Was war denn das gestern bitte? Das fünfte Tor habe ich nicht mitbekommen, obwohl ich vor der Glotze saß, unfassbar. Und ja, es war fair, dass die Deutschen gewonnen haben. Ausgestattet werden die Deutschen von dem deutschen Unternehmen Adidas – die kürzlich eingewilligt haben, 99 Prozent ihrer Produkte PFC-frei zu produzieren. Soweit, soviel Ökologie, aber: Fair? Naja. Es gibt zwar Verbesserungen, aber der Weg ist noch sehr weit.
Was mich manchmal beschäftigt: Welches Bild haben jene, die an der Situation in der Textilindustrie interessiert sind, eigentlich von den ArbeiterInnen in den Billiglohnländern? Viele stellen sich ja dabei Frauen vor, die nicht schreiben können, zum Arbeiten in die Stadt geschickt werden und ihr Leben zwischen Arbeit (viel) und Schlafen im Slum (wenig) verbringen. In einigen Fällen liegt das wahrscheinlich nicht gar nicht so weit weg, aber es ist eben nicht das gesamte Bild.
Die NGO „Labour behind the Label“ hat etwas gemacht, was ich mir seit langer Zeit wünsche: Sie lässt ArbeiterInnen bloggen. Zum Beispiel Sokhan:
Ich heiße Sokhan Chroeng, ich bin 27 Jahre alt und wurde nach meinem Großvater benannt. Der Name bedeutet “Süßer Nachtisch”. Ich bin in einem Dorf in ländlicher Umgebung in der Kandal Provinz aufgewachsen, so wie viele Kambodschaner. (…) Sechs Tage die Woche stehe ich um 5.30h auf, dusche, frühstücke und mache mich auf den Weg zur Arbeit um 7.00h in die Bowker Factory.Ich arbeite bis um 16.00h, wenn wir nicht gerade eine enge Deadline vor uns haben. Aber wenn Überstunden anstehen, bin ich nicht vor 18.00h fertig. Mein Job ist das Schneiden der Stoffe für Tops und Hosen, meine Abteilung ist eine von vielen. Sobald ich mit dem Schneiden der Stoffe fertig bin, werden diese weiter zum Nähen gebracht und landen dann schließlich in der Endbearbeitung, bevor sie an die Geschäfte in Großbritannien, Europa und Amerika gehen. Die Arbeit ist sehr schwer. Ich verdiene nicht genug, um angemessen zu überleben und stehe ständig unter Druck. Auch wenn die Arbeit offiziell um 16.00h endet, machen wir oft Überstunden und obwohl die ja eigentlich optional sind, bekommst du eine ernst gemeinte Warnung, wenn du nicht kannst; und wenn du öfter als ein paar mal ablehnst, verlierst du den Job. Wenn ich krank bin, brauche ich ein Attest vom Arzt, um entschuldigt fehlen zu können und es gibt keine Garantie, dass man ein Attest bekommt. Wenn es nur für zwei Tage ausgestellt ist, dann muss man danach auf jeden Fall wieder zur Arbeit gehen, unabhängig davon, wie krank man eigentlich noch ist.
Sokhans Geschichte kann man hier weiterlesen.
Sehr spannend auch die von Van Piseth:
Bei New Orient machen wir T-Shirts und Jacken für Adidas. Es gibt viele Abteilungen mit unterschiedlichen Arbeitsschritten wie Schneiden, Nähen, Endbearbeitung, Verpackung und Lagerung. Damit mache ich ca. 140 Euro im Monat. Um mein Einkommen aufzubessern, musste ich zusätzlich noch ein kleines Gewerbe aufziehen. Die Gewinne variieren stark, aber die laufenden Kosten sind sehr hoch. So gebe ich zum Beispiel alleine für Kommunikation im Monat ungefähr 45 Euro aus. Die Schule für meine Tochter ist auch teuer und wir müssen die Miete zusammen bekommen und genug zu essen haben. Wir Arbeiter und Arbeiterinnen haben nie genug Geld, um davon gut zu leben. In der Fabrik habe ich viele Freunde. Die Arbeiterinnen und Arbeiter werden in Produktionslinien aufgeteilt und es ist schwierig für uns, mit allen zusammen zu sein, weil es nicht erlaubt ist, die Produktionslinien zu verlassen. Aber innerhalb unserer Reihen sind wir eng beieinander. Wir machen untereinander Witze und ich mag meine Kolleginnen und Kollegen, weil wir sehr ehrlich und direkt zueinander sind.
Die ganze Geschichte von Van Piseth und seiner Familie steht hier.
Und auch Sarin berichtet aus ihrem Leben:
Ich bin bis zur 7. Klasse zur Schule gegangen, das ist hier noch eine Klasse nach der Grundschule. Meine Eltern waren Bauern und ich brach die Schule ab, um bei ihnen mitzuarbeiten. Ich half ihnen in den Reisfeldern, bis ich 19 Jahre alt war. Mit 19 heiratete ich meinen Mann und zog zu ihm und seiner Familie nach Phnom Penh. Als ich 20 war, kam unser Sohn auf die Welt. Unsere Tochter kam ein paar Jahre später. Als sie drei Jahre alt war, begann ich als Hilfsarbeiterin auf Baustellen zu arbeiten. Später fand ich Arbeit als Strickerin, am Schluss landete ich in einer Textilfabrik. Ich bin jetzt seit mehr als 10 Jahren in Phnom Penh. Es hat sich in der Zeit nicht viel verändert, außer dass das Leben irgendwie immer schwieriger wird. Die Mieten sind angestiegen, das Studium meiner beiden Kinder – jetzt 22 und 18 Jahre alt- ist eine finanzielle Belastung.
Sarins Erzählungen aus der Schuhfabrik, in der regelmäßig die Leute wegen der chemischen Dämpfe umkippen: Hier.
Der Grund dieser Initiative: Adidas soll bitte Living Wages bezahlen. Da bin ich dafür, aber sowas von. Ihr auch?
Das mit dem Arbeiter/innen Texte verfassen lassen, finde ich eine super Idee