Tausche Shopping gegen Job

So. Jetzt sind wir fast zwei Wochen unterwegs, und ich hab ein paarmal über Läden geschrieben, in denen ich drin war. Was ich hier jedoch viel spannender finde: Die ganzen Läden, in die ich vor ein paar Jahren noch hineingerast wäre, doch jetzt einfach nicht mehr reinwill. Die Namen lassen sich gar nicht aufzählen, es sind so unglaublich viele Marken hier mit eigenen Läden vertreten, und dann auch noch viele gesammelt in Shoppingzentren – unglaublich. Von Los Angeles aus Richtung Las Vegas (zu diesem Wahnsinssmoloch an Stadt komme ich ein andermal noch, es ist wirklich unfassbar. Ich glaub, ich hätt einen kleineren Kulturschock, wenn ich mich irgendwo in den Regenwald zu einem indigenen Volk begebe) sind wir eine mitgestoppte halbe Stunde auf der Autobahn NUR an Shoppingzentren vorbeigefahren. Kein Scheiß! Eine halbe Stunde bei 95 km/h, auf beiden Seiten der Autobahn. Wer kauft so viel?! Und nuuuuur billiger Massenscheiß. Vieles in Südamerika produziert, aber auch sehr viel aus Vietnam, Kambodscha, Bangladesch. Wirklich. Geht man in ein so ein Zentrum, dann findet man dort 80 Prozent nuuuuuuur billige Modeläden. Alles ist Shopping shopping shopping. In Monterey suchten wir ewig nach einem Parkplatz, beschlossen dann, uns einfach auf den eines Einkaufszentrums zu stellen. Der Parkplatzwächter erklärte: Es ist nicht möglich, per Stunde zu bezahlen. Entweder 20 Dollar am Tag oder Sie gehen da hinein und kaufen ein. Die Rechnung gilt als Parkschein für zwei Stunden, egal, wie hoch die Rechnung ist. Das Günstigste, was wir auf die Schnelle finden konnten, waren Schuhbänder, zwei Dollar. Und wenigstens werden die gebraucht (und dann kam die Frage: Gibts eigentlich faire Schuhbänder?!).

So, ich weiß gar nicht, was ich jetzt noch schreiben wollte. Ich bin gerade komplett überfordert von diesem Massenangebot. In den Städen: Shops Shops Shops. An den Stadträndern: Shopping Centers en masse. Und dann hört man: Die Krise hier, die Krise da, extrem viele Häuser stehen zum Verkauf, und so wie jedes Mal in den USA bin ich schockiert, wie viele Obdachlose es gibt, und wie fertig die aussehen. Aber geshoppt wird wie verrückt. Schon klar, die Wirtschaft muss leben und wenn nicht geshoppt wird, ist alles ja noch viel schlimmer. Aber irgendwie ist das in meinem Kopf nicht logisch – das Geld bleibt ja nicht exklusiv im US-Kreislauf? Gut, die Produktion in den Billiglohnländern ist günstig, so viel Geld geht davon wohl nicht weg, mehr bleibt im Land in Form von Marketingaktivitäten usw. Wenn es sich denn um US-Firmen handelt (Zara oder den Textilschweden gibt es hier auch). Aber die vielen, vielen Jobs, die es hier in den Staaten geben könnte. Der Platz ist da, die Menschen sind da, man muss ihnen doch Arbeit geben, anstatt Humankraft einfach mal so ins Ausland zu verschaffen, weils billiger ist. Da wundert mich die gestiegene Arbeitslosigkeit nicht.

Nein, ich bin nicht naiv und stelle das jetzt erst fest, aber ich kriegs grad täglich sehr frappierend ins Blickfeld geschoben: Auf der einen Seite werden die Leute auf Shoppingshoppingshopping gedrillt – noch dazu kann ich mir nicht vorstellen, dass ein Großteil der Leute Dinge kauft, die sie brauchen, sondern ich glaube, die kaufen einfach nur, weils ablenkt, auf der anderen Seite gibt es immer weniger Jobs, die einem das notwendige Geld besorgen könnten. Es geht nicht nur um die armen NäherInnen in Billiglohnländern, die ausgenutzt werden und keine menschenwürdigen Bedingungen in den Fabriken vorfinden, es geht auch um die Leute auf der anderen Seite der Kapitalismusmedaille, die aufgrund dieses kranken Systems keine Jobs, keine Versicherungen haben. Das kann doch so nicht weitergehen!  Je mehr von diesen Einkaufszentren ich sehe, desto geringer wird meine Lust, mich in die Nähe von diesen konventionellen Shoppingmöglichkeiten zu begeben.

Ps: Irgendwie muss ich permanent an manomama denken, die in Deutschland für Deutschland produzieren, bio und fair. Die (unglaublich vielen) Arbeitslosen hier würden Sina die Bude einrennen, glaub ich. Und ich habe das Gefühl, den „Auftrag“ hinter manomama gleich nochmal besser zu verstehen. Es ist wirklich ein fürchterlicher und absurder Kreislauf, der hier in den USA herrscht.

8 Gedanken zu „Tausche Shopping gegen Job

  1. bel sagt:

    Hallo nunu,
    ich lese dein blog mit viel vergnügen.
    Zu deinen gedanken über die amerikanische shopping-welt hab ich hier einen artikel aus der monde diplomatique vom märz, den ich heute morgen gelesen hab und der mir sofort dazu einfiel. Besonders das letzte drittel passt…

    http://www.monde-diplomatique.de/pm/2014/03/14.mondeText.artikel,a0012.idx,5

    gruß bel

  2. MarieAnn sagt:

    Hallo Nunu,
    habe mit Interesse deinen Bericht gelesen und kann deinen Überlegungen nur Zustimmen!
    Früher haben mich diese Shoppingzentren auch fasziniert, doch seit ich mich mit den Hintergründen beschäftige, ist dieses Shopping nur noch irrsinnig für mich.
    Und diese unglaubliche Verschwendung und Umweltverschmutzung….
    LG MarieAnn

  3. spreemieze sagt:

    Oh ja, das kenne ich. In meiner Zeit in Chicago war ich auch fast immer Shoppen und hab in den 1,5 Jahren meinen Kleiderschrank einmal komplett ersetzt. Aber es gab auch kaum Alternativen. Spazieren gehen war schon so eine Sache in Chicago, weil es dort eben keiner tut und von Strasse zu Strasse auch gefährlich werden kann. Ständig essen gehen, mochte ich auch nicht..da blieb oft shopping…

  4. Es ist leider so: Man kauft nicht mehr, weil man etwas Neues braucht, weil das Alte zerschlissen ist. Man kauft um des Kaufens Willen, zur Beschäftigung gegen Langeweile, zur Belohnung oder um sich von der nicht artgerechten Haltung in Wohnsilos oder tristen Siedlungen abzulenken.

  5. Diese amerikanischen Probleme, also jede Menge Leute, die keine oder nur noch supermies bezahlte Jobs bekommen, weil alles in Billiglohnländer verlagert wird, haben wir doch auch. Bei uns wird es nur nicht so krass augenfällig, weil wir (noch) ein besseres Sozialsystem haben. Heißt, hier füttert die Gesellschaft, aka Steuerzahler, die Verlierer (und das meine ich jetzt nicht diskrimierend) durch, während sich gewisse Unternehmen die Taschen füllen,

    Schon allein das ist ein Grund, dort nicht zu kaufen. Ist doch schon interessant, dass auffällig viele der reichsten Deutschen ihr Geld mit Textilien verdienen.

    Sina Trinkwalder ist eine der wenigen, die das Pferd mal konsequent von der richtigen Seite aufzäumen. Das ist meines Erachtens die beste Strategie: hier in Deutschland/Mitteleuropa wieder produzieren und gleichzeitig die Löhne und Arbeitsbedingungen in den Billiglohnländern verbessern. Dann wird Europa wieder interessanter und die Leute vor Ort gewinnen auch. Wenn die mehr verdienen, können sie endlich mal für sich selber und ihren Heimatmarkt nähen. Genug Leute gibt’s da allemal. Eigentlich brächten die uns als Absatzmarkt gar nicht, wenn sie selber genug Kaufkraft hätten.

    Aber mit einem wäre dann natürlich Schluss: mit Fast Fashion zu Billigpreisen. Endlich 😉

    Liebe Grüße

  6. Shoppen als Lebenssinn, grauenhaft…

  7. […] Ich habs auch schon mal beleuchtet, dieses Problem auf der Kehrseite der Modeproduktionsmedaille. Das Fazit aus billiger und mehr ist nämlich weniger. Weniger Qualität (no na), aber vor allem: weniger Jobs, und die Jobs, die es dann noch gibt, scheiße bezahlt. Und dann raunzt Bürger und Politik, dass es keine Mittelschicht mehr gibt. Es mag zwar kein hoher Prozentsatz sein, aber einen Teil dieser Suppe haben die BürgerInnen sich durch ihr Einkaufsverhalten selbst eingebrockt. […]

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