Habe mich heute mit einem alten Freund getroffen, mit dem ich vor langer Zeit mal regelmäßig unfassbar viel zu lachen hatte (unvergessene Momente auf Wiener Wohnungsparties!), mit dem ich aber auch immer gut ernsthaft reden konnte. Der blöderweise im falschen Land wohnt, und der meine Entwicklung der vergangenen Jahre und meine Themen zwar mitverfolgt hat, aber eben nur aus der Entfernung. Er stellte eine Frage, mit der ich mich zwar selbst bereits seit langer Zeit auch beschäftige, die im Moment aber gerade für mich selbst auch wieder drängender geworden ist: „Bio ist halt Luxus. Und ist ja gut, wenn die Leute kapiert haben, dass sie sich kein Shirt vom fünf Euro beim Textilschweden kaufen sollen, aber was sollens denn dann tun? Wie wissen sie, welches die „guten“ Marken sind, und können sie das überhaupt finanzieren? Es ist halt teurer, das gute Zeug!“ (Lieber R., falls ich dich jetzt nicht wörtlich erwischt hab, red ich mich auf Übersetzungsfehler aus dem Schweizerdeutschen raus 😉 ).
Einerseits wär die Antwort ja leicht: Wer das Geld hat, hat die Macht. Also sollen die, die das Geld haben, es bitte auch bewusst einsetzen und ihre Konsumhandlungen kritisch überdacht setzen. Sich eben ein biofaires Shirt um dreißig Euro kaufen, dabei aber auch wirklich auf die Qualität schauen (Nähte, Stoffqualität, usw.), und eben nicht sechs Shirts beim Textilschweden um den gleichen Preis. Denn damit wird ja eben auch ein Zeichen gesetzt: Liebe Wirtschaft, mir ist bio und fair wichtig, ich will, dass mein Geld dort hin geht, wo darauf geachtet wird. Einfache Rechnung, de facto. Und damit mehr Menschen derartige Käufe leichter gemacht werden, gibt es Orientierungshilfen wie den Fashion Shopping Guide von Greenpeace oder das wunderbare Webportal Get Changed. Und wer Quantität mit Qualität aufwiegt, wird merken, dass es nicht zwingend teurer ist – einfach, weil die Philosophie hinter biofairer Mode auch die Langlebigkeit und Haltbarkeit ist.
Aber was ist mit denen, die sich das eben nicht leisten können? Die wirklich darauf angewiesen sind, dass ein Shirt nur fünf Euro kostet? Ich nenne da als Beispiel immer die imaginäre Teilzeit arbeitende und alleinerziehende Supermarktkassiererin. Der würde ich doch niemals vorwerfen, dass sie sich bitte nicht drum kümmert, sich biofair einzukleiden! Abgesehen von der fehlenden Finanzierung und der fehlenden Zeit, sich zu informieren ist da wahrscheinlich das Bewusstsein gar nicht da! Natürlich gibt es de facto auch für sie Alternativen, sei es Second Hand oder seien es Tauschkreisel. Ich kann aber auch verstehen, dass bei Leuten, die finanziell auf Second Hand angewiesen sind, das wiederum stigmatisiert ist. Und ein Neu-Gefühl um das gleiche Geld für sie eine viel höhere Wertigkeit hat.
Ich will jetzt auch gar nicht von denen ja und uns da und elitäre Scheiße und blabla schreiben. Tatsache ist: Mein Umfeld ist über weite Strecken eines, in dem sich Leute hin und wieder was leisten können, das über die Grundbedürfnisse Dach überm Kopf, Wärme und Essen hinausgeht. Die einen mehr, die anderen weniger. In meinem Freundeskreis gibts keine alleinerziehende Billakassiererin, aber eine alleinerziehende Unilektorin (und auch die muss sehr drauf schauen, dass sie am Ende des Geldes nicht allzuviel Monat übrig hat). Es gibt auch eine alleinerziehende Kellnerin, die ihre Sachen regelmäßig am Flohmarkt verkauft, gar so schwarzweiß ist es eben einfach nie. Das ist keine elitäre Selbstdarstellung, sondern eine ungeschönte Betrachtung meines Umfelds. Ist einfach so. Und von diesem meinem Umfeld traue ich mich auch etwas einzufordern, und zwar kritischen Konsum.
Im Endeffekt wünsche ich mir das natürlich dann auch von der imaginären Supermarktkassiererin, denn nur wenn immer mehr und mehr Menschen kritisch konsumieren und ihre Käufe ein bissl überdenken, kann sich was ändern. Und genau das ist der Grund, wieso ich Erlebnisdiskontershoppen wie bei Primark sehr sehr sehr sehr sehr kritisch sehe. Weils damit einfach in die falsche Richtung geht.
Fazit: Biofaire Kleidung befindet sich derzeit noch in einer Luxusnische. Derzeit noch schreibe ich, weil ich die Hoffnung nicht ganz aufgebe, dass faire Produktion und ein höherer Anteil an Biobaumwolle und sonstigen umweltverträglichen Textilien irgendwann mal selbstverständlich wird wie Biobananen beim Diskonter. Aber das, was außerhalb der Nische passiert, ist halt sehr bedenklich, weils immer schneller in eine immer unkritischere Richtung geht. Diejenigen, die es sich jetzt schon leisten können, können für eine höhere Nachfrage an biofairer Kleidung sorgen – damit diese mal für breitere Schichten verfügbar ist. Aber wenn sich dieses Primark-Shoppinggefühl weiter durchsetzt, seh ich leider sehr dunkelgrau für so eine optimistische Zukunft.
Bissl hin und her, der Beitrag, aber ich wollt nochmal heute Besprochenes ein bissl reflektieren. Übrigens das feinste Detail am Rande: R. saß den ganzen Abend in einem Hemd von Knowledge Cotton Apparel da. „Was, das ist öko und fair? Ich habs cool gfunden, aber sauteuer wars“, war sein Kommentar. Er hats also unabsichtlich richtig gemacht! 🙂