Gestern hielt Sina Trinkwalder einen Vortrag in Wien. Ich wusste schon, was auf uns zukommen würde, Sina ist eine begnadete Rednerin. Sie löste mit ihren teilweise absichtlich provokativen Thesen bei einigen wenigen auch Unmut aus, aber grundsätzlich kam ich mir vor wie bei einer Gospelveranstaltung. Alle paar Minuten raunte das Publikum „ja!“ oder „Richtig!“…
Der Satz im Titel hat mir bis heute zu denken gegeben. Wir alle haben wunderbare Ausreden für alles, damit wir uns nicht ändern müssen. Ist auch bei mir so. Meine Ausreden reichen von „Aber heut Nachmittag solls regnen, da nehm ich heut früh das Fahrrad gleich mal nicht“, wenn ich in Wahrheit zu faul bin, die Steigung ins Büro zu radeln (und mal ehrlich: Das hat mir noch kein einziges Mal geschadet) über „Aber es ist eh Bio-Schokolade/Bio-Bier/Bio-wasauchimmer“ bis hin zu „Ich hab eh so viel zu tun, ich hab da grad keine Zeit dafür“. Letzteres ist universal einsetzbar. Sei es, Verwandte zu besuchen, sei es, gemeinnützig zu arbeiten, sei es, sich aus der eigenen Komfortzone rauszubewegen.
Im Leben bleibt man nie stehen. Tut man es doch, schiebt das Leben selbst einen an. Das ist dann eher unentspannt und nicht zu empfehlen, tut aber hier nix zur Sache.
Komfortzonen gibts auch im textilen Bereich. Immer wieder werde ich gefragt: „Aber wo bekommt man die Sachen denn?“ und „Aber das schaut doch alles gleich aus, wo finde ich denn was, was ich auch ins Büro anziehen kann?“ oder „Aber es ist so teuer!“
Auch das sind alles Ausreden. Wer wirklich nachhaltig Textilien konsumieren will, findet Lösungen. Kauft weniger und in guter und (oft, aber nicht immer!) teurerer biofair-Qualität. Spielt nicht jeden Style-Trend mit. Informiert sich, wo man die „richtigen“ Textilien bekommt. Leute, das Internet ist voll von Ratgebern und Guides für diverse Städte und das Internet selbst, wo man besser konsumieren kann. Und es gibt wirklich alles, jeden einzelnen Stil auch in Bio und Fair bzw. in Second Hand. Oder getauscht. Oder man fordert mal die eigene Kreativität heraus und setzt sich selbst an die Nähmaschine. Aber es gibt IMMMMMMMMER Alternativen. Wer all diese Alternativen aus Zeit- oder sonstigen Gründen ablehnt, der will sich schlicht nicht ändern. Der erfindet Ausreden.
Und es ist ja auch ok! Weil es so wahnsinnig nachvollziehbar ist. Hin und wieder, da mag man einfach nicht nachdenken, da mag man einfach nur das Angebot, das sich um einen selbst ausbreitet, wahr- und annehmen. Da will man sich einfach zurücklehnen und dem hohen Gut Hedonismus frönen. Nur an einem Punkt hat dieser Hedonismus ein Ende, und man sollte auf die inneren warnenden Stimmen hören: Wenn andere durch unser Verhalten und unsere Ausreden leiden. Und das ist im textilen Bereich aber sowas von der Fall. Während es womöglich in anderen Produktbereichen den EndkonsumentInnen nicht immer bekannt ist (gut, bei Lebensmitteln und Elektonika hat sich auch schon herumgesprochen, dass da nicht alles eitel Wonne ist), kann mir im Textilbereich echt niemand erzählen, dass sie noch nie von den miesen Bedingungen in Bangladesch und Co. gehört haben.
Wir alle haben wunderbare Ausreden für alles, damit wir uns nicht ändern müssen.
Traurig.
Hat dies auf Fundstücke aus dem Internet rebloggt und kommentierte:
Stimmt. Manchmal verstecken sich die Ausrede sogar so gut, dass ich es mir selbst glaube und ganz genau hinschauen muss, um mich selbst zu entlarven.
Ich kenne das nur zu gut von mir, dass ich mir selber die verschiedensten Ausreden zurecht lege, warum es doch okay ist bestimmte Kleidungsstücke zu kaufen. Was meistens dahinter steckt, ist schlichte Bequemlichkeit oder Geiz. Seit ein paar Monaten gehe ich dann aber doch nicht zur Kasse, weil mich das schlechte Gewissen vorher erwischt. Wenn ich anfange mich zu fragen, wer denn wohl das T-Shirt hergestellt hat und unter welchen Bedingungen, ob es vielleicht ein Kind war, eine Hochschwangere, jemand Krankes oder jemand sehr armes, dann ist die Freude über das Schnäppchen schnell weg. Ich will auch kein Mensch sein, den das Leid und die Ausbeutung von anderen egal ist. Also heißt es für mich jetzt secondhand und fair kaufen oder mit dem zufrieden sein, was ich besitze. Meine fairen T-Shirts schätze ich auch deutlich mehr, als die für 5€.
Liebe Grüße
Leela