Gestern Abend war ein WOW-Moment. Ein echter. Ich war seit einer Stunde zuhause, hatte noch ein bissl was für Greenpeace zu tun, genoss es, am Bett zu liegen und endlich mal das Fenster offen haben zu können, ohne einzufrieren, hörte den Vögeln im Hof zu, chattete kurz mit der besten Freundin in London, und bereitete den eigentlich für heute geplanten Beitrag vor. Dann gings diding, mein Handy meldete mir einen neuen, noch freizuschaltenden Kommentar. Ich traute meinen Augen kaum: 2012 hatte ich den Textilschweden in Österreich wiederholt kontaktiert und niemals eine Antwort bekommen. 2014 hab ich dann nochmal ein Mail hingeschrieben, wieder nix. Dazwischen erstens echt so einige kritische Beiträge über das Unternehmen hier verfasst, und zweitens erfahren, anscheinend rennt alles über die Zentrale, die haben in Österreich kaum Handlungsspielraum (wörtlich von einer anonymen Insiderin damals: „Die dürfen netamal einen Scha… lassen, ohne dass der vorher von Stockholm freigegeben wird.“). Gut, dachte ich, dann reagieren sie halt nicht. Ich reg mich halt weiterhin auf – weil ich weder ihre Strategie gut find, noch ihre Kommunikation, die find ich sogar ganz furchtbar. Vor ein paar Tagen gabs schon ein kurzes „oho!“ – auf meinen Kommentar auf Facebook wurde reagiert. Kurz, aber doch. Und seit gestern Abend weiß ich: Die nehmen mich sehr wohl wahr. Die lesen das, was ich da so raus senfe. Hendrik Alpen, Pressesprecher aus Hamburg, schrieb einen Kommentar zu meinem Beitrag. Natürlich hätt ich den einfach nicht freischalten können, und meine Kritik alleine stehen lassen können, aber das ist außer unfair eigentlich nur deppert, daher schaltete ich den Kommentar frei und zitiere ihn hier auch gerne noch mal (aber bitte lests unten weiter, ich hab da schon wieder so ein bissl Senf dazu, und der Kommentar haut mich fast um vor lauter Ausführlichkeit):
Liebe Nunu, mein Name ist Hendrik und ich bin bei H&M fuer diesen und auch die Nachhaltigkeitsberichte der letzten Jahre verantwortlich. Ich freue mich natuerlich ueber jedes Feedback wie wir unsere Berichterstattung besser machen können. Und tatsächlich hast du Recht, dass wir oft die Steigerung “nachhaltigER” verwenden. Eine 100%ige Nachhaltigkeit gibt es leider in vielen Bereichen noch nicht oder wir haben sie bislang nicht erreicht. Auch nach den strengsten Standards zetifierte Bio-Baumwolle verbraucht beispielsweise immernoch grosse Mengen Wasser, dafuer aber keine chemischen Pestizide und Düngemittel und erlaubt kein genetisch modifiziertes Saatgut. Die von dir kritisierte Better Cotton verbraucht deutlich weniger Wasser, reduziert den Gebrauch von Pestiziden und Duengemitteln lediglich auf ein Minimum, ist dafuer aber fuer fast alle Baumwollbauern der Welt eine realistische und nachaltigere Alternative zu konventioneller Baumwolle. Nebenbei bemerkt, nutzt H&M heute jedoch tatsächlich mehr zertifizierte Bio-Baumwolle als Better Cotton und ist Textile Exchange zufolge der grösste Abnehmer von Bio-Baumwolle weltweit. (Genauer sind 13.7% unserer Baumwolle heute zertifizierte Bio-Baumwolle, 7.5% Better Cotton – Ziel ist, dass diese beiden gemeinsam mit steigenden Zahlen recycelter Baumwolle bis 2020 100% unserer Baumwollverbrauchs abdecken. Diese Zahlen findest du im Nachhaltigkeitsbericht auf Seite 17, von unabhängigen Auditoren geprüft und im Einklang mit den Anforderungen der GRI G4 Guidelines fuer Nachhaltigkeitsberichterstattung). In den meisten Bereichen geht es aber tatsächlich darum, negative Einfluesse zu verringern und positive zu stärken. Daher das Wort “nachhaltigER”, und eben nicht das Versprechen “Wow, Kleidung, bei der alles richtig gemacht wurde”. Das 100% perfekte und nachhaltige Kleidungsstueck ist mir bisher noch nicht begegnet. Es gibt eine Menge kleinerer Labels, die schon sehr vieles sehr, sehr gut machen und so weit wie möglich diese 100%igkeit erreichen. Das ist toll, aber bisweilen noch ein Nischenmarkt, der noch zu klein ist um zumindest direkt tatsächlich systematische Veränderungen zu bewirken. Zwei solcher systematischen Veränderungen, auf die wir bei H&M mit Hilfe unserer Grösse hinarbeiten möchten, sprichst du an – einmal das Thema Recycling von Altkleidern und andererseits unsere “Fair Living Wage”-Strategie. Es tut mir leid, wenn diese tatsächlich ganzheitlich angelegten Strategien bei dir beim Lesen des Reports lediglich in tatsächlich klein wirkenden Zahlen angekommen sind. Zum Recycling: Unser Ziel ist es, einen geschlossenen Kreislauf für Kleidung zu schaffen. Ein Produkt aus recycelter Baumwolle zum Beispiel hat einen geringeren Umwelteinfluss als Bio-Baumwolle. Am besten, wenn hierbei nicht nur Stoffreste wiederverwendet werden, sondern tatsächlich getragene Kleidung nach einem längstmöglichen Leben in neue Produkte verarbeitet werden kann. Das ist technisch heute noch nicht möglich. Beim mechanischen Recycling von Baumwolle werden die Fäden kürzer und darunter leidet die Qualität. Das wäre leider somit gerade in diesem Sinne auch nicht nachhaltig. Was aber bereits geht, ist eine Beimischung von etwa 20% solcher aus Altkleidern recycelter Baumwolle. Hier haben wir im letzten Jahr bereits die ersten Produkte auf den Markt gebracht. Eine Closed Loop Denim-Kollektion. Die Anzahl solcher Produkte möchten wir nun um 300% steigern um so von einer “one-off”-Kollektion weg zu kommen und dies schrittweise zu einem ganz normalen Bestandteil unseres Sortiments zu machen. Und langfristig zum Standard. Hierfuer bedarf es weiterer Innovationen um eben von 20%-Beimischung auf 100% zu kommen. Und auch hier sind wir aktiv. Wir investieren direkt in solche Innovation und sind hierzu beispielsweise gerade eine Zusammenarbeit mit dem Start-up Worn Again eingegangen, mit denen wir und die Kering Gruppe derzeit einige spannende neue Recyclingtechnologien testen. Innovation können wir auch durch Nachfrage stuetzen. Um diese Nachfrage herzustellen, ist der Zugriff auf grosse Mengen von Altkleidern notwendig. Und genau hier haben wir bereits 2013 begonnen, als wir das heute weltweit grösste Ruecknahmesystem fuer Kleidung im Einzelhandel gelauncht haben. Tatsächlich haben wir hier im letzten Jahr gut 7,600t Kleidung gesammelt. Es ist toll, wenn allein in Österreich weitere 80,000t jährlich ebenfalls nicht auf dem Muell landen. Im UK zum Beispiel enden dort aber nach einer Studie der Organisation WRAP immernoch 31% aller Kleidungsstuecke. Hier möchten wir zum einen eine bessere Alternative anbieten – langfristig aber, und das ist der strategisch wichtige Punkt, eben die Grundlage für einen geschlossenen Kreislauf bilden. Auch ein solch geschlossener Kreislauf wird nicht komplett ohne Umwelteinfluss auskommen, aber ihn massiv reduzieren. Ähnlich ist es beim Thema Löhne. Auch hier stimme ich dir voll und ganz zu, dass langfristige, systematische Strategien und eben keine Tropfen auf den heissen Stein nötig sind. Und auch, dass alle Arbeiter in der Textilindustrie fair Löhne verdienen müssen, nicht nur in einigen wenigen Fabriken. Und genau dies versuchen wir zu erreichen. Es wäre schön, wenn es so einfach wäre, dass H&M oder wer auch immer einfach mehr Geld zahlt und dies dann zu höheren Löhnen fuehren für alle Menschen entlang der Lieferkette führen würde. So einfach ist es aber leider nicht. Deshalb arbeiten wir daran, Systeme zu etablieren, die Lohnsteigerungen und Tarifverhandlungen fuer alle ArbeiterInnen in der Textilindustrie möglich machen. Derzeit testen wir hierzu die “Fair Wage Method” des Fair Wage Networks in wie du richtig schreibst 3 Modelfabriken. Wie du auf derselben Seite (44) nachlesen kannst, haben wir bereits in diesem Jahr damit begonnen, solche Systeme auf weitere 60 Lieferanten auszuweiten. Bis 2018 möchten wir alle unsere strategischen Lieferanten abdecken und damit etwa 850,000 ArbeiterInnen erreichen – und gleichzeitig ein Model fuer die gesamte Industrie entwickelt, dass eine systematisch relevante Groesse hat um so von anderen uebernommen zu werden und die Gesetzgeber vor Ort einbezieht, etwa um gesetzliche Mindestlöhne und Tarifverhandlungsprozesse anzupassen. Und so letztlich hoffentlich wirklich fuer TextilarbeiterInnen z.B. in Kambodscha, Bangladesch, China und vielen weiteren Ländern zu fairen Löhnen beizutragen. Dazu setzen wir uns auch weiterhin fuer steigende Mindestlöhne und fuer Gewerkschaftsfreiheit bei den betreffenden Regierungen ein. Und was mindestens genauso wichtig ist – wir tragen steigende Kosten fuer unsere Lieferanten, die aus steigenden Löhnen resultieren, mit und stehen zu langfristigen Beziehungen mit unseren Lieferanten. Auch hierzu findest du zahlreiche Details sowie eine unabhängige Bewertung durch die internationale Gewerkschaft IndustryAll in unserem Nachhaltigkeitsbericht (S. 39-48). Und um auch auf die Punkte kurz einzugehen: Die gesamte Conscious Exclusive-Kollektion wurde bei einigen der in unseren Audits am besten abschneidenden Lieferanten in der Tuerkei, China und Indien hergestellt. All dieser Auditergebnisse veröffentlichen wir uebrigens auch, ebenso wie unsere gesamte Liefarantenliste. Die Conscious-Exclusive-Kollektion erfüllt tatsächlich auch den Zweck, Aufmerksamkeit fuer nachhaltigere Mode zu erzeugen und zu zeigen, dass diese heute sogar fuer einen Auftritt auf dem roten Teppich taugt und auch nicht unerschwinglich sein muss. Und du hast Recht, sie ist begrenzt. Sie ist aber nur ein kleiner Teil, quasi die Speerspitze unseres gesamten Angebots an “Conscious”-Produkten, die mit einen speziellen Anhänger versehen das ganze Jahr ueber in all unseren Geschäften zu haben sind und einen stetig wachsenden Anteil unseres Angebots ausmachen. All diese Massnahmen (und es sind viele mehr) kosten Geld und ob du es glauben magst oder nicht, wir machen es tatsächlich genau wie du vorschlägst: Wir verzichten auf Teile unserer Marge, da wir denken, dass dies sinnvolle Zukunftsinvestitionen sind. Wie gesagt, möchten wir hierbei ebensowenig wie im Bericht selber den Eindruck erwecken, dass bereits alles erledigt sei. Es gibt noch viel zu tun. 100%igkeit ist dabei bisher fuer alle schwer zu erreichen, und es gibt sicher kleine Anbieter die hier in manchen Bereichen dichter dran sind als wir. Dafür können wir aber auch Dank unserer Grösse entsprechend grosse und systematische Verbesserungen anstossen. Schade finde ich, wenn es letztlich mehr Kritik bedeutet, diese Schritte zu gehen, als es einfach bleiben zu lassen. Dazu gehört fuer uns auch, das Thema Nachhaltigkeit in der Mode auch für Kunden attraktiv und zugänglich zu machen, die sich nicht täglich damit beschäftigen. Gleichzeitig möchten wir die Schritte die wir gehen, ebenso wie die langfristigen und ganzheitlichen Ziele dahinter, so transparent wie möglich machen. Dazu ist der Bericht da und wir werden gerne weiter daran arbeiten, diesem Anspruch gerecht zu werden. Wenn du noch weiteres Feedback dazu hast, kontaktiere mich jederzeit gerne. Viele Gruesse Hendrik
Soweit, so gut. Ich freu mich sehr über diesen so ausführlichen Kommentar. Es wurde auf meine Punkte eingegangen. Und ich reagiere jetzt auch nochmal, hier und öffentlich, damit alle live mitlesen können 🙂
- Bei den Living Wages gebe ich zu, den Teil mit der Ausweitung nicht ausreichend gelesen zu haben, bin aber inhaltlich weiterhin komplett einer Meinung mit der Clean Clothes Kampagne. Ankündigung reicht nicht.
- Was die Baumwolle angeht, zwei Sachen: Die BCI steht genetisch modifiziertem Saatgut dezitiert offen gegenüber. Solange sie das ist, ist sie in meinen Augen auf keinste Weise nachhaltig oder nachhaltiger oder sonstwas. GMO-Saatgut ist einjährig, kostet viel und rechnet sich für niemanden. Die Durchschnittskonsumentin liest nur „bessere Baumwolle“ auf grünem Hintergrund, denkt sich, das ist bio, kauft es, und unterstützt damit Konzerne wie Monsanto und Co., während sie glaubt, bio zu unterstützen. Die Anteilssteigerung auf Seite 17 habe ich gesehen – rein aus dem Trend der letzten Jahre heraus ist aber ersichtlich: Die 100 Prozent bis 2020 gehen sich nicht aus. Und das fuchst mich einfach, quer durch den Bericht: Dass groß von Zielen geredet wird, und ich trau mich wetten, 2020 heißts dann: Uije, tschulligung, ja, war knapp, aber wir hams net gschafft. Blöd, nüm? (Das ist aber ein grundlegendes Problem, das ich mit Berichten und auch der GlobalReporting Initiative habe, und das mich bei vielen GRI-Berichten fuchtig macht)
- Betreffend der Menge an Conscious-Angeboten: Bitte. Bittebittebitte machts euch da nix vor, liebe Textilschweden. Ja, ich verstehe die Gschicht mit der Recycling-Beimengung gut, ich verstehe die Intention des Exklusivitätsanspruchs der Kollektion. Aber: Ihr habt da wirklich noch nicht viel. Es ist gut, dass es solche Produkte gibt, aber was mich wirklich extrem interessieren würde: Passt euer Verhältnis zwischen dem Anteil an Conscious Produkten innerhalb des Gesamtangebots zum Verhältnis eurer Bewerbung? Überall knallen einem die Conscious-Sachen, die „nachhaltigeren“ Sachen von euch per Anzeige oder sonstwas ins Gesicht. Der Anteil in der Frauenkollektion beträgt derzeit knapp ein Prozent. Wenn nur ein Prozent der Werbemaßnahmen auf Conscious abzielen würde, wär ich sofort still und würd nie wieder sagen, wie böse ihr nicht seids. Und das bringt mich zu meinem letzten Punkt, den ich im urspünglichen Beitrag bereits angesprochen habe:
- Was ihr macht, sind Projekte. Existenzlöhne, Biobaumwolle, kleine Anteile, langsam steigern. Aber ihr galoppiert in der Kommunikation so derartig davon, dass ihr regelmäßig über diese Grenze zum Greenwashing drüberwischt! Offene, transparente Kommunikation heißt in meinen Augen nicht, Millionen in eine Kampagne zu investieren, die fünf Kleider zeigt, die für die durchschnittliche Textilschwedenkonsumentin sowieso nicht finanzierbar sind. Ich kritisiere nicht grundsätzlich die Aktionen, wie auch vorgestern geschrieben, ich kritisiere die in meinen Augen fehlenden systemischen Zusammenhänge und vor allem ganzganz heftig die Kommunikation. Zu viel und zu früh, gemessen an den Projektfortschritten.
- Ok, doch nicht letzter Punkt, weil eins interessiert mich immer noch brennend: Wo wurde der Paillettenstoff produziert und von wem? Ich würd mich sogar freuen, wenn ihr mein Bauchgefühl, dass sich da was nicht ausgehen kann (wäre er handgenäht und fair bezahlt, würd das Kleid einen Tausender kosten müssen und nicht 199), besänftigen könnt.
- Edit: Mir sind grad noch ein paar Punkte eingefallen, auf die ich in Bezug auf den Kommentar gern eingehen würde. Aber erstmal wart ich auf eine weitere Reaktion und verzupf mich in ein Wochenende, an dem ich mich einbunkere und nähe. 🙂
Ich finde es auch schade, dass die Kollektion sofort ausverkauft ist, das zeigt doch, dass die Nachfrage größer als das Angebot ist und dass es keine exklusive Kollektion sein sollte, sondenr das Angebot einfach generell breiter aufgestellt sien sollte und dann kann es ja zusätzlich noch eine exklusive Kollektion geben. Das Design an sich finde ich übrigens sehr gelungen, da es zeitlos ist und nicht trendig, also nächsten SOmmer für die Tonne, das wäre kontraproduktiv..
Wegen dem Pailettenstoff: Das wäre Haute Couture wenn es Hand bestickt wäre, würde also fair bezahlt wohl eher mehrere tausend Euro kosten. Ich bezweifle zwar, dass ein Stoff flächendeckend Hand bestickt wird, das geschieht dann wohl doch eher maschinell, aber vielleicht übersteigt das gerade auch meine Vorstellungskraft, denn ich wundere mich auch, warum darauf eigentlich nicht geanwortet wird. Hatte den ganzen Text durchgelesen obwohl ich hundemüde war, weil mich die Antwort darauf interessiert hätte.
Liebe Nunu, es freut mich, dass mein Kommentar dich freut. Kurz der Ordnung halber – ich habe dir als Privatperson geschrieben, da ich fuer H&M’s Nachhaltigkeitsreport verantwortlich bin und somit natuerlich nicht möchte, dass selbiger dich zur Verzweiflung treibt…;)
Wenn ich dich richtig verstehe, bleibt deine Hauptkritik also die Werbemassnahmen zur Conscious Exclusive-Kollektion.
Eigentlich schalten wir fuer diese Kollektion verhältnismässig wenig bis fast keine Werbung. Aber medial erhält die Kollektion tatsächlich viel Aufmerksamtkeit. Hiermit möchten wir wie gesagt gerade auch ein Bewusstsein dafuer schaffen, dass auch Kleidung z.B. aus Biomaterialien toll aussehen kann. Ich persönlich finde das eine durchaus positive Entwicklung, wenn das Thema aus der Nische herauskommt und auch Kunden erreicht, die vielleicht in erster Linie z.B. ein schönes Kleid suchen, fuer die dabei der Gedanke an Nachhaltigkeit aber (vielleicht noch) nicht an erster Stelle steht.
Und nur um dies auch nochmals ganz deutlich zu machen – die Conscious Exclusive-Kollektion macht nur einen sehr kleinen Anteil unseres Conscious-Angebots aus. Wir haben neben dieser limitierten Kollektion das ganze Jahr ueber und in allen Stores ständig ein breites und wachsendes Angebot an Conscious-Produkten, nicht nur diese eine Kollektion. Dass die Nachfrage gross ist, ist natuerlich eine tolle Motivation fuer uns, diesen Weg weiter zu gehen.
Alle unsere Conscious-Produkte sind mit mind. 50% zertifizierten Bio-Materialien oder zertifizierten Recyclingmaterialien (bei recycelter Baumwolle aus Altkleidern 20%) und seit letztem Jahr gegebenenfalls mit Hilfe besserer Waschprozesse (z.B. gemessen am Jeanologia-Tool) hergestellt.
Und dies weitgehend zu denselben Preisen wie fuer vergleichbare konventionelle Produkte. Fuer die Mehrkosten nehmen wir dabei in den meisten Fällen eine geringere Marge in Kauf.
Insgesamt machen derartige Materialien ueber 10% unseres gesamten Materialvolumens aus, Tendenz weiter steigend. Ich kann dir versichern, dass der Kampagnenaufwand fuer die Conscious Exclusive-Kollektion diesen Anteil nicht uebersteigt.
Produkte mit Better Cotton zeichnen wir uebrigens NICHT mit dem Conscious-label aus.
Das Paillettenkleid wurde uebrigens in Indien hergestellt. Die Fabriken unserer Lieferanten in Indien (wie auch allen anderen Ländern), sind fuer jedermann öffentlich zugänglich unter http://www.hm.com/supplierlist. Als bislang meiner Kenntnis nach einziges Unternehmen unserer Grössenordnung haben wir hier in diesem Jahr sogar die wichtigsten Stoff- und Garnlieferanten unserer Lieferanten hinzugefuegt.
Und um auch auf diesen Punkt einzugehen: Du kritisierst, dass wir uns zu unrealistische Ziele setzen wuerden und wir die Umstellung der Baumwolle bis 2020 nicht erreichen könnten. Auf der anderen Seite kritisierst du, dass uns eben solche Ziele und systematische Strategien fehlen wuerden und wir lediglich einzelne kleine Projekte umsetzen wuerden. Das beides widerspricht sich fuer mich leider ein wenig.
In der Tat setzen wir uns ambitionierte Ziele und verfolgen meiner Meinung nach sehr umfassende Strategien, die ueber unseren eigenen Tellerrand hinausschauen und systematische Veränderungen befördern. Wir haben nicht immer von vorne herein alle Lösungen parat. Wir arbeiten aber sehr ernsthaft darauf hin, diese Ziele zu erreichen. Um dies zu erreichen, muessen wir einzelne Schritte gehen. Beides machen wir transparent, in einem ueber 100 Seiten starken Bericht (nicht in irgendwelchen Werbekampagnen). Mit exakten und von unabhägigen Pruefern auditierten Zahlen. Wo wir Ziele nicht erreichen, machen wir auch dies transparent, ebenso wie wir nach neuen Lösungen suchen, um sie doch noch zu erreichen.
Ich denke, dass diese Transparenz ebenso wie hoch gesteckte Ziele notwendig sind, um diese Veränderungen zu bewirken. Vielleicht verstehe ich dich falsch – sollten wir dies sein lassen?
Und um bei diesem Beispiel zu bleiben – wir liegen bei unserem Baumwollziel sehr gut im Plan.
Nichtsdestotrotz – es bleibt viel zu tun. H&M ist nicht perfekt, die Modeindustrie ist nicht perfekt und das perfekte und vollkommen nachhaltige Kleidungsstueck gibt es (noch) nicht. Es ist ein Prozess zu besserer Mode. Schade finde ich, wenn, so ist zumindest mein Eindruck, die Unternehmen, die in unserer Industrie Veränderungen vorantreiben oftmals mehr Kritik einstecken muessen, als die, die es einfach bleiben lassen. Das sendet meiner Meinung nach genau die falschen Signale – und hält Nachhaltigkeit in der Mode in der Nische.
Auch wenn ich natuerlich akzeptieren kann, dass du kein Fan von unserer Arbeit werden möchtest, freue ich mich natuerlich, wenn du dir die Zeit nimmst, dich mit den Fakten zu unserer Arbeit im Detail auseinanderzusetzen. Und natuerlich auch wenn wir den Dialog ueber diese Inhalte unserer Nachhaltigkeitsarbeit und unseres Reportings konstruktiv weiter fortfuehren können. Zumindest mein Eindruck ist, dass wir hier eigentlich gar nicht so weit auseinanderliegen.
Meine Emailadresse kannst du ja wahrscheinlich sehen. Lass uns wenn du magst hierzu gerne telefonieren. Gerne stelle ich dann auch den Kontakt zu meiner sehr kompetenten österreichischen Kollegin her.
Viele Gruesse & schönes Wochenende
Hendrik
Danke für die weitere Antwort. Gerne lasse ich mich auf einen weiteren Dialog ein, aber jetzt ist erst mal Wochenende. 🙂 schönes selbiges!
[…] und ich habe den gesamten Tag außerhäusig verbracht, eigentlich sogar das gesamte Wochenende. Die Kommunikation mit dem Pressesprecher des Textilschweden beschäftigt mich zwar sehr, aber ich sehe mich jetzt gerade leider außerstande, mir da jetzt einen fachlich fundierten Beitrag […]
Sehr geehrter Herr Alpen,
noch ein Nachtrag zu Ihrer weiteren Antwort, ich kann es mir nicht verkneifen.
Sie bewerben die Conscious Exklusive Collection nur in kleinem Maße? Beim Launch in New York war unter anderem Olivia Wilde eingeladen, außerdem Presse und Blogger. Beim Launch in Berlin waren ausser deutschen Models und Schauspielerin, die ein Live-Shooting ablieferten, auch Presse und Blogger eingeladen. Zählt das nicht ihren Kampagnen-Rahmen? Die ConsciousExklusiveSause war medial allgegenwärtig. Da kann man sagen, das liegt am Thema, das interessiert, die schreiben alle freiwillig. Aber: das stimmt doch nicht, wenn wir mal ehrlich sind. Da geht es mir ähnlich, wie beim Paillettenkleid: wenn Sie es mir schlüssig und glaubhaft erläutern und es wirklich alles inhaltlich so fröhlich ist, wie Sie es hier schildern, dann zieh ich meinen Hut. Wirklich.
Und: niemand, dem dieses Thema am Herzen liegt, möchte nachhaltige Mode in der Nische halten. Da sind wir auch kurz vor Totschlag-Argument. Natürlich möchten wir das nicht. Aber eben bitte nicht dieses Green-Washing, das ist wirklich wie eine Ohrfeige für alle, denen dieses Thema tatsächlich und sehr am Herzen liegt. Einfach mal einen medialen Gang zurückschalten und nicht alle so irre machen mit einer Kommunikation, die suggeriert, dass H&M nur noch eine Saison davon entfernt ist, das internationale HessNatur zu werden. Es stimmt einfach nicht.
Und noch etwas: am Ende vom Tag geht es nicht um Wording und Reports und hübsche Events. und ein tolles Image. Es geht um effektive Taten. Und: Es geht um Menschen und um Tiere, die Leid tragend sind, auch aufgrund der Produktion von H&M Textilien.
Mit freundlichen Grüßen
Anne Gorke
Also, ich bin jetzt nicht der H&M – Fürsprecher hier, aber so besonders fand ich das Marketing jetzt auch nicht. Dass bestimmte Kollektionen mit speziellen Partys gelauncht werden ist doch üblich, siehe die diversen Designergeschichten. Warum sollte H&M auf die Aufmerksamkeut verzichten? Und dass H&M so tut, als seien sie die nächsten HessNatur empfinde zumindest ich als „Durchschnitts Kunde“, der ja hier manchmal als bloßer verkauft wird, als er ist, auch nicht.
Was H&M aber doch auf jeden Fall schafft, ist Aufmerksamkeit für das Thema. Und das ist doch erstmal nicht verkehrt. Jeder, der mit Jugendlichen zu tun hat, weiß das zu schätzen, denn für die sind Marken wie H&M höhere Instanzen als zum Beispiel Blogs wie dieser hier. In der Tat ist der „Dank“ dafür oft mehr Kritik als Marken, die einfach in der Masse untergehen und nix tun. Klar ist da jede Menge Luft nach oben und ich bin auf jeden Fall interessiert daran, dass H&M (und andere) diesen Weg weiter gehen.
Liebe Jessie,
ganz kurz zu Deiner Antwort: ein Durchschnittskunde bist du wahrscheinlich eher nicht, denn das Thema scheint dich ja zu beschäftigen, du liest diesen Blog und du nimmst aktiv am Diskurs teil. Der gängige Fast Fashion Konsument tut dies nicht unbedingt. Die Bezeichnung „Durchschnittskunde“ war auch keinesfalls wertend gemeint. Doch du sprichst ja selbst Jugendliche an, für die H&M eine Instanz, die noch mehr gilt, als Blogger. Und genau da sitzt mein Kritikpunkt. Hier empfinde ich Green Washing als schwierig, weil es die Chance verpasst, tatsächlich über dieses Thema aufzuklären oder darüber verantwortungsbewusst zu berichten. Ich will hier gar nicht die große Moralkeule herausholen. Aber: wer A sagt, muss auch B sagen. Wer in solchem Maße Green kommuniziert, sollte es stärker umsetzen. Oder es eben nicht ganz so dramatisch nach außen tragen.
Kurz gesagt: ein Paillettenkleid in einer Conscious Kollektion bringt das ganze Thema am besten auf den Punkt.
Liebe Frau Gorke,
herzlichen Dank für Ihre Antwort! Ich kann Ihrer Argumentation gut folgen und stimme ihr auch voll und ganz zu.
Gerne möchte ich noch kurz erläutern, warum ich hier überhaupt für H&M „in die Bresche“ gesprungen bin (was nun wirklich nicht meine Absicht ist).
Ich bin es einfach leid, ein schlechtes Gewissen zu haben. Ich gestehe: Ich mag mir nicht nur Kleidung kaufen, wenn ich sie „brauche“ (dann müsste ich die nächsten Jahre nichts mehr einkaufen, angezogen wäre ich dann immer noch). Ich mag mir meine Kleidung nicht selber nähen (und schon gar nicht damit rumlaufen). Die meisten Fair-Fashion-Labels entsprechend entweder schlicht und ergreifend nicht meinem Geschmack oder liegen außerhalb meines Budgets (und ich habe es wirklich versucht). Insofern bin ich vielleicht doch eine Durchschnittsfrau, ich möchte eine vernünftige Garderobe, in der ich mich wohlfühle. Die Maßstäbe, die aber zum Beispiel Nunu für sich setzt will (wohlgemerkt will, ich tue hier nicht so, als ob es nicht möglich wäre) ich für mich nicht einhalten. Ich kaufe viel Second Hand, aber wenn das Gesuchte auf diesem Weg nicht gefunden wird, dann eben ab und an auch konventionell. Dann aber so hochwertig, wie ich es mir eben leisten kann, damit ich lange etwas davon habe. Macht mich das zu einem schlechten Menschen?
Zumal – wir reden hier nur von Bekleidung. Nicht von Essen (Stichwort „crueltyfree“), Freizeit, Lebensmitteleinkauf, etc. Was man macht, macht man falsch. Und dieses Gefühl will ich für mich nicht mehr, es überfordert mich.
Insofern würde ich mich freuen, wenn große Marken auch „grüner“ werden würden. Aber Sie haben natürlich völlig recht, nur davon redet, hilft niemandem.
Viele Grüße,
Jessie (die nicht wusste, dass sie sich mit so einer prominenten Person austauscht ;-))
[…] Vergangene Woche hat ja der Pressesprecher des Textilschweden noch einmal auf mich reagiert. Anscheinend als Privatperson, aber eindeutig aufmunitioniert mit den Argumenten und Linien des […]
Liebe Jessie!
Deinen Standpunkt verstehe ich total, wirklich. Das schlechte Gewissen kommt schnell, wenn man einmal angefangen hat, sich mit Konsum und Nachhaltigkeit zu beschäftigen. Aber: lass dich nicht ins Bockshorn jagen! Niemand erwartet, dass du jetzt die Welt rettest. Es reicht, wenn du Stück für Stück anfängst, wenn du kleine Dinge änderst. Trenn konsequent den Müll, geh sparsam mit Wasser und Strom um und schau, auf welche unnötigen Dinge du im Alltag verzichten kannst. Kauf keine Erdbeeren im Winter, iss saisonal soweit möglich etc. Das sind kleine Dinge, die man Stück für Stück in seinen Alltag einbauen kann.
Jetzt zur Kleidung: Ich weiß nicht, wie dein Stil ist, deshalb nur ein paar sehr allgemeine Tipps aus der Hüfte ins Blaue: Nachhaltige Jeans mit gutem Schnitt gibt es zu erschwinglichen Preisen, schau mal bei Knowledge Cotton Apparel oder Good Society. Wenn du unbedruckte Shirts mit gutem Schnitt suchst, wäre zumindest ein kleiner Schritt in die richtige Richtung American Apparel. Es gibt hier aber noch viele kleinere Labels, die schöne Shirts und Sweats haben, zum Beispiel Recolution, People Tree, Armed Angels..Schau mal auf Glore.de. In Kombination mit Second Hand kommst du damit schon recht weit. Zu Accessoires und Schuhen: bei den Schuhen gibt es super Labels, VEJA und EKN sind toll. Und: preislich gibts da auch nix zu diskutieren. Und konventionelle Lederprodukte: einfach verzichten. Riech mal dran, dann verzichtest du von selbst. Spar auf Produkte aus ökologischem Leder. Oder verzichte einfach ganz auf Leder, geht auch.
Aber ich kann es auch nachvollziehen, wenn man erstmal an großen Ketten nicht vorbeikommt, einfach, weil man es gewohnt ist, weil man sich noch umstellen muss etc.. Aber auch da kann man anfangen, Unterschiede zu machen: schau ins Etikett, wo die Sachen gefertigt wurden. H&M hat zum Beispiel Fertigungsstätten in der Türkei und in Portugal, das sind traditionelle Fertigungsländer innerhalb Europas, die Standards sind hier besser, höher, kontrollierter. Und lass alles Made in Bangladesh liegen..Und sag das auch an der Kasse.
Es gibt faire Produktionen in Bangladesh. Aber das eine Fast Fashion Kette wie zB H&M fair in Bangladesh produzieren lässt: eher sehr unwahrscheinlich.
Und dann gibt es Ketten, die gehen einfach nicht, das darf man nicht, wenn man etwas Anstand und Mitgefühl im Leib hat: Primark zum Beispiel. Und so einige mehr. Absurd kleine Preise sollten stutzig machen. Ungefähr so wie der IKEA Hotdog: 50Cent für eine Wurst kann einfach nicht stimmen.. Und ein TShirt für 4,99€ oder eine Jeans für 9,99€ können auch nicht stimmen.
Das sind jetzt nur ein paar schnelle Mini-Tips, aber sie verdeutlichen vielleicht, was ich meine: brich es dir herunter. Denn das schlechte Gewissen ist blöd und bremst und verdirbt den Spaß. Fang an, Kleinigkeiten zu ändern und mit der Zeit wächst du herein und nachhaltiger Konsum wird immer leichter. Und es ist schöner!!! Du nimmst ja durch einen veränderten Konsum auch deine Umwelt verändert war.
Liebe Grüße und viel Spaß!!
Anne
Abgesehen von American Apparel stimme ich dir komplett zu, und liebe Jessie, wenn du ein bissl durch diesen Blog klickst, wirst du immer wieder Tipps in diese Richtung finden. Das schlechte Gewissen kenne ich auch, aber hey, es ist doch ganz klar so, dass jede/r sein eigenes Tempo geht, lass dir nix vorschreiben, aber schau dich um und informier dich. Was American Apparel angeht: Eine Firma, die derart mit Sexismus arbeitet, und bei der die eigenen Angestellten verlangen, „sweatshopfree“ aus dem Logo zu streichen, kann ich nicht unterstützen. Sie mögen vielleicht besser sein als jene, die nur in Bangladesch produzieren, aber das reicht mir persönlich noch nicht.
Ich weiß!! American Apparel ist dünnes Eis. Aber es ist ein kleiner Kompromiss, wenn es um Basics geht. Um einen Anfang zu finden.. Aber ich weiß ich weiß…dünnes Eis.
Liebe Frau Gorke, liebe Nunu,
Ich möchte mich noch gern abschließend für’s Mutmachen bedanken. Ihr habt ja Recht! Irgendwie war der Frust auf einmal groß. Danke auch für die vielen Tipps!
Übrigens, nachdem ich doch tatsächlich gleich zweimal hintereinander durch den H&M gestromert bin,hab ich festgestellt: ich kann es nicht. Bin also schon weiter als gedacht!
Lieben Gruß,
Jessie
Ich habe die Diskussion hier mit großem Interesse gelesen. Ich hab generell große Schwierigkeiten im konventionellen Größenspektrum einzukaufen. Als Inbetweenie werd ich leider auch in der Übergrößenabteilung nicht wirklich fündig.
H&M war für mich lange fast die einzige Anlaufstelle, die überhaupt annähernd meine Größe mit abgedeckt hat. Jetzt hab ich endlich einen Langgrößenabieter gefunden, in dessen Sortiment ich ganz gut reinpasse. Über den gibt es aber nicht wirklich Informationen zur Nachhaltigkeit.
Falls jemand Tips hat, ob irgendein vertretbarer Hersteller realistische Langgrößen (oder überhaupt irgendwas jenseits der 42 bzw. einer XL die in Wahrheit eher eine L ist) anbietet wär ich sehr dankbar.
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