Mein Wort zum Samstag. Und Sonntag. Und überhaupt.

In der vergangenen Zeit frag ich mich immer öfter: Leb ich eigentlich richtig? Gut, zugegeben, das hat jetzt viel mit einigen Umbrüchen bei mir zu tun (und wahrscheinlich auch mit meinem permanenten Schlafmangel und der grad ausbrechenden Halsentzündung. Vor allem bei zuwenig Schlaf hab ich meine Emotionen nicht im Griff. Da ist dann alles Weltuntergang und die kleinsten Kleinigkeiten blasen mich auf Stunden/Tage um. Da versteh ich nicht nur, wenn Schwangere bei der Merci-Werbung heulen, da heul ich gleich mit.), aber auch mit dem einen oder anderen Gespräch in letzter Zeit, das in mir nachwirkt.

Also.

Ich leb nicht öko. Ich leb unabsichtlich ein bissl ökologischer als früher, weil sämtliche Räder, die ich unter meinen Füßen hab, nur noch von selbigen betrieben werden können, so ganz ohne motorische Unterstützung. Und ich geb zu – es nervt mich. Ich bin auch im Alltag nicht 100 Prozent öko. Manchmal stopf ich mir einen Keks in den Mund, der aus einer Packung aus dem Supermarkt kommt, und ich weiß schon währenddessen: Hmpf. Käfigeier. Aber ich tus dann halt trotzdem, weil die Dinger vor meiner Nase stehen. Immerhin, selbst kaufen tu ich sie nicht. Weil ich sie eigentlich gar nicht so gut find. Aber so vor meiner Nase eben….. blöde Nase. 🙂 Anderes Beispiel: In meiner Wohnung stehen auch Teile vom Möbelschweden. Seit ein paar Wochen auch ein neuer Teppich. Ich hab vorher nach „fairen“ Teppichen geschaut, und kann sie mir nicht leisten, und auf willhaben gab nichts nach meinen Vorstellungen (wobei willhaben mich da wirklich selten im Stich lässt). Aber einen Teppich hab ich gebraucht.

Ich könnt die Liste lang fortsetzen. Ich bin sicher keine, die autark leben will, ihre Energie selbst erzeugen will, ausschließlich bio isst und ihren Fußabdruck auf ein Minimum reduziert hat.  Ich denk mir auch oft: So richtig komplett öko und fair leben, wo kein Mensch für dich in menschenunwürdigen Zuständen schuften musste, kein einziges Nutztier leiden musste (ok, der Punkt wär möglich, aber beim Leder komma halt wieder zur Glaubensfrage Erdöl oder Tier), du der Natur mehr zurückgibst, als du nimmst… das ist heutzutage fast unmöglich. Schon allein dieser Beitrag würde gerade nicht entstehen, auf meinem Laptop, auf meinem alten Sofa (und bei beidem weiß ich nicht: wer hat daran gearbeitet? Chemikalieneinsatz in der Produktion?), in meiner heiztechnisch ziemlich ungünstigen, aber wunderschönen Wohnung.

Allein schon wenn man anfängt, sich zu informieren, ist man schnell überfordert, ist mir allein im Textilbereich ja auch immer wieder so gegangen. Ich war während meines Shoppingboykotts oft an dem Punkt, wo ich einfach nicht wusste: Ja was kann ich denn bitte noch richtig machen, wenn ich wieder einkaufen darf? Einfach nie wieder einkaufen und meine Dinge tragen, bis sie mir in Fetzen vom Körper hängen? Nur noch selbst produzieren? Aber wie kann ich sichergehen, dass der Stoff auf den Stoffballen fair produziert wurde? Nur noch tauschen? Naja, ich hab ja auch ein bissl einen Wunsch, mich modisch zu „äußern“, nicht so einfach also. Keine Lederschuhe mehr? Das hieße dann: erdölbasierte Teile. Grmpf!

Klar macht einen das fertig! Das ist auch wieder diese Luxusproblemdiskussion: Wir verzichten oder kaufen anders, weil wirs uns leisten können. Weiter über den Tellerrand denken wird leider immer ein Elitending sein – weils meiner Meinung nach erst dann einsetzt, wenn die Grundbedürfnisse nicht frieren, nicht hungern, am Ende mehr Geld als Monat zu haben und nicht umgekehrt, trotz Wohnkosten usw. gedeckt sind. Was ja auch logisch ist.

Doch auch diese „Eliten“ kommen manchmal zu dem Schluss: „Naja, und? Wenn ich jetzt die Bio-Milch kauf und den fair gehandelten Kaffee, dann fällt in China ein Sack Reis um. Also was soll ich mich noch damit auseinandersetzen? Wieso soll ich mir antun, über den ganzen Scheiß Bescheid zu wissen, und mein eigenes Gewissen sauber kaufen, wenn die Welt sowieso vor die Hunde geht? Na dann geh ich doch bitte auch zum Textilschweden, fesches, günstiges Zeug gibts dort und ich bin immer trendy.“

Und genau DAS ist die Reaktion, die mir so wiederstrebt. Ja, ich weiß, dass ich nicht alles richtig machen kann, und ich stelle den Anspruch auch gar nicht. Ich finde trotzdem, dass man nicht vor lauter Riesenproblemen, die Kapitalismus, Globalisierung und schlicht und einfach menschliche Gier ausgelöst haben, nicht den Kopf in den Sand stecken sollte. Jede/r kann beitragen. Und sei es durch den „richtigen“ Konsum – weil man dadurch ein Zeichen setzt, das auch die großen Bösen, die unsere Welt vor die Hunde bringen, verstehen. Ich hab jetzt weder die romantische Vorstellung, dass der/die Einzelne die Welt verändern und retten kann, noch ist meine Hoffnung allzugroß ausgeprägt, dass irgendwann mal die Menge der kritischen KonsumentInnen überwiegen wird.

Aber deshalb gleich komplett drauf scheißen, das geht einfach nicht. Sorry. Wissen, Handlungsmöglichkeiten haben (und damit mein ich nicht nur den elitären Bereich!) und nix tun, das ist einfach feig.

Was dann noch gefährlich ist, ist, auf das Greenwashing von Unternehmen reinzufallen – weil die wiederum genau wissen, dass die KonsumentInnen immer mehr nach bio und fair und sozial und überhaupt verlangen. Aber darauf geh ich ein anderes Mal ein. Einfach ist das jedenfalls nicht, das Leben, wenn man drüber nachdenkt.

Getaggt mit ,

6 Gedanken zu „Mein Wort zum Samstag. Und Sonntag. Und überhaupt.

  1. Danke. Damit fasst du so ziemlich meine Fragen (und Nicht-Antworten) der letzten Tage zusammen. So richtig vollständig korrekt kann ich nicht, aber das, was ich kann, das sollte ich auch machen.

    Liebe Grüße,
    Frau Pappelheim

  2. Gabriele sagt:

    Ich glaube, dass es, ist man erst einmal so weit gekommen wie du – und das gilt für viele – kein wirkliches Zurück mehr gibt. So „fesch“ können die Teile bei all den tollen Textilketten doch gar nicht sein, dass man sich selbst gewissermaßen korrumpiert und alles Wissen und alle Überzeugungen über Bord wirft. Es sind eben ganz dicke Bretter zu bohren. Aber das macht nichts. Ein bewusster Konsum erscheint mir – ganz egozentrisch formuliert – wesentlich zufriedenstellender und bringt (mir) mehr Spaß.
    Und: Das Leben war, ist und wird niemals einfach sein. In Luft auflösen kann sich glücklicherweise niemand. Deswegen werden wir immer Spuren auf dem Planeten hinterlassen … Kekse essen, auf Sofas sitzen, in schönen Wohnungen wohnen und dergleichen mehr.
    Kein Mensch sollte jedoch aus der Verantwortung entlassen werden, über globale Zusammenhänge nachzudenken, seine Schlüsse zu ziehen und sein Handeln anzupassen/zu verändern. Unabhängig von Bildungsabschlüssen, Einkommen, Alter.
    Autorinnen wie du, die unermüdlich agieren, schreiben, zweifeln, weitermachen, sind a) selten und b) als Impulsgeberinnen unverzichtbar.

  3. Claudia sagt:

    Genau Gabriele,
    ich stimme dir zu, und Nunu es geht mir genau wie dir ich gehe manchmal in unserer Kleinstadt einkaufen und überlege mir bei jedem Teil „brauchst du das jetzt wirklich? Wer musste auf der anderen Seite der Erde wie dafür arbeiten? Was passiert damit wenn es kaputt ist?“ All die Fragen ploppen automatisch auf bei Dingen die mir gefallen „Lebensabschnittsgegenständen“. Es ist sehr peinlich ich habe noch 3 weiße Unterhemden im Schrank die ich auch trage die sind schon 18 Jahre alt und kriegen so langsam kleine Löcher, das war noch echte Quelle Qualität bei 90°C waschbar. Das beruhigt mich wieder ich gehe nicht verschwenderisch mit Dingen um und jede Überlegung vor einer Kaufentscheidung stärkt unser Gewissen und unsere Moral die wir wahrscheinlich immer wieder trainieren. Irgendwann finden wir es ganz normal Bio-Eier zu kaufen. Ist bei mir gefühlt die Kasse ein wenig knapp kaufe ich halt die aus Freilandhaltung aber aus der Region das ist auch mal o.k..
    Ich finde es gut dass du dieses Buch geschrieben hast weil es Menschen zum Nachdenken anregt du hast schon sehr viel gemacht es wird schon besser glaube ich.

    „Einen Tag nach dem anderen“((aus barfuss auf Nacktschnecken)) ….

    weiter so Nunu wir sind auf dem richtigen Weg.

  4. Du bist nicht allein mit diesen Fragen und Zweifeln. Eine allgemeingültige Antwort wirst Du nicht finden. Aber: Wenn jeder in den kleinen Dingen tut, was ihm möglich ist, kann schon einiges bewegt werden. Leider können wir die Menschen nicht zur Achtsamkeit und zum Nachdenken über ihr Handeln und die damit verbundenen Folgen einschließlich dem Ziehen von Konsequenzen zwingen. Vorleben, dass es auch anders geht als 100 % Mainstream ist der einzige Weg. Diesen zu gehen, bringt halt die ständige Reflexion, ob nicht noch mehr getan werden kann, mit sich. Nur nicht verzweifeln!
    Schnelle gute Besserung für den Hals.

  5. Maria/findinghope sagt:

    Danke. Meine Gedanken der letzten Jahre ziemlich auf einen Punkt. Tröstet mich ziemlich, dass ich nicht allein damit bin, wenn ich a) entweder am liebsten alle anderen Leute und mich selber rütteln würde –> „tu mehr“ oder b) einfach am liebsten alles Wissen drum vergessen würd
    Lösung ist aber c) weitermachen so guts geht, aber ohne Perfektionszwang+ Missionierungszwang

  6. Cnautsch sagt:

    Mich hast du dazu gebracht, daß ich überhaupt erst angefangen hab drüber nachzudenken wer die Kleidung die ich kaufe hergestellt hat. Früher wär mir nicht aufgefallen wie grauslich es in vielen Filialen der großen Modeketten riecht, jetzt denk ich sofort an die wahrscheinlich giftigen Farben die diesen Geruch verursachen und ich mag Bestimmte Materialien gar nicht mehr angreifen, geschweige denn kaufen. Dafür dank ich Dir und ich bin sicher ich bin nicht die einzige ahnungslose die du zum Umdenken angeregt hast. Also kannst du stolz sein darauf was du bewirkst und nicht traurig dass du nicht perfekt bist!

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