merkt, dass es ankommt, wird noch mehr in die weitere Entwicklung investiert…

    Liebe Grüße,
    Anni

    http://www.fashionfika.com

    • nunette sagt:

      Liebe Anni, ja, die machen was. Und wenn sie es wirklich sinnvoll machen würden, fände ich es auch sehr gut. Womit sie in meinen Augen jedoch alles kaputt machen, ist die Art, wie sie es kommunizieren. Ich habe den Spiegel gelesen und stimme dem CEO von Otto voll zu: etwas machen, aber nicht gleich drüber reden. Find ich super!! Der Textilschwede jedoch macht kleine Schritte, redet aber so, als ob sie das ganze Unternehmen umstellen. Sie handeln also hin und wieder zartgrün, geben sich aber den dunkelgrünen Daueranstrich. Und das kritisiere ich. Weil sich so viele Konsumenten einlullen lassen und nicht merken, dass es dem Textilsvhweden nur ums Geld geht. Wäre das anders, gäbe es durchgehend faire Löhne und echte Biobaumwolle statt BCI. Gutes tun, ja. Aber nicht eine Maus retten und den Menschen erklären, es sei ein Elefant.

  4. Cooler Artikel. Wenn der grund nicht so traurig und wahr wäre, könnt ich mich doch sehr freuen darüber, wie du im Büro ausgeflippt sein musst.
    Meine Frage: hast du eine passable und bezahlbare Alternative parat?
    Ich kenne einige echte nachhaltige Labels und Shops, hätte aber trotzdem mal gerne deinen Tipp. 🙂

  5. Liebe Nunu,

    mein Name ist Hendrik und ich bin bei H&M fuer diesen und auch die Nachhaltigkeitsberichte der letzten Jahre verantwortlich. Ich freue mich natuerlich ueber jedes Feedback wie wir unsere Berichterstattung besser machen können.

    Und tatsächlich hast du Recht, dass wir oft die Steigerung „nachhaltigER“ verwenden. Eine 100%ige Nachhaltigkeit gibt es leider in vielen Bereichen noch nicht oder wir haben sie bislang nicht erreicht. Auch nach den strengsten Standards zetifierte Bio-Baumwolle verbraucht beispielsweise immernoch grosse Mengen Wasser, dafuer aber keine chemischen Pestizide und Düngemittel und erlaubt kein genetisch modifiziertes Saatgut. Die von dir kritisierte Better Cotton verbraucht deutlich weniger Wasser, reduziert den Gebrauch von Pestiziden und Duengemitteln lediglich auf ein Minimum, ist dafuer aber fuer fast alle Baumwollbauern der Welt eine realistische und nachaltigere Alternative zu konventioneller Baumwolle. Nebenbei bemerkt, nutzt H&M heute jedoch tatsächlich mehr zertifizierte Bio-Baumwolle als Better Cotton und ist Textile Exchange zufolge der grösste Abnehmer von Bio-Baumwolle weltweit. (Genauer sind 13.7% unserer Baumwolle heute zertifizierte Bio-Baumwolle, 7.5% Better Cotton – Ziel ist, dass diese beiden gemeinsam mit steigenden Zahlen recycelter Baumwolle bis 2020 100% unserer Baumwollverbrauchs abdecken. Diese Zahlen findest du im Nachhaltigkeitsbericht auf Seite 17, von unabhängigen Auditoren geprüft und im Einklang mit den Anforderungen der GRI G4 Guidelines fuer Nachhaltigkeitsberichterstattung).

    In den meisten Bereichen geht es aber tatsächlich darum, negative Einfluesse zu verringern und positive zu stärken. Daher das Wort „nachhaltigER“, und eben nicht das Versprechen „Wow, Kleidung, bei der alles richtig gemacht wurde“.

    Das 100% perfekte und nachhaltige Kleidungsstueck ist mir bisher noch nicht begegnet.

    Es gibt eine Menge kleinerer Labels, die schon sehr vieles sehr, sehr gut machen und so weit wie möglich diese 100%igkeit erreichen. Das ist toll, aber bisweilen noch ein Nischenmarkt, der noch zu klein ist um zumindest direkt tatsächlich systematische Veränderungen zu bewirken.

    Zwei solcher systematischen Veränderungen, auf die wir bei H&M mit Hilfe unserer Grösse hinarbeiten möchten, sprichst du an – einmal das Thema Recycling von Altkleidern und andererseits unsere „Fair Living Wage“-Strategie.

    Es tut mir leid, wenn diese tatsächlich ganzheitlich angelegten Strategien bei dir beim Lesen des Reports lediglich in tatsächlich klein wirkenden Zahlen angekommen sind.

    Zum Recycling: Unser Ziel ist es, einen geschlossenen Kreislauf für Kleidung zu schaffen. Ein Produkt aus recycelter Baumwolle zum Beispiel hat einen geringeren Umwelteinfluss als Bio-Baumwolle. Am besten, wenn hierbei nicht nur Stoffreste wiederverwendet werden, sondern tatsächlich getragene Kleidung nach einem längstmöglichen Leben in neue Produkte verarbeitet werden kann. Das ist technisch heute noch nicht möglich. Beim mechanischen Recycling von Baumwolle werden die Fäden kürzer und darunter leidet die Qualität. Das wäre leider somit gerade in diesem Sinne auch nicht nachhaltig.

    Was aber bereits geht, ist eine Beimischung von etwa 20% solcher aus Altkleidern recycelter Baumwolle. Hier haben wir im letzten Jahr bereits die ersten Produkte auf den Markt gebracht. Eine Closed Loop Denim-Kollektion. Die Anzahl solcher Produkte möchten wir nun um 300% steigern um so von einer „one-off“-Kollektion weg zu kommen und dies schrittweise zu einem ganz normalen Bestandteil unseres Sortiments zu machen. Und langfristig zum Standard.

    Hierfuer bedarf es weiterer Innovationen um eben von 20%-Beimischung auf 100% zu kommen. Und auch hier sind wir aktiv. Wir investieren direkt in solche Innovation und sind hierzu beispielsweise gerade eine Zusammenarbeit mit dem Start-up Worn Again eingegangen, mit denen wir und die Kering Gruppe derzeit einige spannende neue Recyclingtechnologien testen.

    Innovation können wir auch durch Nachfrage stuetzen. Um diese Nachfrage herzustellen, ist der Zugriff auf grosse Mengen von Altkleidern notwendig. Und genau hier haben wir bereits 2013 begonnen, als wir das heute weltweit grösste Ruecknahmesystem fuer Kleidung im Einzelhandel gelauncht haben. Tatsächlich haben wir hier im letzten Jahr gut 7,600t Kleidung gesammelt. Es ist toll, wenn allein in Österreich weitere 80,000t jährlich ebenfalls nicht auf dem Muell landen. Im UK zum Beispiel enden dort aber nach einer Studie der Organisation WRAP immernoch 31% aller Kleidungsstuecke. Hier möchten wir zum einen eine bessere Alternative anbieten – langfristig aber, und das ist der strategisch wichtige Punkt, eben die Grundlage für einen geschlossenen Kreislauf bilden. Auch ein solch geschlossener Kreislauf wird nicht komplett ohne Umwelteinfluss auskommen, aber ihn massiv reduzieren.

    Ähnlich ist es beim Thema Löhne. Auch hier stimme ich dir voll und ganz zu, dass langfristige, systematische Strategien und eben keine Tropfen auf den heissen Stein nötig sind. Und auch, dass alle Arbeiter in der Textilindustrie fair Löhne verdienen müssen, nicht nur in einigen wenigen Fabriken.

    Und genau dies versuchen wir zu erreichen. Es wäre schön, wenn es so einfach wäre, dass H&M oder wer auch immer einfach mehr Geld zahlt und dies dann zu höheren Löhnen fuehren für alle Menschen entlang der Lieferkette führen würde. So einfach ist es aber leider nicht. Deshalb arbeiten wir daran, Systeme zu etablieren, die Lohnsteigerungen und Tarifverhandlungen fuer alle ArbeiterInnen in der Textilindustrie möglich machen.

    Derzeit testen wir hierzu die „Fair Wage Method“ des Fair Wage Networks in wie du richtig schreibst 3 Modelfabriken. Wie du auf derselben Seite (44) nachlesen kannst, haben wir bereits in diesem Jahr damit begonnen, solche Systeme auf weitere 60 Lieferanten auszuweiten. Bis 2018 möchten wir alle unsere strategischen Lieferanten abdecken und damit etwa 850,000 ArbeiterInnen erreichen – und gleichzeitig ein Model fuer die gesamte Industrie entwickelt, dass eine systematisch relevante Groesse hat um so von anderen uebernommen zu werden und die Gesetzgeber vor Ort einbezieht, etwa um gesetzliche Mindestlöhne und Tarifverhandlungsprozesse anzupassen. Und so letztlich hoffentlich wirklich fuer TextilarbeiterInnen z.B. in Kambodscha, Bangladesch, China und vielen weiteren Ländern zu fairen Löhnen beizutragen.

    Dazu setzen wir uns auch weiterhin fuer steigende Mindestlöhne und fuer Gewerkschaftsfreiheit bei den betreffenden Regierungen ein. Und was mindestens genauso wichtig ist – wir tragen steigende Kosten fuer unsere Lieferanten, die aus steigenden Löhnen resultieren, mit und stehen zu langfristigen Beziehungen mit unseren Lieferanten.

    Auch hierzu findest du zahlreiche Details sowie eine unabhängige Bewertung durch die internationale Gewerkschaft IndustryAll in unserem Nachhaltigkeitsbericht (S. 39-48).

    Und um auch auf die Punkte kurz einzugehen: Die gesamte Conscious Exclusive-Kollektion wurde bei einigen der in unseren Audits am besten abschneidenden Lieferanten in der Tuerkei, China und Indien hergestellt. All dieser Auditergebnisse veröffentlichen wir uebrigens auch, ebenso wie unsere gesamte Liefarantenliste.

    Die Conscious-Exclusive-Kollektion erfüllt tatsächlich auch den Zweck, Aufmerksamkeit fuer nachhaltigere Mode zu erzeugen und zu zeigen, dass diese heute sogar fuer einen Auftritt auf dem roten Teppich taugt und auch nicht unerschwinglich sein muss. Und du hast Recht, sie ist begrenzt. Sie ist aber nur ein kleiner Teil, quasi die Speerspitze unseres gesamten Angebots an „Conscious“-Produkten, die mit einen speziellen Anhänger versehen das ganze Jahr ueber in all unseren Geschäften zu haben sind und einen stetig wachsenden Anteil unseres Angebots ausmachen.

    All diese Massnahmen (und es sind viele mehr) kosten Geld und ob du es glauben magst oder nicht, wir machen es tatsächlich genau wie du vorschlägst: Wir verzichten auf Teile unserer Marge, da wir denken, dass dies sinnvolle Zukunftsinvestitionen sind.

    Wie gesagt, möchten wir hierbei ebensowenig wie im Bericht selber den Eindruck erwecken, dass bereits alles erledigt sei. Es gibt noch viel zu tun. 100%igkeit ist dabei bisher fuer alle schwer zu erreichen, und es gibt sicher kleine Anbieter die hier in manchen Bereichen dichter dran sind als wir. Dafür können wir aber auch Dank unserer Grösse entsprechend grosse und systematische Verbesserungen anstossen.

    Schade finde ich, wenn es letztlich mehr Kritik bedeutet, diese Schritte zu gehen, als es einfach bleiben zu lassen. Dazu gehört fuer uns auch, das Thema Nachhaltigkeit in der Mode auch für Kunden attraktiv und zugänglich zu machen, die sich nicht täglich damit beschäftigen.

    Gleichzeitig möchten wir die Schritte die wir gehen, ebenso wie die langfristigen und ganzheitlichen Ziele dahinter, so transparent wie möglich machen. Dazu ist der Bericht da und wir werden gerne weiter daran arbeiten, diesem Anspruch gerecht zu werden. Wenn du noch weiteres Feedback dazu hast, kontaktiere mich jederzeit gerne.

    Viele Gruesse
    Hendrik

    • Anne Gorke sagt:

      Sehr geehrter Herr Alpen,

      vielen Dank für Ihre ausführliche Antwort, die teilweise auch durchaus interessant und nachvollziehbar ist.

      Ja, der Markt kleinerer ökologischer Labels ist ein Nischenmarkt, diese Labels bauen seit Jahren ein ökologisches Bewusstsein beim Konsumenten auf, zumindest im Ansatz. Dies tun sie auch, indem sie zu 100% nachhaltige Produkte anbieten und dies kommunizieren.

      Und dann kommen große Konzerne wie H&M und merken: der Markt ändert sich, Konsumenten fragen nach. Und anstatt verantwortungsbewusst etwas an der Lieferkette zu ändern, Stück für Stück, da machen Sie erstmal Riesenkampagnen, die den Konsumenten quasi anbrüllen: Schaut, wir machen’s auch ökologisch!! Und das Anbrüllen sieht sehr hübsch aus, zugegeben, Kampagnen kann H&M sehr gut. Und ja, sie erreichen so viel mehr Menschen damit, als all die kleinen Nischenmarktlabels. Und überhaupt erstmal Nachhaltigkeit ins Bewusstsein des Konsumenten zu bringen, ist ein Anfang.

      Aber spätestens hier haben wir ökologische Labels schon keine Lust mehr hinzuschauen und es gut zu finden, was sie machen. Weil Sie ihre Kommunikation so sehr übertreiben, dass es anfängt, gefährlich zu werden. Sie suggerieren Dinge, die der normale und durchschnittliche Konsument nicht hinterfragt. Sie schreiben Organic Cotton Blend, allein dieses Wort lässt einen den Kopf schütteln.. Sie berichten von der Nicht-Duldung von Kinderarbeit und dann, abgesehen von ihrer regulären Produktpalette. bringen Sie sogar in der Conscious Kollektion ein Palettenkleid!! Das ist wirklich nicht in Ordnung, da gibt es auch nichts schön zu reden. Da hilft auch keine Fair Living Wage Nummer. Und ihre Basics? Fast alle sind Made in Bangladesh. Bei aller Liebe, bei allem Verständnis für die komplexe Lieferkette eines so großen Unternehmens: TShirts für 4,99 € stimmen einfach nicht, das ist auch nicht in Ordnung.
      Und dann kommen ihre Organic Cotton Shirts. Die werden auch super beworben, da denke selbst ich, immerhin, ein kleiner Schritt, die Arbeiter in Bangladesh sind dann zwar immer noch teilweise in Lebensgefahr, während der Fertigung, aber immerhin…

      Aber dann muss ich wieder diese Gespräche führen, warum meine ökologischen und nachhaltigen Produkte so viel kosten. Dass es schlimm ist, wenn Menschen wie ich durch Organic Clothing und Eco und so weiter einen Reibach machen wollen, weil sie deswegen die Preise hochschrauben, denn H&M zeigt es ja, organic geht auch günstig. Eco muss nicht viel kosten, sieht man ja bei H&M.
      Wenn ich diese Gespräche mit Endverbrauchern führe oder ähnliche Diskussionen in gekauften Blog-Beiträgen lese, dann denke ich an ihre Nachhaltigkeitskampagnen und verfluche sie, trotz der positive Aspekte wie „einen Anfang machen“ oder „ein Bewusstsein schaffen“.

      Weil sie einfach so sehr über das Ziel hinausschießen und zusätzlich zu den größtenteils fragwürdigen Bedingungen ihrer Textilproduktion auch noch ein allerfeinstes und omnipräsentes Hochglanz-Green-Washing betreiben..

      Das finde ich sehr schade und nimmt Ihren, vielleicht wirklich ernst gemeinten, Bemühungen alles Positive.

      Mit freundlichen Grüßen
      Anne Gorke

  6. […] mich halt weiterhin auf – weil ich weder ihre Strategie gut find, noch ihre Kommunikation, die find ich sogar ganz furchtbar. Vor ein paar Tagen gabs schon ein kurzes “oho!” – auf meinen Kommentar auf […]

  7. […] welcher Personen es waren, die ihre Conscious-Pailletten-Kleider genäht haben. Siehe HIER) Kunden sehen nur “H&M, Nachhaltige Kollektion” kombinieren das mit ihrem Wissen […]

  8. […] Paillettenstoff für die Conscious Collection entsteht (das Thema lässt mich immer noch nicht los. Pailletten in einer “nachhaltigeren” Kollektion, verheerend in der Aussagekraft für jene, die sich mit fairer Mode auskennen). Und aufrechnen, […]

  9. […] nebenbei) und ich werd sie mir jetzt mal zu Gemüte führen. Bin gespannt, wann ich über die erste Conscious-Collection-Anzeige stoße 😉 So, und ihr, ihr schaut weiterhin, was man der Kirsche noch so alles abkaufen könnte, […]

  10. […] dann ein. Für heute sind meine Nerven schon zu strapaziert. Wenn die mir dann wieder mit einem Paillettenkleid kommen (und mir auf mehrfache Nachfrage nicht sagen, wo das Kleid produziert wurde), kann ich für […]

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