Primark: Zynismus innerhalb des Systems

Interessant, der Primark-Chef meldet sich zu Wort. Was ich daran spannend finde: Er bewegt sich nicht aus seinem System heraus. Innerhalb des Systems, in dem er produzieren lässt, kann er in dem Interview die Vorteile herausstreichen. Diese „Vorteile“ sind von außen betrachtet jedoch wirklich absolute Mindeststandards, und ich trau mich wetten, dass es nicht so sauber läuft, wie er beschreibt.

Und er merkt gar nicht, wie zynisch er ist, wenn er sagt:

„Das ist allerdings der Anfangslohn für einen ungelernten Arbeiter. Qualifizierte Beschäftigte bekommen mehr. Ohnehin können sie das Lohnniveau natürlich nicht mit dem in Europa vergleichen. Als ich zuletzt dort war, habe ich selbst recherchiert: Was kostet das tägliche Leben? Was kostet ein Kilo Reis? Dabei bin ich zu dem Schluss gekommen, dass der Wert des dortigen Mindestlohnes gemessen an den Lebenshaltungskosten durchaus mit dem des deutschen Mindestlohnes vergleichbar ist.“

Wo steht geschrieben, dass NäherInnen nur den Mindestlohn kassieren können? Und wie kann ein Mensch, der wahrscheinlich in dicker Eigentumsbleibe samt zwei Garagen und Feriendomizil behaupten, von einem Sackl Reis ausgehend zu berechnen, dass der Lohn ja eh ok ist für die Leute dort?!

Interessant finde ich auch diese Antwort, da sie zeigt, wie leicht man in einen Satz zwei Wahrheiten legen kann. Was sind „gute Preise“, für wen sind sie „gut“?

„Sicherlich verhandeln unsere Einkäufer gute Preise. Das machen die Kollegen der Konkurrenz aber auch. Beim Einkauf haben wir also ähnliche Kosten. Zumal die Mitbewerber in denselben Ländern und zum Großteil in denselben Fabriken produzieren wie wir auch. Die Arbeiter und Näherinnen in Fernost erhalten die gleichen Löhne – ob sie für eine Nobelmarke produzieren oder für einen Fashion-Anbieter mit niedrigen Verkaufspreisen wie Primark.“

Ich muss da immer wieder mein Lieblingsbild, geschossen von mir in einer Primarkfiliale, zeigen. DAS wollen die nämlich. Und hinter diesen Kleiderbergen steht dann Mindestlohn und ein zynisches System. Das Interview ist ein guter Aufhänger, mal wieder zu betonen: Liebe Leute, bitte nehmt solche Aussagen nicht kommentarlos hin, nur weil der da in Anzug und Krawatte schlau ausschaut und einflussreich. Das, was er in dem Interview wohl sehr bewusst nicht tut, und zwar über den Tellerrand schauen und unterschiedliche Perspektiven annehmen, sollte für uns Pflicht sein.

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8 Gedanken zu „Primark: Zynismus innerhalb des Systems

  1. Ich finde die Thematik Primark immer etwas schwierig. Ich selber kaufe dort nichts mehr. Wenn ich unseren Laden in Bremen betrat, habe ich direkt Kopfschmerzen bekommen. Die Kleidung ist zum Wegwerfen gemacht, was man bei den Preisen auch zu erwarten hat. Kein Zeichen von Nachhaltigkeit.
    Was ich immer wieder faszinierend finde, ist was für Massen Kunden dort herausschleppen. Nicht selten reißen den Kunden die Tüten, weil sie so viel gekauft haben, nur um jedes Teil 1 oder 2 Mal zu tragen und in ein paar Wochen zurückzukommen, um erneut einen solchen Berg Kleidung zu kaufen. Geschäfte wie Takko oder Kik waren hingegen verschrien für ihre niedrigen Preise, während Leute bei Primark durchdrehen und an einem Nachmittag ihren gesamten Kleiderschrank (temporär) füllen.

    • Interessant ist auch, dass man bei Takko oder Kik noch das Gefühl hat, Kleidung zu kaufen. Das „fühlt“ sich noch ein wenig wie ein normaler Klamottenladen an…. bei Primark dagegen wird gekauft wie im Supermarkt. Einfach rein damit in den Korb.

  2. D sagt:

    Da wird ja noch nichtmal anprobiert. Da wird blind mitgenommen, ggf. zu Hause anprobiert und dann weggeschmissen oder retourniert. Bei einer Retoure wird dann wieder Zeug mitgenommen. Das ist doch absurd.

  3. Alex sagt:

    Mit einer Sache hat der Mann leider recht. Egal ob für eine Nobelmarke oder einen Discounter genäht wird, die Näherinnen erhalten den gleichen Lohn.
    Das macht mich als Kunden so machtlos irgendwie. Egal ob ich Seindensticker oder Aldi kaufe, die Näherin bekommt das gleiche Geld.
    Wenn ich mir dann Bio Fairtrade Mode anschaue, dann verstehe ich die Preisgestalltung nicht so ganz. Warum kostet ein einfaches Business-Hemd 99 Euro? Ein Pullover auch 99 Euro und eine Hose 120 Euro? Es fehlt einfach ein Nachweis der Wertschöpfungskette. Warum soll ich 120 Euro für eine Hose bezahlen, wo ich nicht sicher sein kann, ob die Näherin wirklich mehr erhält. Vielleicht sackt auch der Shop den Mehrpreis ein, wie es bei den großen Labels ist. Selbst wenn ich bereit bin für faire Bezahlung mehr zu bezahlen, kann man kaum sicher sein, dass am Ende die entsprechenden Personen mehr erhalten.

    Vielleicht sehe ich das alles schwarz, aber ähnlich wie bei Bio-Lebensmitteln verdient die Insdustrie an den ganzen Siegeln dich dumm und dämlich.

  4. Claudia sagt:

    und schon wieder ist Primark der böse.
    Wegen den Mengen die alle dort einkaufen, glaubt ihr nicht das liegt zum Großteil an der Erziehung?
    Ja ich kauf bei Primark, weil das die Marke ist die meinen Kindern am besten passt und qualitativ ist kein Unterschied.

    Wie könnte Primark garantieren dass die Näherinnen mehr Geld bekommen? Glaubst wirklich das würden sich nicht die Fabrikeigentümer einnähen (haha wortspiel).

    Und meine 7jährige lässt sich auch nicht mehr mit irgendwelchen „ökooutfits“ die ihr (weil leider wirklich furchtbar dünn) alles zu groß ist.

    Ach Gott eigentlich will ich mich nicht rechtfertigen.
    dafür ist unser Konsum reduziert

    LG Claudia

  5. Primark ist ein Krebsgeschwür, das durch Sinnloseinkäufe quasi Metastasen in den Köpfen der heimischen Konsument_innen bildet, die das Denken außer Kraft setzen.

  6. Luna sagt:

    Gut, mein Kommentar ist zu einer eher älteren Diskussion, aber dennoch: Primark schleimt sich halt mit ihrer „Sozial“politik ein. Sprich: Verkäufer_innen dürfen Kopfbedeckung tragen, können offen lesbisch_schwul_trans* sein und werden so akzeptiert.
    Ist bei anderen Shops nicht so, wird zwar nicht diskriminiert, aber auf „Diversity“ wird auch keinen Wert gelegt (wobei ich Diversity auch problematisch finde…)

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