Im letzten Spiegel war ein Interview mit Primark-Nordeuropa-Chef Wolfgang Krogmann. Gut, ich habe eine sehr eindeutige Sicht der Dinge, und hab das ganze Interview mit viel Befremden gelesen. Da spricht ein Neoliberalist und Kapitalist höchster Schule. Eh klar, der ist auch wirklich überzeugt vom System Primark (sonst wär er auch nicht der Chef). Nur manchmal, da hats mir dann halt schon die vielzitierten Zehennägel hochgerollt. Bin gespannt, was ihr sagt. Hab nur ich nach diesen Zitaten so Bauchweh oder ihr auch?
Zum Beispiel:
Früher haben die Kunden mit Markenkleidung bestimmte Werte wie etwa Qualität oder Design verbunden. Heute haben viele begriffen, dass Qualität nichts mit dem Preis zu tun hat.
Nur welche Schlüsse draus gezogen werden, das variiert halt. Manche haben begriffen, dass Unternehmen auf unfair und unökologisch produzierte Ware einfach nur viel mehr Marge drauflegen, und so das eigene Marketing wieder weiter finanzieren. Und andere…. habens eben nicht begriffen.
Mein „Lieblingsteil“ des Interviews ist jedoch folgender:
Spiegel: In sozialen Netzwerken liest man Begriffe wie den des „Primark-Zombies“, eine Anspielung darauf, dass manche Kunden anscheinend in den totalen Kaufrausch verfallen.
Krogmann: Der Ausdruck ist mir neu. (…)
Und etwas weiter unten:
Spiegel: Sie bieten Ihren Kunden beispielsweise schon am Eingang Shoppingtaschen so groß wie Wäschesäcke an. Darin sehen ein oder zwei Teile geradezu mickrig aus.
Krogmann: Nicht wir haben diese großen Taschen erfunden. Wir haben nur auf das Verhalten der Kunden reagiert. Die Taschen sind Teil des Primark-Erlebnisses. Die Leute gehen damit durch den Laden, werfen etliche Artikel hinein und treffen dann eine Auswahl.
(….)
Spiegel: Wir schätzen, dass ein Kunde pro Einkauf durchschnittlich 40 Euro ausgibt.
Krogmann: Nein, es ist deutlich weniger.
Spiegel: Das widerspricht aber Ihrem Einwand, dass Sie nur so große Shoppingtaschen haben, weil die Kunden massenhaft kaufen.
Krogmann: Niemand ist gezwungen, die Taschen zu nehmen. (…)
An dieser Stelle ist den Spiegel-Redakteurinnen zu danken. Sie zeigen wunderbar auf, wie Krogmann seinem eigenen Marketingkonzept widerspricht. Ich sag immer, es gibt viele Wahrheiten, jede/r hat seine eigene Perspektive – aber Logik hat halt schon seine Grenzen.
Und folgendes Zitat von ihm zeigt sowieso sein wahres Gesicht – Primark hat einfach keinen Bock, Verantwortung zu übernehmen – und zwar für seine eigenen Kunden. Ja, man kann jetzt diskutieren, ob Unternehmen das müssen. Ich finde, wenn es um Überkonsumismus geht: Ja, sie müssen. Vor allem sich klar werden, dass sie Profit machen auf Kosten ärmster Leute und der Umwelt – und ihre eigenen Kunden indirekt zu Mittäterinnen machen:
Wir verkaufen hohe Stückzahlen, das ist richtig. Welche Wertschätzung eine Gesellschaft Kleidung entgegenbringt, ist eine andere Frage. Es ist nicht die Aufgabe von Primark, einer 16-Jährigen ein Gefühl dafür zu vermitteln, wie viele Paar Schuhe sie besitzen muss.
Das Traurige ist: Auch das ist aus seiner Perspektive natürlich richtig – er stellt das Angebot, aber das Maßhalten haben die Eltern den Töchtern beizubringen. Trotzdem schreit da mein Gerechtigkeitssinn auf. Es kommt mir vor wie ein Typ am Kirtag, der Kinder anlockt mit Zuckerwatte, Spielzeug, Plüschtieren, bei seinem Stand glänzt und glitzert alles, er lockt und lockt und verspricht, die Kinder könnten sich bei seinem Stand sogar Süßigkeiten UND ein Feuerwehrauto leisten, und dann sagt er plötzlich: „Aber ob das richtig ist, was ihr da macht, das muss eure Mama euch sagen. Ich mein, ich verkaufs euch so oder so, mir ist das ja wurscht.“ Völliges Sich-Abputzen. Grml.
Übrigens: Im selben Interview erwähnt Krogmann, dass sie mit Greenpeace kooperieren und Teil der Detox-Kampagne sind, also bis 2020 auf bestimmte giftige Chemikalien verzichten wollen. Das ist gut und lobenswert. Aber es ist ein Teil innerhalb des großen Feldes namens Textilproduktion. Und obwohl ich gerne und leidenschaftlich für die Detox-Kampagne arbeite, weil da wirklich weltweit was weitergeht, werd ich Primark und auch andere Fast Fashion Produzenten weiterhin für die Dinge kritisieren, die immer noch komplett falsch laufen. Die Detoxkampagne ist nämlich viel zu gut und vor allem viel zu schade, um eine Feigenblattfunktion für Fast Fashion Hersteller zu erfüllen.
Schönes Beispiel, wie man im Marketing doch alles nach hier und da drehen kann, wie es gerade zum Unternehmen passt. Schade, dass es so vielen Menschen nicht von selbst auffällt, dass ein Bikini für 4 Euro nicht fair produziert sein kann. Und dass auch ein Bikini für 50 Euro höchstwahrscheinlich nicht fair produziert wurde, macht es noch schlimmer.
Einmal war ich bei Primark – und es war fürchterlich! Nein – die Taschen am Eingang können noch so groß sein, ich kann diesen Müll nicht kaufen. Ganz ehrlich, ich verstehe den Run auf die Läden nicht.
Es ist der Verbraucher, also Du & ich, der die Entscheidung trifft.
Kauf ich den Müll oder lass ich’s lieber sein.
Danke, dass Du den Blog so motiviert und engagiert weiter machst!
[…] Paar Sneakers, Sandalen und Stiefeletten (hier auf dem Flohmarkt gekauft). Meine Freundin Nunu von Ich kauf nix hat mal wieder Luft abgelassen und sich – wie es ihre coole Art ist – über ein […]
Hatte zuerst den Text gelesen. Dann kamen die Bilder. Das war ein Schock…
Danke für diesen so wichtigen Artikel – ob DM, Primark oder andere – es ist so wichtig, diesen Leuten zuzuhören, um den ganzen Wahnsinn zu verstehen, der sich Markt nennt!
Die Antworten des Mannes sind für mich ganz typisch.
Jeder schiebt die Verantwortung weg. Die Ketten sagen: Die Käufer müssen reagieren. Die Käufer sagen: Ja, wenn die großen Ketten nichts machen.
Und so hat am Ende keiner die Verantwortung…