Ich schreib ja hin und wieder über die Frau Kaller Senior (wobei, angesichts meiner leicht verwirrten, aber quicklebendigen 95-jährigen Großmutter ist sie eher Frau Kaller Medium, aber das klingt so gemein). Auch in meinem Buch spielt sie eine tragende Rolle, und ich schwöre, alles, was da drin steht, ist so passiert und hat sie so gesagt. Freundinnen meiner Mutter riefen mich nach Veröffentlichung des Buchs an und lachten mir ins Ohr, dass ich Mama sowas von komplett erwischt hätte, so treffend beschrieben, dass sie sie förmlich beim Lesen reden gehört hätten. Ich liebe meine Mama sehr, erstens, weil sie eine unfassbar starke und patente Frau ist, und zweitens, weil sie absichtlich, aber auch oft unfreiwillig unglaublich komisch ist. Nur den Flugkommentar hab ich ihr noch nicht ganz verziehen: Ich flog in nach New York, sie meinte beim letzten Telefonat davor: „Ein SMS halt, wennst angekommen bist. Wobei, wenn so ein Vogel abstürzt, hört man das eh.“ Trocken wie Mehl. Auch die Tatsache, dass sie früher bei einem TV-Auftritt die halbe Familie vorher angerufen und informiert hat, und heute meine Auftritte entweder verschläft oder mit einem „Müde hast ausgschaut“ kommentiert, spricht für sich. Und meine liebste Geschichte: Mama spaziert ihn Griechenland in ein Cafe, in dem nur Männer hocken, und bestellt gedankenlos einen türkischen Kaffee. Ich war nicht dabei, bin aber gelegen vor Lachen, sowas ist ihr nicht peinlich.
Ich weiß zwar, dass sie stolz ist auf mich, aber so ganz von meiner Sache überzeugen konnte ich sie noch nicht. Sie schaut beim Einkaufen nicht zwingend auf Bio (bei Lebensmitteln hab ich sie inzwischen immerhin zum Bio-Hendl überredet, aber das ist schon eine Weile her, ich wette, dass sie das schon wieder vergessen hat), ihre Nähmaschine, genau die, deren Weitergabe an mich sie mit den Worten „Aus meinen kalten Händen kannst sie mal haben“ abgesagt hat, hat sie selbst seit ca. diesem Gespräch wahrscheinlich selbst nicht mehr in der Hand gehabt (und das war 2012!), und was die Tochter eigentlich beruflich jetzt genau macht, ist ihr meinem Verdacht zufolge bis heute nicht vollends klar. „Deee-tox? Was? Chemikalien? Ah, Fetzen!“ (Das ist jetzt kein wörtliches Zitat, fasst aber einige unserer Gespräche der letzten zwei Jahre inhaltlich zusammen).
Aber jetzt ist alles klar, ich kann hier zumachen. Ich hab alles erreicht, was es zu erreichen gibt – und am vergangenen Mittwoch den höchsten Gipfel zufälligerweise erklommen:
Frau Kaller Senior kauft Biomode. Ok, etwas unabsichtlich, das Ganze, aber immerhin. Sie, die mir als Kind gutes Konsumverhalten und Hausverstand eingeimpft hat, ersteres selbst aber streckenweise verlernt hat, geht ohne vorherigen töchterlichen Hinweis in einen Laden mit Biomode, kauft einen Pulli und schwärmt mir von den feschen Sachen dort am Telefon vor. Gut, ein bissl angeschoben wurde sie schon, sie begleitete eine Freundin, der Biomode doch um einiges wichtiger zu sein scheint und die daher in diesen Laden wollte.
Im All Nature im ersten Bezirk gibt es zwar nicht nur Bio-Mode, und ich habe den zarten Verdacht, dass die Frau Mama nicht bewusst zur Biokollektion gegriffen hat, aber hey! Es zählen die kleinen Schritte! Vor ein paar Monaten hat sie sich auch eher versehentlich eine Brille made in Austria gekauft.. „Andy Wolf heißt die. Kennst du den?“. Mir ist die Klappe runtergefallen. Und nein, Köllnerhofgasse und Andy Wolf vermitteln jetzt ein falsches Bild – bei uns gibts die Silberlöffel nur, weil die Mama sie bei einem Altwarenhändler gefunden und selbigen wahrscheinlich so weit beinhart runtergehandelt hat, dass der nur in den Verkauf eingewilligt hat, damit er sie los ist.
Und jetzt mach ich was, was ihr vielleicht nicht recht sein wird, aber ich tu es trotzdem. Ich poste ein Foto von ihr. Und wenn sie will, dass ich es runtertu, muss sie ein bissl Geduld haben, weil ich ja gerade am Weg nach Taiwan bin und nicht weiß, wann ich wieder gscheites Internet hab, bin da schon eine Zeit lang unterwegs. Aber: Ich mag mit 67 und nach überstandener Krebserkrankung auch so ausschauen. Darwin hat mir aber mehr von Papas Genen in den persönlichen Pool gemischt… Diese Haare sind nicht gefärbt, während Bruderherz, mit dem ich mir Haarstruktur (aktuell) und Farbe (früher mal) teile, mit Mitte 40 bereits grau wird. Ich bin so neidig. Auf die Mama. Nicht auf den Bruder.
Die Frisur ist übrigens auch so eine Sache: Seit ein, zwei Jahren sind Sidecut und Undercut totaaaal in und Hipster und überhaupt, meine Mama trägt die Haare seit Jahren genau so, und von einem Hipster ist sie so weit entfernt wie ich von einem Ford Mustang 😀 Das mag ich an ihr: Etwas gefällt ihr, sie machts, meilenweit entfernt von jeglichem Trendgewabere. So funktioniert Stil. Und wenn zum Stil jetzt Bio dazu kommt, dann bin ich einfach nur noch stolz. Gell, Mama? 😉

(c) Eines der Bruderherzen, ich weiß aber nimmer, welches. Die Kamera hat an dem Tag die Runde gemacht. Das Oberteil ist übrigens aus der Helene-Fischer-Kollektion von Tchibo. Wer die Frau Fischer ist, weiß sie sicherlich nur aus den Seitenblicken, musikalisch ist das nicht ihre Welt. Produktionstechnisch habe ich eh mit ihr geschimpft, aber sie meinte nur, dass es fesch sei. Seht ihr, warum ich den Bio-Pullover-Kauf so revolutionär find? 🙂
Gefällt mir! Ich hab meine Mama dazu gebracht, Anukoo in ihre kleine Boutique in Little Vorau in der Oststeiermark aufzunehmen. Seit ich bei FAIRTRADE mein Praktikum gemacht habe (2009) gibt es (fast) nur mehr FAIRTRADE-Bananen daheim in St. Eiermark und Frau Mutter geht mittlerweile unglaublich gern in den Weltladen einkaufen. Auch meine bessere Hälfte grieft mittlerweile im Supermarkt (gelegentlich verirren wir uns doch noch hin) ganz von allein zu Bio-Lebensmitteln. Er liebt aber den Bio-Markt noch viel mehr. Das sind meine größten Erfolge bislang. Und das zeigt mir: reden wirkt. Es dauert zwar, aber irgendwann werden die Erfolge sichtbar.
[…] gestanden. Eine Mieterin wollte sie also einfach wegwerfen. Da hatte sie die Rechnung aber ohne meine Mama gemacht, pah, Mama redete tagelang nur davon, wie man denn bitte so tolle Taschen wegwerfen kann. Diese […]
Eine tolle Mama hast du. Und schön, dass du sie genauso motivierst und inspirierst wie sie dich…