Ach, wenn das Bloggen wieder Spaß macht, dann flutschts. Jetzt muss ich mich mal gewaltig aufregen. Ich bin rasend sauer, weil ich mich unfassbar verarscht fühle. Und weils vielleicht mal ganz spannend ist, mal von „hinter den Kulissen“ zu berichten.
Irgendwann letzte Woche bekomm ich ein Mail von RTL Extra. Scheißfreundlich. „Wir von RTL EXTRA, dem Reportagemagazin mit Birgit Schrowange, planen gerade einen Beitrag zum Thema „Kaufrausch“ und sind im Rahmen unserer Recherchen auf Sie aufmerksam geworden. Hätten Sie Zeit und Lust, unseren Beitrag zu unterstützen und uns ein Interview zu Ihrem „Ich kauf nix!“-Projekt zu geben?!“
Ich denk mir, yay, die checken das mitm Kaufnixtag! Juhu! Na klar mach ich das! Schnell war zugesagt, und am nächsten Tag rief mich die Redakteurin des Wiener Produktionsteams an, wir sprachen über Kaufnixtag und Drehorte. „Ja, also, das haben die eh schon mit dir besprochen, wir haben drei Drehorte, zuerst bei dir in der Wohnung…“ – „Es wurde nichts mit mir besprochen, und nein, bei mir in der Wohnung wird nicht gedreht, eiserne Regel. Ich hatte schon viele Interviews, und lediglich mein allererstes zu Ich kauf nix hat in der Wohnung stattgefunden. Das mache ich seither grundsätzlich nicht, meine Privatsphäre ist mir heilig“, unterbrach ich die Dame, die im ersten Moment etwas konsterniert reagierte (und ich frag mich: Lassen Leute echt so oft Drehteams in ihre Wohnungen? Für mich ist das wirklich ein absolutes No-Go!). Und musste ihr gleich mal dabei helfen, Drehort und dazupassende Drehgenehmigung zu organisieren. Beim ersten Telefonat und auch direkt am Anfang beim Dreh wurde gesagt: „Wir müssen das Material eh bis 12h nach Köln schicken, bis dahin müssen wir fertig sein.“
Der Dreh dauerte im Endeffekt von 9:30h bis fast 14:00h. Viereinhalb Stunden. Ich habe bereits wirklich viele TV-Beiträge gemacht, auch längere Features als die üblichen Drei-Satz-Interviews für Greenpeacebeiträge. Aber noch NIE hat ein Dreh viereinhalb Stunden gedauert.
Ich sagte noch zur Redakteurin, sie habe Glück, dass ich grad quasi arbeitslos (also eigentlich im Urlaub) bin, sonst würd ich das niiiiie machen. Aber ich machte es, weil ich mir dachte: Auf RTL übers Nixkaufen berichten, wie geil. Diese Zielgruppe brauchts, damit sich wieder bissl mehr bewegt – alles, was außerhalb der von nicht gar so Wohlgesonnenen oft „Gutmenschenbubble“ genannten Szene bewegt, ist gut, erreicht mehr Leute. Und ganz ehrlich: Natürlich freute ich mich auch über einen Nennung von ich kauf nix, vielleicht würde es ja den Buchverkäufen neuen Schwung verleihen. Klar! Gar so heilig bin ich auch nicht – aber die Freude über das Erreichen einer neuen Zielgruppe war definitiv höher.
Kurz wurde ich stutzig, als ich der Redakteurin über die Schulter blickte und sah, dass über ihren Interviewfragen das Wort „Fehlkäufe“ stand. Ich fragte nach, warum ich so ausführlich befragt wurde, und sie meinte: „Das wird ein Zwanzigminüter, und du wirst eine der Hauptdarstellerinnen.“ Pfuh, da wurde mir zum ersten Mal etwas mulmig. Wollte ich das? Egal. Kaufnixtag an RTL-Zuschauerinnen. Machte ich halt wiedermal das Gesicht dafür – und beantwortete über Stunden die gleichen Fragen, lies mich in verschiedenen Outfits filmen (und das noch recht …. unausgeschlafen 😉 vom Vorabend und entsprechend leichenartig aussehend, meine Güte, war ja kein Beautycontest), wartete, wartete, wartete, beantwortete wieder die gleichen Interviewfragen, tat so, als ob ich in meinen Laptop tippte, tat so, als ob ich hochinteressiert am Laptop las, tat so, als ob ich vor einem Laden stehe und kopfschüttelnd mit dem Finger auf die in der Auslage gezeigte Mode zeige (das tu ich sonst nämlich auch immer, wenn ich auf der Mahü bin, natüüüüürlich…).Irgendwann brachte der Praktikant noch diese Einverständniserklärung vorbei, die es so oft bei solchen Drehs gibt, die Redakteurin hatte sie nämlich vergessen. In denen unterschreibt man, dass das Bildmaterial dem Sender gehört und sie es auch anderweitig einsetzen dürfen, und dass quasi deine Seele ihnen gehört – zumindest steht Derartiges oft in solchen Vereinbarungen. Die von jenem Dreh überflog ich nur kurz, ich war schon etwas ungeduldig, zugegeben, unterschrieb sie (weil mir ja eh nix anderes übrig blieb, sollte ich nach drei Stunden Dreh sagen, nein, das unterschreib ich nicht, auf Wiedersehen?). Was aber neu war: Eine eigene Kopie bekam ich nicht ausgehändigt.
Gesendet werden sollte gestern Abend. Und da war auch ein Beitrag zum Thema. Zum Thema „Fehlkäufe“ nämlich. Und Kaufnixtag sowie mein Projekt und meine Schwärmerei von Second Hand und dem Tauschen von Fehlkäufen mit Freundinnen, denen sie einfach besser passen als mir, kam nicht mal vor. Stattdessen Tipps einer Stylistin, die einer Frau, für die ein schwarzes Shirt ein Fehlkauf war, ein rosa Tuch umhängte, und jene dann totaaaal happy in die Kamera sagte, dass sie sooo froh ist über diesen Tipp, weil sie jetzt das Shirt doch sicher tragen würde, von alleine wäre sie da niiie draufgekommen, aber boah, Erleuchtung, in Zukunft wird sie sich nix Schwarzes mehr kaufen. Geeenau. Oberflächlichkeit pur. Ja, RTL halt, aber trotzdem: Ich wurde rasend. In jedem anderen Fall, in dem ein Beitrag mit mir dann doch nicht gebracht wurde, wurde ich wenigstens im Vorfeld informiert. Nix.
Das Foto in diesem Beitrag musste ich aufgrund sanfter Androhung juristischer Schritte entfernen. Zu sehen war das Team bewusst nur von hinten, aber ok, ich reagiere zeitnah auf Kritik. Point given.
Ich habe also viereinhalb Stunden mit einem Filmteam verbracht, in denen ich hätte schreiben können (es gibt übrigens endlich wirklich ein neues Buchprojekt, yay!), für nix und wieder nix. Und was mich so stinkewütend daran macht: Es war vorher schon klar, wie der Beitrag aufgebaut werden sollte, aber mir wurde nix gesagt. Ich musste die Einverständniserklärung unterschreiben, bin damit rechtlich machtlos.
Meine Wut hat nichts mit Mediengeilheit zu tun, null, sondern schlicht mit der Tatsache, dass mir viereinhalb Stunden gestohlen wurden, in denen mir noch dazu falsche Tatsachen vorgespiegelt wurden, während ich versuchte, meinen Part in der Sache halbwegs professionell zu erfüllen. Und ich bin nun mal so: Gerate ich in eine Situation, in der ich unfair behandelt werde, und nichts dagegen tun kann, werde ich stinkend sauer, dann rauchts mir aus Ohren, Nase und Mund gleichzeitig. Darum war ich wohl in der Kampagnenarbeit für NGOs auch jahrelang so gut aufgehoben…
Und was mich noch viel mehr ärgert, ist der Gedanke, dass RTL mit all seinen ProtagonistInnen so umspringt: Dieses völlig automatische davon Ausgehen, dass man unglaublich geil drauf ist, ins Fernsehen zu kommen, und mit den Leuten dann umspringen, als ob die ihre Zeit geschenkt bekommen. Das Filmteam wird für die Drehs bezahlt, die ProtagonistInnen nicht. Über die unterschriebene Erklärung ärgere ich mich gerade am allermeisten, denn am liebsten würde ich ihnen eine saftige Honorarnote für die entgangene Zeit stellen, und das Geld dann an eine Organisation spenden, die sich um textile Themen kümmert. Unglaublich, wie viele Fahrscheine man mit beispielsweise 500 Euro zusammenbekommt, mit denen Flüchtlinge in die Kattunfabrik fahren können, um das Nähhandwerk (wieder) zu lernen und fit fürs AMS zu werden.
Hätte mich am Sonntag oder Montag jemand angerufen und mir gesagt: Sorry, wir bauen den Beitrag anders auf, du bist nicht dabei – ich wäre weder in die Sinnkrise gefallen, noch hätte ich vor Enttäuschung geweint, weil gerade dieser Beitrag ja mein großer Durchbruch hätte sein können (Bullshit. Ich kann mich an kein einziges Interview erinnern, das ich nicht für die Sache gegeben hätte. Um mich gehts mir da nicht. Wenn ab morgen nie wieder ein Medium anklopft, dann leb ich auch glücklich und im Seelenfrieden weiter. Einen Großteil meiner Medienauftritte habe ich bewusst durch die Kündigung bei Greenpeace aufgegeben. Ich bins nur langsam leid, das so oft wiederholen zu müssen: Ja, ich instrumentalisiere mich für die Sache. Aber nicht, weil ich auf Fame aus bin, sondern weil ich verdammtnochmal will, dass es endlich zu einem Umdenken in unserem Konsumverhalten kommt, und weil ich gemerkt hab, gut, ich hab die Pappm dazu, ich stell mich da jetzt hin und pfeif den Leuten meine Überzeugung um die Ohren. NICHTS ANDERES. Himmel.). Aber so mit Leuten umspringen und ihnen Zeit stehlen, das geht einfach nicht. Ich hab jetzt keine Lust drauf, dass es heißt, die regt sich auf, weil sie nicht vorkommt. Nein, die regt sich auf, weil im Vorfeld unprofessionell agiert wurde, und weil es eine Sache des Respekts ist, informiert zu werden. Dass ich in diesem letztendlich gesendeten Beitrag nicht vorkam, war sogar sehr, sehr gut, ich hätte mich gewaltig geschämt.
Und das musste ich mir jetzt von der Seele schreiben. Im Vergleich zu anderen Problemen ein völliger Dreck unterm Fingernagel, das ist mir sonnenklar, aber ich bin halt trotzdem sauer… Und wenn das einzige Ergebnis dieses Beitrages ist, dass jemand den Link zur Kattunfabrik anklickt, sich über das Projekt informiert und beschließt, es zu unterstützen, bin ich schon zufrieden. Oder wenn jemand, der mal von irgendeinem der üblichen Privatsender für einen Beitrag befragt werden soll, einfach nein sagt. Ich werd das in Zukunft auch öfter tun.
So. Alles runtergeschrieben, Ärger ausgeraucht, danke fürs „Zuhören“. Pfoooah ey. Tut grad irgendwie gut, so was mal zu veröffentlichen und ausnahmsweise mal nicht „drüber zu stehen“.
Gut das du das von der Seele geschrieben hast . Nun weißt du wenigstens genau wie solche Sender und deren Informationssysten laufen . Und es ist gut das so weiter zu geben . Vielleicht schauen irgendwann weniger Leute diesen einfallslose Unterhaltung.
Die haben wahrscheinlich erst beim Dreh gespannt, wie ernst Du das Thema nimmst und befürchten, damit ihre Zuschauer zu vergraulen. Du kannst nur hoffen, dass sie das Material nicht in irgendeinem anderen Kontext mißbrauchen.
[…] übrigens, wer den Beitrag über RTL gelesen hat, ein kleines […]
Echt unmoeglich! Eine vertane Chance! Schade um deine Zeit!
[…] zu verkaufen – die Einnahmen werde ich abzüglich der Eigenkosten spenden. Apropos Spenden: Ich bekomm von RTL 150 Euro, stocke das auf auf 200, und wenn die Kohle überwiesen ist, geht sie direkt weiter an die […]