Ein guter Tag hat 100 Punkte

Und wieder einen Lesetipp für euch: „Ein guter Tag hat 100 Punkte“ von Thomas Weber. Im Biorama wurde schon vor einiger Zeit das entsprechende Konzept, das Weber in seinem Buch behandelt, vorgestellt: Alltagstätigkeiten und Produkte werden von relativ komplexen CO2-Ausstoßs-Unnachhaltigkeitszahlen runtergerechnet auf Punkte. 100 Punkte ist der Wert, den man nicht überschreiten sollte, wenn man nachhaltig leben will. Zehn Kilometer Radfahren hat null Punkte, zehn Kilometer mitm Polo 16, zehn Kilometer mitm Porsche Cayenne 53. Die Punkteaufzählung zieht sich durchs ganze Buch  – und spätestens auf Seite 120 wird klar: Ich hab eigentlich auf Jahrzehnte ausgschissen. Warum? Weil ein Langstreckenflug (derer ich im Laufe der letzten zehn Jahre einige getätigt habe) 34485 Punkte verbraucht. Und dass ich allein schon durch meine Gasheizung (38 Punkte pro Tag aufs Jahr gerechnet) mir verdammt schwer tue, die 100 Punkte zu erreichen. Aber ich finde es trotzdem erstens unglaublich spannend, die Alltagstätigkeiten mal so runter zu rechnen, und zweitens ist genau diese tägliche Zählung das Feine: Man kann es jeden Tag neu versuchen, zu schaffen – und sollte sich eben nicht von den Langstreckenflügen fertigmachen lassen. Was ein bisschen schade ist: Abgesehen von den vielen Illustrationen gibt es keinen Gesamtüberblick der berechneten Tätigkeiten und Produkte. Den kann man dafür hier nachschauen. Wirklich spannend ist jedoch was anderes: Die Tipps, die er zu nachhaltigem Leben gibt, gehen weit über den klassischen bewussten Konsum hinaus. Im Vorfeld gabs schon etwas Aufregung aufgrund seiner doch etwas gewagten, aber nachvollziehbaren Thesen zum Fleischkonsum („esst Pandabären!“ – jetzt nicht erschrecken, sondern nachlesen. Interessanter Ansatz, und kein Pandabär landet dafür im Kochtopf), mich überraschen viel mehr einige andere Tipps, die er gibt.

So rät er, in Lokalen, die das anbieten, einen Kaffee für andere, die ihn sich nicht leisten können, zu bestellen (im Dellago geht das zum Beispiel).

Oder, in diesen Lokalen nach der Herkunft der Lebensmittel zu fragen (im Dellago sind die Bioprodukte übrigens klar auf der Speisekarte deklariert *hüstel*).

Bücher, die man nicht mehr liest, in öffentliche Bücherschränke zu geben (da gibts einen Ecke Westbahnstraße/Zieglergasse glaub ich, da stehen immer Leute dort. Und im Dellago gibts übrigens auch ein Regal, wo man die Bücher hinbringen kann …okok, ich hör schon auf, aber wenns halt wahr ist…)

Weber, selbst Journalist, rät dazu, die Filterblase aufzubrechen und nicht mehr nur die Artikel zu lesen, die einem durch die Timeline auf Facebook und Twitter von Freunden empfohlen werden. Sondern auch mal wirklich Zeitung (3 Punkte) zu lesen, eventuell sogar die, die einem politisch nicht zwingend entspricht.

Und mein Lieblingstipp:  Im Sinne der Nachhaltigkeit (Entschleunigung, bewusster Konsum, weil schlicht mehr Zeit dazu, über Konsumhandlungen nachzudenken) fordert Weber die 30-h-Woche. Darüber denke ich auch schon eine Weile nach, ob viele von uns inkl. ich bei 30h nicht genauso effektiv wären wie bei 40h Arbeitszeit und gleichzeitig einfach mehr Zeit für sich selbst und anderweitige Projekte hätten! Ich habe zumindest 2012 für ein halbes Jahr Teilzeit gearbeitet und genau diesen Eindruck gewonnen. Ich hab meine Aufgaben ungleich schneller erledigt, weil ich wusste, wenn ich jetzt zackzack mach, dann kann ich um zwei bei der Hütte rausspazieren und hab noch was vom Tag. Das ganze jetzt aus der Perspektive Nachhaltigkeit zu lesen, fand ich sehr spannend.

Kurz, ein Buch, das wirklich wertvolle und gut umsetzbare Tipps gibt, wie man mit seinen eigenen Alltagshandlungen bewusster umgeht – aber auch eines, bei dem man beim Lesen auch mal drüberstolpert und sich denkt „Momeeent mal. Ganz so ist das jetzt aber sicher nicht!“ Oder:  „Wie bobo isn das bitte?“. Aber wer Thomas Weber kennt, weiß: Der will das so. Der will immer so ein bissl provozieren. Und ich find das gut, weil er damit Leute dazu bringt, sich mit diesen Themen auseinander zu setzen.

PS: Um Kleidung gehts übrigens auch. Und ich komm schon wieder vor, als Lesetipp gleich nach Kirsten und vorm Kleiderkreisel. Schönes Umfeld!! Nach Apokalypse Jetzt, Anständig Leben und dem Schwarzbuch Markenfirmen das vierte Buch, in dem ich genannt werde bzw. mein eigenes Buch empfohlen wird. Lieb übrigens letztens eine Freundin, die sich aufgeregt hat, dass all diese Bücher beim Thalia auf einem Haufen liegen, und ich bei der Lebenshilfe neben pinkfarbenen „Wie finde ich den perfekten Mann“-Büchern. Also falls das wer vom Thalia liest: Ich würd gern zu meinen „Glaubensbrüdern“ und „-schwestern“ 🙂 Ach ja, ein Buch kaufen „kostet“ übrigens einmalig 15 Punkte….

Getaggt mit ,

10 Gedanken zu „Ein guter Tag hat 100 Punkte

  1. karin sagt:

    ohoh, das ist aber schwierig, aber ich bin auf einem guten weg, denke ich

  2. Die Idee ist echt gut und zwar deswegen, weil sie einem das Gefühl gibt, dass man auch als Einzelne/r etwas tun kann. Zu oft höre ich: „ach das bringt doch eh nix“ und ich glaube eben doch!
    Übrigens das mit den 30h Stunden glaub ich sofort, das würde nicht nur mehr Lebensqualität bringen und Arbeitsplätze schaffen, sondern endlich auch was für die Emanzipation tun (hier spricht die Mutterseite, die sich über die verflixte Familie ODER Karriere-Gesellschaft ärgert und lieber eine Familie UND Karriere-Gesellschaft hätte, aber das ist wohl ein anderes Thema) .

    Liebe Grüße,
    Birgit

  3. Hat dies auf Fundstücke aus dem Internet rebloggt und kommentierte:
    Das muss ich mir unbedingt demnächst näher ansehen! Interessanter Buchtipp!

  4. […] Ich kauf nix. Diese Bloggerin erzählt über ihre Reise durch ein Jahr ohne Klamottenkauf und die Zeit […]

  5. Lisa sagt:

    Eine Thalia-Mitarbeiterin und Fan von Ichkaufnix meldet sich inkognito zu Wort: Es ist wirklich schwierig, dein (großartiges!) Buch in die blöde Warengruppensystematik zu zwängen und einen passenden Platz dafür zu finden, sodass die Kunden das auch tatsächlich finden. (Wenn die begeisterte Buchhändlerin sie nicht darauf hinweist, haha.)

    So kannst du wahlweise zwischen „Simplify your life“ und „Wie finde ich den perfekten Mann“-Ratgebern ein Plätzchen finden oder auch unter dem nicht viel besseren, vagen „Erfahrungen“. Beides passt nicht, aber wo sonst hin damit? Wirklich schwierig. Ist aber bei deinen Glaubensschwestern nicht anders.

    Grüße!

    • nunette sagt:

      Eine Nähe zum Schwarzbuch und den 100 Punkten fänd ich super, auch wenn ich weiß, dass ich einen anderen Stil und Anspruch hab! Danke für die Antwort auf alle Fälle!

      • Lisa sagt:

        Die Genannten („Schwarzbuch“, „100 Punkte“ etc) haben genau das gleiche Problem, leider. Bei Thalia und wohl auch anderswo, weil fast alle Buchhandlungen sich an einer offiziellen Systematik orientieren, wo solche Titel schwer irgendwo unterkommen.

        Immer gern!

      • nunette sagt:

        Hihi, na wemma eh das gleiche Problem haben, kamma uns ja gleich auf einen Haufen hauen, oder? 😀

      • Lisa sagt:

        Richtig! Den Gedanken habe ich auch. Gerade in größeren Geschäften wäre eine Warengruppe à la „Nachhaltigkeit“ eine super Lösung, für Kunden UND Buchhändler. Wird ja auch in der öffentlichen Wahrnehmung ein immer wichtigeres Thema und man merkt die steigende Nachfrage schon auch.

  6. […] Buch nur quergelesen. Ich empfehle: Wenn, dann beide Bücher von ihm auf einmal lesen, erst “Ein guter Tag hat 100 Punkte” und dann “100 Punkte Tag für Tag”, zweiteres ist eine gute Ergänzung, die […]

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