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Sumangali abschaffen!!!

Sumangali. Ein Begriff, hinter dem sich so unglaublich viel Grausamkeit verbirgt, dass man kotzen will. Sumangali steht für das System, junge Frauen – eigentlich Kinder! – mit dem Versprechen, sich eine Mitgift erwirtschaften zu können, in sklavenartige Arbeitsverhältnisse in Textilfabriken gelotst werden. Ohne Mitgift ist für indische Frauen nichts los, nichts zu holen, kein guter Mann zu finden usw. Das allein ist für uns Österreicherinnen schon ein inzwischen schwer zu verstehendes Konzept, dort jedoch Teil der Kultur (und wirklich allzulang ist das auch nicht her, dass Mitgift auch in unseren Breiten etwas übliches war, by the way). Arme Familien in Indien, die sich keine Mitgift leisten können, stehen vor massiven sozialen Problemen.

Aber diesen Teil der Kultur auszunutzen, um junge Mädchen dazu zu bringen, um einen Hungerlohn Kleidung für den Westen produzieren zu lassen, ist niederträchtig, mies, verabscheuenswürdig. Die Mädchen werden in den Fabriken gleichsam eingesperrt, und es ist nicht selten der Fall, dass nach den drei oder vier Jahren Vertragsdauer die Fabrikschefs plötzlich nichts mehr wissen von einer vereinbarten Prämienzahlung am Ende.

Textilunternehmen betonen natürlich, dass sie niemals Sumangali unterstützen würden – aber ganz ehrlich: Sie können es nicht überprüfen. Hier hätten wir wiedermal das Problem der intransparenten Lieferkette. Auf die Fabriken, die direkt mit ihnen in Vertrag stehen, haben sie vielleicht Einfluss, aber bei dem weitverbreiteten System des Subunternehmertums sind sie chancenlos. Kann gut sein, dass die alte Fleecejacke, die ich grad zuhause, knotzend am Sofa, anhab, stellenweise von diesen Mädchen genäht wurde, die sich von der Arbeit eine Mitgift und damit die Chance auf Familie erhoffen.

Die katholische Frauenbewegung hat nun eine Petition gegen Sumangali ins Leben gerufen. Wie leider so viele Petitionen ist sie ein Tropfen auf den heißen Stein – durch diese Petition wird Sumangali nicht beendet werden. Aber wenn viele, viele Menschen unterschreiben, dann wird das Thema wenigstens in der Öffentlichkeit bekannter und die Textilunternehmen, die ihre Lieferkette überprüfen und fair machen könnten, symbolisch abgewatscht.

Ich bitte also um Unterschrift.

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Dunkelschwarzhellweißundallesdazwischen

Schon vor ein paar Tagen erschienen: Das Netzwerk Faire Mode schreibt zur Gefängnisarbeit bei Takko. Der Textildiskonter ist süffisanterweise Mitgleid bei der Fair Wear Foundation. Sehr gut beschrieben ist da auch die Zertifizierungsmöglichkeit durch SA 8000, ein Standard für Managementsysteme für Arbeitsstandards. Dieser SA 8000 ist ein Hund, weil er oft als Standard für faires und soziales Arbeiten interpretiert wird. Bullshit. Könnt ihr euch an die Fabrik in Pakistan erinnern, bei der vor wenigen Wochen fast 300 ArbeiterInnen starben, weil die Fenster vergittert und die Ausgänge versperrt waren? Diese Fabrik war ebenfalls SA 8000 zertifiziert…

Auf alle Fälle: Sehr spannender, ausführlicher Beitrag von Mark Starmanns vom Netzwerk Faire Mode. Lesenswert! Mark hat absolut recht – es bringt nichts, jetzt rein Takkos Mitgliedschaft bei der Fair Wear Foundation zu skandalisieren (dass chinesische Gefängnisinsassen für Takko nähen, ist sehr wohl ein Skandal). Takko hat eine Käuferschaft, die sich im Allgemeinen wohl kaum für nachhaltige Prouktion interessiert, und die extrem günstig einkaufen will. Dass Takko dennoch an den Sozialstandards in den für sie produzierenden Fabriken arbeiten will, so schwer das durch hohe Intransparenz der Lieferkette ist, spricht für den Diskonter. Aus der Intransparenz erklärt sich mir der Skandal. Und mir zeigts, dass es sinnlos ist, schwarzweiß/gutböse zu zeichnen. Diejenigen, die versuchen wollen, sich Richtung Nachhaltigkeit zu entwickeln, denen muss man unter die Arme greifen, aber auch ordentlich auf die Finger klopfen, sollte man merken, dass sie nur auf Greenwashing und Imagepflege aus sind. Ich will jetzt Takko nicht entlasten und sagen: Aber sie können ja nix dafür. Nein, sie hätten es wissen müssen. Sie sollten unbedingt für mehr Offenheit in der Lieferkette sorgen. Aber sie haben sich immerhin über die FWF dazu bekannt und sollten sich gerade auf einem – recht steinigen – Weg dorthin befinden.

Das ist ja auch mein großes Problem mit dem Textilschweden. Einerseits ist er allein schon durch seine Größe am Weltmarkt und dem Schwerpunkt auf konventionelle Produktion böse, dunkelschwarz. Andererseits ist es ebenfalls Tatsache, dass ohne den Textilschweden die Biobaumwollproduktion sich weitaus langsamer entwickeln würde, er ist der größte Abnehmer von Biobaumwolle weltweit, also: weiß. Aber wenn die blonde Schönheit, die die CSR-Abteilung leitet, wieder heiße Luft von sich gibt, wirds wieder dünkler.

Mich erinnert das an das Problem, das NGOs sehr oft haben – ich sag jetzt mal „wir“ kassieren oft den Vorwurf, Verhinderer zu sein, überall gleich dagegen zu sein. Der Haken da ist schnell erklärt: In der Öffentlichkeit, in den Medien, da musst du schwarzweiß zeichnen. Ein Feindbild zeichnen, gegen eine Firma kampagnisieren. Oft ist das ja auch gut und bringt was, aber man läuft Gefahr, zarte Pflänzchen der Entwicklung gleich mal im Keim zu ersticken.

Fazit? Hab ich keins. Außer vielleicht, dass diese Individualisierung auf jeden einzelnen Hersteller unfassbar viel Arbeit mit sich bringt. Die es aber wert sein sollte.

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KIK reagiert.

Zu meine großen Überraschung hat KIK wirklich recht zeitnah auf das Unglück in Pakistan reagiert, und zwar so: Sie behaupten doch wirklich, die Fabrik regelmäßig überprüft zu haben. Nach den Aussagen der pakistanischen Aktivisten kann das entweder gar nicht stimmen, oder sie schicken taubblinde Maulwürfe zu den Audits.

Auf orf.at heißt es dazu:

„Grundsätzlich verpflichtet Kik alle Lieferanten auf die Erfüllung und Einhaltung elementarer Arbeitsrechte und Sicherheitsstandards“, hieß es. Externe, unabhängige und zugelassene Zertifizierungsunternehmen hätten die Fabrik in Karachi geprüft.

Über Ali Enterprises würden drei Berichte vorliegen. Nachdem es 2007 noch Hinweise auf mangelnden Brandschutz gegeben habe, seien Nachbesserungen umgesetzt worden. Ein Prüfbericht vom 30. Dezember 2011 habe die Einhaltung bestätigt, erklärte das Unternehmen.

Mag schon sein, dass diese drei Berichte durch etwas Bakschisch zustandegekommen sein könnten – damit der Fabriksbesitzer den potentiellen Auftraggebern aus Europa schriftlich zeigen kann: Passt eh alles! Und sich gleichzeitig drauf verlässt: Da kommt eh niiiiie wer aus Europa zur Überprüfung her. Was interessiert die denn Pakistan. Klingt schon so gefährlich. Natürlich ist es einfach, die Arschkarte jetzt an diese Fabriksbesitzer abzuschieben. Allerdings: Mehr Macht und damit mehr Verantwortung haben die europäischen Auftraggeber wie KIK. Sich einfach drauf rausreden, dass sie eh die Dokumente hätten und ihnen das unerklärlich ist, ist billig. Es ist so ein deppertes Hin und Her: Die ArbeiterInnen dort brauchen die Arbeit, und viele der dortigen Stimmen bringen ein Bild zusammen, das besagt: Sie brauchen die Arbeit egal wie, da sie ihre Familie von dem Hungerlohn ernähren müssen. Die andere Seite ist hinlänglich bekannt: Wir kaufen uns um 15 Euro eine Fleeceweste, für deren Produktion die Näherin 5 Cent sieht. Es reicht also nicht zu sagen, dass gute Überprüfungen her müssen und mei, im Notfall wird die Fabrik halt gesperrt und kriegt keine Aufträge mehr. Sondern – my humble opinion – es muss wieder mehr Geld fließen. Das Beispiel ist alt: Würde H&M seinen T-Shirt-NäherInnen das doppelte Gehalt in Bangladesch zahlen, würde sich das am fertigen Shirt bei direkter Weitergabe aller zusätzlich entstandenen Kosten an den Kunden mit heißen 50 Cent auswirken. Und es macht mich so unglaublich wütend, dass diese Teuerung nicht passiert!! Klar, alles wird teurer grad und mit europäischen Mindestgehältern ist europäisches Durchschnittsleben nicht mehr finanzierbar. Aber haaaalllooo: Eine Dose Red Bull kostet mehr als das Doppelte! Nur für die Relation… Und nicht nur die NäherInnen gehörten ordentlich entlohnt, sondern es gehört mit ebensolchem Finanzaufwand für ihre Sicherheit gesorgt.

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300 Tote weit weg ganz nah

Einige von euch werden letztens sicher über die abgebrannte Textilfabrik in Pakistan gelesen haben, bei der 300 Näherinnen starben. Die meisten verbrannten hilflos, weil nicht nur die Türen zugesperrt waren (von Fluchtweg sowieso keine Rede), sondern weil die Fenster auch noch vergittert waren. Die, die nicht verbrannten, zogen sich teilweise tödliche Verletzungen zu, weil sie auf der Flucht vor den Flammen vom Dach der Fabrik sprangen.

Klingt grauslich, ist aber weit weg – dieses Pakistan. Das war doch das Land, wo vor ein paar Jahren Abertausende BewohnerInnen Opfer einer Jahrtausendflut wurden (Klimawechsel oleole, ich trau mich wetten, in spätestens zehn Jahren haben die dort wieder Gelegenheit zum Ertrinken…).

Ich hatte zwei Jahre lang das Vergnügen, journalistisch arbeiten zu dürfen – bei einem großen Onlineportal im Politikressort. Dort hieß es meistens recht trocken: Je weiter weg, desto mehr Tote brauchma, sonst interessierts keinen hier. Die Klickraten bewiesen diese These regelmäßig recht eindrucksvoll. Gut, 300 Tote ist wirklich viel, aber EINE Fabrik, noch dazu so weit weg in einem Land wie Pakistan – sehr sehr sehr viele LeserInnen wissen sicher: Ja, ist weit weg, drüben im Osten. Aber wo genau, können sicher nicht alle beantworten.

Ein solches Drama kann man aber ganz schnell ganz nah hierher holen:

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