In den letzten Wochen habe ich mich sehr intensiv mit der Frage auseinandergesetzt, wieviel Sinn es eigentlich hat (und welchen Sinn ich daraus eigentlich mache), mich hier so zu personalisieren. Natürlich ist da viel „hey, ich bin nett, habt mich gern“-Wunsch unbewusst dabei, genauso wie dieses Sehnen danach, ein Bild von sich zu erschaffen, das Bestätigung bringt. Daher bin ich sehr auf die Bremse getreten in letzter Zeit. Durch einen sehr scharfen Schnitt in meinem Leben erschien mir plötzlich einiges so unwirklich, was in den vergangenen Jahren passiert ist, auch in Bezug auf diesen Blog, und mein eigenes Verhalten plötzlich sehr unreflektiert und unsensibel. Und anstatt zu genießen, dass ich anscheinend eine gewisse Bekanntheit erreicht habe, die ich intentional nie haben wollte, aber die ich damals für den Moment eigentlich ganz witzig fand, versuche ich gerade meiner eigenen Intention auf den Grund zu gehen. Warum war es mir ein Bedürfnis, meinen Selbstversuch zu bloggen, warum habe ich danach konsequent weitergemacht?
Was anfing als pures Selbstkontrollinstrument (so streng bin ich mit mir, dass ich, WENN ich mich schon in einem Bereich deutlich oute, auch authentisch und ehrlich bleibe), wurde recht bald zu einem erfolgreichen Portal, in dem ich gegen Fast Fashion ankämpfen konnte. Einfach, weils mir inhaltlich gegen den Strich geht, wie wir Kleidung konsumieren, wie wir komplett drauf scheißen, wer die produziert hat, und uns ebenso schnurzpiepegal ist, dass dabei die Umwelt und somit unsere Zukunft und die unserer Kinder draufgeht. Das ergab sich jedoch erst nach ein paar Monaten nach Beginn des Projekts, dieser Wunsch, meine vom Mainstream abweichende Position klar darstellen zu können, davor wars echt nur Selbstschutz und große, große, ja riesige Freude am Schreiben. Gut, mir war schon aus meiner beruflichen Medienerfahrung klar: Personalisiere, und du erreichst mehr Leute. Und das habe ich dann ausgenutzt.
Einfach, weil ich die lauten Forderungen der NGOs und die trockenen Artikel, die die Medien daraus machen, zwar extremst wichtig finde – aber ich wollte auch Leute abholen, die mit dem Gefasel von NGOs überhaupt nichts am Hut haben und die fünf Euro, die sie an Greenpeace spenden könnten (*hüstel* 😉 ), lieber in ein neues heißes Top für den Mädelsabend in der Cocktailbar investieren – obwohl sie sich sogar beides gleichzeitig leisten könnten und einen Gin Tonic obendrein. Und das Spannende: Es gelang mir. Mein Buch hat sich bereits weit über 13.000 mal verkauft (ALTER! DREIZEHNTAUSEND! ZWICKTS MICH!), der Blog bewegt sich gerade rund um seinen millionsten Klick, und auch wenn ich nicht schreibe, landen täglich mehrere hundert Leute hier und lesen.
Mein Ziel ist klar: Ich wünsche mir, dass mehr Leute draufkommen, dass eine andere Modewelt möglich ist. Dass diese immer perverser werdende Trendspirale und Fast Fashion Industrie uns alle kaputtmacht. Dass wir als KonsumentInnen sehr wohl auch dazu beitragen können, indem wir mit unserem Geld (=aus wirtschaftlicher und politischer Sicht unserer Macht) ein Zeichen setzen können, welche Art von Produktion wir uns wünschen. Es ist mir ein extremes Anliegen, Hemmschwellen abzubauen. Menschen, die glauben, ui, biofaire Mode, das ist sicher Ökoschlapfen-Jutesack-Optik, pfuiwähgrauslig, die sollen hier merken, dass es optisch echt üüüüüberhaupt keinen Unterschied mehr gibt (außer vielleicht bei Pailletten – denn die sind IMMER Kinderarbeit). Daher hab ich auch den Greenpeace Fashion Shopping Guide recherchiert, und auch hat bereits fast 7000 Downloads. Wahnsinn, oder? Ich finds einfach saucool. Überhaupt die Tatsache, dass meine Beschäftigung mit dem Thema mir einen Job innerhalb der größten Textilkampagne der Welt gebracht hat, ist einfach ein gelebter Traum – und ich fühle mich – obwohl Atheistin – wirklich gesegnet.
Es funktioniert also. Ich habe meinen Wunsch, biofaire Mode beliebter zu machen und die Leute dazuzubringen, über ihr Konsumverhalten nachzudenken, umsetzen können – und wie sogar! Aber: Ich habe mich dafür auch ein bisschen freiwillig prostituiert. Dass mir das großen Spaß macht, weil es mir unglaublich viel Bestätigung bringt, sehe ich derzeit sehr kritisch. Warum brauche ich diese Bestätigung eigentlich? Daher kommt momentan mein Schweigen hier, auch wenn es wie immer unglaublich viel zu berichten gäbe…. ich habe in letzter Zeit wirklich darüber nachgedacht, ob ich überhaupt noch bloggen (und somit mich so öffentlich selbst darstellen) will.
Mein Bauchgefühl sagt mir jedoch: Hey, die Leute hier lesen es. Ich kriege immer wieder Nachrichten, Mails, Kommentare von hauptsächlich Frauen, die mir von ihrer eigenen Shoppingdiät erzählen, meine Kollegen und Freunde nutzen mich seit Jahren als persönlichen Ratgeber in Sachen faire Mode. Ich liefere Inhalte. Und damit will ich auch weitermachen. Aber bis heute war ich immer noch stark verunsichert: Wie soll das dann aussehen? Vertreibe ich damit Leute? Werde ich dann auch zur trockenen Inhaltsvermittlerin? Wieviel von meinem Leben will ich preisgeben? Was davon?
All diese Fragen stelle ich mir noch immer, und das wird mich sicher auch noch eine Weile beschäftigen. Allerdings: Ich bekam heute eine Nachricht von einer mir unbekannten Frau aus Tirol, ich erlaube mir, sie anonymisiert zu veröffentlichen:
Liebe Nunu, danke, dass du dieses Buch geschrieben hast – danke, dass du mich inspiriert hast, auch einen längerwährenden (inzw. sinds 7 Monate!) Kaufstreik zu wagen – danke, dass ich jetzt viel kreativer in der Zusammenstellung meiner Kleidung bin – danke, dass vergessene T-Shirts, Blusen etc. wieder etwas wert sind und in neuer Kombination echt toll aussehen – danke, dass ich damit Geld, Zeit und Nerven spare und nach langer Zeit wieder zur Stricknadel griff – danke, dass ich durch dein Buch noch bewusster einkaufe – danke auch für deine interessanten Blogs und Inputs auf Facebook….ich wünsch dir von ganzem Herzen, dass du viele Menschen mit deiner Idee begeistern kannst! A. aus Tirol (es war mir einfach ein Anliegen, dir das zu schreiben )
Ziel erreicht, würde ich sagen. Auch wenn mir am Anfang dieses Blogs nicht klar war, dass das das Ziel war. Und ich sicherlich während des Hypes rund um Buch und Blog immer wieder drauf vergessen hab und mich in der Bestätigung meiner Person gesuhlt hab: Das, was A. schreibt, das ist in den vergangenen Jahren, in denen ich erst selbst durch diesen Prozess der Bewusstwerdung gehen musste, wie scheiße die konventionelle Modeindustrie eigentlich sein kann und wie sie uns verarscht auf Kosten anderer, zu meinem Ziel geworden. Und das will ich weiter verfolgen.
Und wer bis hier gelesen hat, bekommt ein Mitarbeitsplus. Danke fürs Lesen. Auf bald. Mit neuen Nachrichten aus einer anderen Modewelt, die den konventionellen nicht nur um nichts nachsteht, sondern ihnen meilenweit voraus ist. Aber definitiv mit weniger ichichich.
Ich habe lange überlegt, ob und wie ich diesen Beitrag schreiben soll. Und auch wenn ich weder auf Hintergründe eingehe noch jemandem eine Erklärung schuldig bin, wird sich eines wohl nicht ändern: Ich muss mir Dinge im wahrsten Sinne des Wortes von der Seele schreiben. Aber ich werde sie in Zukunft nicht immer veröffentlichen.
PS: Ich hab grad echt überlegt, wieso ich das geschrieben hab. Was es euch eigentlich angeht. Aber auf der anderen Seite: Ich hab durch diesen Beitrag gerade meine innere Sperre und sich fast schon entwickelnde leichte Angst vorm Bloggen hier wieder niedergerissen.








