Warum tun die das?!

Es ist doch echt zum Jungekriegen. Da schränkt man sich selbst immens ein und beschließt, so gut es geht, nur noch Bio und Öko und Fair beim Kleiderkauf. Ja, da muss man suchen. Da gibt es nicht so viel Angebot wie bei den konventionellen. Weder online, wo man von Zalando gerade überrollt wird, noch offline – auf der Mahü reihen sich die Marken aneinander, sei es die wahre Mode, sei es der bunte Spanier, sei es der Textilschwede, seien es die zwei Buchstaben aus Deutschland.

Hessnatur könnte echt eine Alternative sein. Die haben viel, theoretisch kann man eine ganze Familie komplett versorgen. Ein paar Sachen schauen sehr ökoschlapfig aus, einige aber gar nicht.

Aber leider. Hessnatur wird von mir noch mehr boykottiert als der Textilschwede und die anderen Verdächtigen. Warum? Die Geschichte dürfte bekannt sein: Die Besitzer verkauften an einen Investor, der auch noch ganz andere Sachen macht, die ganz und gar nicht Öko oder fair sind. Die Mitarbeiter von Hessnatur fanden das nicht sehr leiwand – weil Hessnatur ursprünglich mehr sein sollte als einfach nur ein Online-Anbieter. Es ging hoch her, und mündete in einer einstweiligen Verfügung gegen die ehemaligen Mitarbeiter von hessnatur. Ich meine, what the what??! Schlechter Stil, würde ich sagen. Ich schreibe jetzt besser öffentlich nicht hier, welche Aktionen ehemalige Vorgesetzte von mir teilweise geliefert haben, aber von den hessnatur-Chefs waren sie wahrscheinlich noch Welten entfernt.

Und jetzt? Jetzt haben hessnatur und die Menschen hinter wir-sind-die-konsumenten.de einen Vergleich unterzeichnet. Hessnatur klagt nicht mehr sofort, und wirsinddieKonsumenten darf drei strittige Vorwürfe nicht mehr formulieren.

Ich zitiere aus dem Newsletter, den mein lieber Kollege mir weitergeleitet hat, der aber auf deren Homepage auch zu lesen ist:

Ganz unleugbar verstoßen wir damit nun gegen unsere eigenen Grundsätze. Auf die Abmahnung vom 2. Oktober 2012 hatten wir nämlich zunächst öffentlich erklärt, die Frage nach der Wahrheit nicht zum Gegenstand eines Handels zu machen, weil die Wahrheit nur das freie Gespräch vertrüge. In diesem Sinn boten wir Hessnatur an, deren Sichtweise auf unserer Webseite ebenfalls zu veröffentlichen, und gemeinsam den objektiven Sachverhalt herauszufinden. Hessnatur ließ sich darauf nicht ein, und erwirkte stattdessen eine Verfügung gegen uns. Das Landgericht Frankfurt hob die Verfügung jedoch wieder auf, nachdem der Richter Zweifel am Wahrheitsgehalt einer eidesstattlichen Versicherung von Marc Sommer geäußert hatte. Dass wir uns nun, trotz des gewonnenen Verfügungsverfahrens, auf einen Vergleich eingelassen haben, könnte also manchem Unterstützer unverständlich erscheinen. Wir möchten Ihnen deshalb unsere Gründe erklären:

Einen Tag, nachdem das Landgericht Frankfurt für uns entschieden hatte, erreichte uns ein Brief von Marc Sommer. Der Hessnatur-Geschäftsführer erklärt darin, weitere Prozesse anstrengen zu wollen, die für beide Seiten eine erhebliche „finanzielle Belastung“ darstellen würden, falls wir nicht die ursprüngliche Unterlassungserklärung unterzeichneten. Wir begriffen natürlich, dass die finanzielle Belastung eher auf unserer Seite, als auf Seiten des Investors ins Gewicht fallen würde. Unser Rechtsanwalt Jakob Janitzki klärte uns darüber auf, dass ein Hauptsacheverfahren mehrere Jahre beanspruchen könnte – Zeit, in der unsere Kräfte an diesen Streit gebunden wären. In dieser Situation mussten wir tatsächlich Kosten gegen Nutzen abwägen. Und wir fanden, dass auf der Nutzen-Seite eigentlich nicht viel stand. Bestenfalls könnten wir nach etlichen Jahren die Möglichkeit gewinnen, die drei Äußerungen zu wiederholen – nachdem Hessnatur längst weiterverkauft wurde, und wir inzwischen wenig Konstruktives hätten beitragen können. Also haben wir zwar nicht die Unterlassungserklärung unterzeichnet, aber doch nach langwierigen Verhandlungen einen Vergleich erreicht, mit dem beide Seiten leben können.

Übersetzt heißt das: Hessnatur hat einfach nur gedroht, die gegnerische Partei in Grund und Boden zu klagen – finanzierbar für den großen Ökoversand, nicht finanzierbar für Wir sind die Konsumenten.

Offen bleibt die Frage, wie die Bedürfnisse der kritischen Kunden befriedigt werden können, die mit ihren Zahlungen weder einen Private-Equity-Fonds wie Capvis, noch den einstigen Arcandor-Vorstand Marc Sommer unterstützen möchten. Viele wollen weiterhin, dass die Genossenschaft hnGeno den einstigen Ökopionier übernimmt und erklären auf wir-sind-die-konsumenten.de, dann auch wieder bei Hessnatur zu bestellen. Außerdem häufen sich Anfragen ehemaliger Kunden, ob die Genossenschaft denn nicht ein Alternativ-Unternehmen gründen könne, um die Versorgungslücke selbst zu schliessen. Tatsächlich prüft die hnGeno gegenwärtig die Möglichkeiten für den Start einer Alternative zu Hessnatur – „um die Wartezeit zu überbrücken“, wie ein Sprecher der Genossenschaft erklärte. Noch in diesem Jahr soll das Startup der Öffentlichkeit präsentiert werden. Nichtsdestotrotz halte sie aber an ihrem Plan fest, Capvis bei Hessnatur abzulösen.

Als Betreiber von wir-sind-die-konsumenten.de haben wir selbst keinerlei „persönliches“ Interesse an der hnGeno. Mit dem Portal wollen wir vielmehr Ihnen als Verbraucher die Möglichkeit geben, Ihren selbständigen „Konsumentenstandpunkt“ sichtbar zu machen. Wir sehen die Gestaltungsmöglichkeit für eine solidarische Wirtschaft nämlich gerade im Dialog zwischen selbständigen Interessensvertretungen, und eben nicht in einer Vermischung der Interessen. So wenig, wie wir einem von Hessnatur gewählten „Kundenrat“ beitreten, genau so wenig werden wir uns andererseits mit Kritik an der hnGeno zurückhalten. Einkaufen werden wir selbst letztendlich bei demjenigen Anbieter, dem wir das Vertrauen entgegenbringen können, dass dieser sich aktiv um eine Vertiefung und Weiterentwicklung des Fair-Trade-Gedankens bemüht. Walter Strasheim-Weitz, ehemaliger Betriebsratsvorsitzender von Hessnatur und Gründungsmitglied der hnGeno, erklärte indes, dass man sich bei der Genossenschaft genau diese Selbständigkeit der Kunden wünsche: „Es ist gut, wenn uns jemand auf die Finger schaut. Wir brauchen uns nicht zu verstecken.“

Ich freu mich auf das Alternativportal. Hessnatur hat ein grandioses Marketing derzeit, das muss man echt sagen. Aber gerade bei ihnen schaut man sehr schnell dahinter. Und das, was dahinter steht, finde ich inzwischen sehr unsympathisch. Warum tun die das nur?!

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4 Gedanken zu „Warum tun die das?!

  1. Warum die das tun? Weil bei Hessnatur jetzt Leute das Sagen haben, denen es nur ums Geld geht, nicht um irgendwelche Ideale. Die haben Ökomode schlicht als wirtschaftlich interessantes Segment identifiziert (weniger Preisdruck, weniger Konkurrenz, wachsendes Verbraucherinteresse … )

    Und jetzt agieren die da so, wie es halt ihrem Geist entspricht und wie sie es in jeder Branche tun würden. Denen ist es komplett egal, was sie herstellen oder womit sie handeln, solange es sich rechnet. Ökomode ist nur ein Bereich im Portfolio. Und das sie „zu den Bösen“ gehören, heißt ja noch lange nicht, dass sie nicht verdammt gut in ihrem Geschäft sind. Zu einem grandiosen Marketing gehört nur ein guter Stratege in der GF oder im Marketing und eine gute Agentur. Man kann geniales Marketing für quasi alles machen – auch wenn man persönlich nicht dahinter steht.

    Solte Ökomode weiter wachsen, ist das sicher nicht der letzte derartige Fall.

    Wenn es einem nicht nur um die Ware selbst geht, sondern auch um eine bestimmte Wirtschaftsethik, darf man Hessnatur eben nicht kaufen. Vielleicht passiert ja auch genau das. Wenn die Jungs von Hessnatur das nicht auch befürchten würden, wären sie ja nicht so fuchsig mit ihren Unterlassungsklagen. Die haben einfach Schiss um ihr schönes Image, das de facto ja den Hauptwert des Unternehmens darstellt.

    Jetzt liegt es an den Konsumenten. Also an uns.

  2. […] finde ich noch diesen Parka sehr schön, aber… Hessnatur, geht einfach nicht. Wobei: Liebe LeserInnen, ich habe so etwas in kurz, als Jacke mit großem […]

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